VwGH 26.11.2008, 2006/08/0222
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des Mag. A in H, vertreten durch Dr. Norbert Bergmüller, Rechtsanwalt in 8970 Schladming, Rittervon-Gersdorff-Straße 619, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom , Zl. 61-26g1963/4-2006, betreffend Zurückweisung eines Einspruches in einer Angelegenheit nach dem ASVG (mitbeteiligte Parteien: 1. Steiermärkische Gebietskrankenkasse, Josef Pongratz-Platz 1, 8010 Graz;
2. Stadtgemeinde Schladming, 8970 Schladming; 3. Universität für Musik und darstellende Kunst, 8011 Graz, Leonhardstraße 15),
Spruch
1. den Beschluss gefasst:
Die Gegenschrift des Landeshauptmanns von Steiermark wird zurückgewiesen.
2. zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Einspruch des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom , mit dem Beitragsgrundlagen in näher bezeichneten Zeiträumen festgestellt worden waren, als verspätet eingebracht zurückgewiesen.
Die belangte Behörde ging in dem angefochtenen Bescheid davon aus, dass der Bescheid der ersten Instanz durch Hinterlegung am zugestellt worden sei und die Rechtsmittelfrist daher am abgelaufen sei, sodass die vom Beschwerdeführer persönlich mit Schreiben vom sowie, vertreten durch den nunmehrigen Beschwerdevertreter, mit Schreiben vom (ergänzt durch ein Schreiben vom ) dagegen erhobenen Einsprüche verfristet gewesen seien.
Nach dem auf der Urschrift des angefochtenen Bescheides angebrachten Abfertigungsvermerks wurde er am abgefertigt; laut Beschwerdevorbringen (im Verwaltungsakt befindet sich kein Zustellnachweis) erfolgte die Zustellung an den Beschwerdeführer am .
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und stellte den Antrag, der Beschwerde Folge zu geben. Sie führte aus, dass der Beschwerdeführer auf Grund der Säumnis des Landeshauptmannes von Steiermark bei der Bescheiderlassung über den Einspruch gegen den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom am einen Devolutionsantrag an sie gestellt habe. Die sechsmonatige Entscheidungsfrist des Landeshauptmannes gemäß § 73 Abs. 1 AVG sei zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen gewesen, da der Einspruch bereits am bei der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse als Einbringungsbehörde nach § 63 Abs. 5 AVG eingelangt sei. Am sei der Einspruchsbehörde der Devolutionsantrag zur Kenntnis gebracht worden, worauf diese den angefochtenen Bescheid erlassen habe. Der angefochtene Bescheid sei daher rechtswidrig, da mit Einlangen des Devolutionsantrages bei der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz und dem Verstreichen der Entscheidungsfrist des § 73 Abs. 1 AVG die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Einspruch an die Oberbehörde (die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) übergegangen sei.
Die belangte Behörde erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Steiermärkische Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Die weiteren anderen mitbeteiligten Parteien haben sich nicht am Verfahren beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Gemäß § 22 VwGG kann der zuständige Bundesminister - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - an Stelle eines anderen beschwerdeführenden Organs jederzeit in das Verfahren eintreten. Mit der Aktenvorlage und der Stellung des Antrags, der Beschwerde Folge zu geben, ist die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz an Stelle der belangten Behörde in das Verfahren eingetreten, sodass die in der Folge erstattete Gegenschrift der belangten Behörde, der damit keine Parteistellung im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mehr zukommt, zurückzuweisen war.
2. Gemäß § 73 Abs. 1 AVG sind Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist mit "Einlangen" im Sinne des § 73 Abs. 1 AVG das Eintreffen bei der Behörde, deren Entscheidungspflicht in Rede steht (oder etwa im Fall einer Berufung bei einer als Einbringungsstelle gesetzlich festgelegten anderen Behörde), gemeint (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/19/2190). Im gegenständlichen Fall war der Einspruch des Beschwerdeführers gemäß § 412 Abs. 1 ASVG bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse einzubringen. Wie sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt, ist der Einspruch des Beschwerdeführers bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse am eingelangt, sodass mit diesem Zeitpunkt die Entscheidungsfrist der belangten Behörde gemäß § 73 Abs. 1 AVG zu laufen begann.
3. Gemäß § 73 Abs. 2 AVG geht, wenn der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen wird, auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über (Devolutionsantrag).
Wie sich aus der Äußerung der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz sowie dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt, hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom , bei der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz als gemäß § 415 Abs. 2a ASVG sachlich in Betracht kommender Oberbehörde nach § 73 Abs. 2 AVG eingelangt am , einen Devolutionsantrag gestellt.
Der Devolutionsantrag wurde daher jedenfalls nach Ablauf der sechsmonatigen Entscheidungsfrist gestellt und ist bei der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde vor Erlassung des angefochtenen Bescheides eingelangt.
Da mit der Einbringung eines zulässigen Devolutionsantrages die Zuständigkeit auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde übergeht, war die belangte Behörde zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht mehr zuständig (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/17/0220).
4. Der angefochtene Bescheid war daher wegen von Amts wegen wahrzunehmender Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Wegen der auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden sachlichen Abgabenfreiheit (§ 110 ASVG) war das auf den Ersatz der Pauschalgebühr gerichtete Mehrbegehren abzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Schlagworte | Besondere Rechtsgebiete ASVG KOVG |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2008:2006080222.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
NAAAE-81952