VwGH vom 16.02.2012, 2008/18/0715
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde der J E in W, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/284.757/2008, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerdeführerin, eine nigerianische Staatsangehörige, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet aus.
Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin sei am illegal nach Österreich eingereist und habe am selben Tag einen Asylantrag gestellt, der am rechtskräftig abgewiesen worden sei.
Am habe die Beschwerdeführerin einen österreichischen Staatsbürger geheiratet und am einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger eines Österreichers" eingebracht, der jedoch letztlich vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom wegen unzulässiger Antragstellung vom Inland aus rechtskräftig abgewiesen worden sei.
Die Beschwerdeführerin habe zu keiner Zeit über einen Aufenthaltstitel für Österreich verfügt und halte sich seit rechtskräftigem Abschluss ihres Asylverfahrens unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Es seien sohin die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 FPG zur Erlassung der Ausweisung erfüllt.
Die Beschwerdeführerin verfüge im Inland über familiäre Bindungen zu ihrem Ehegatten. Es sei daher von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin auszugehen. Dieser Eingriff sei jedoch dringend geboten, weil der Befolgung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukomme.
Im Rahmen der Interessenabwägung sei auf den mehr als sechsjährigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet Bedacht zu nehmen, doch komme einer daraus ableitbaren Integration sowie der seit ausgeübten Berufstätigkeit nur ein gemindertes Gewicht zu, weil der Aufenthalt der Beschwerdeführerin seit der Beendigung ihres Asylverfahrens am unrechtmäßig sei. Auch der Versuch, den Aufenthalt durch eine Inlandsantragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zu legalisieren, könne angesichts der gemäß § 21 Abs. 1 NAG erforderlichen Einbringung im Ausland nicht positiv gewertet werden, liefe es doch den öffentlichen Interessen grob zuwider, wenn ein Fremder bloß durch das Unterlassen der Ausreise trotz rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens den tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet erzwingen könnte. Vor diesem Hintergrund hätten die privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführerin gegenüber den hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens in den Hintergrund treten müssen, weshalb die gegenständliche Maßnahme auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten keinesfalls schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Die belangte Behörde stützte sich im Rahmen ihrer - bloß formelhaft getätigten - Interessenabwägung nach § 66 FPG darauf, dass die Beschwerdeführerin trotz rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens nicht ausgereist sei, und auch der Versuch, ihren Aufenthalt durch einen im Inland gestellten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zu legalisieren, unzulässig gewesen sei. Dazu ist darauf hinzuweisen, dass dem Vorbringen der Beschwerdeführerin und den Feststellungen im angefochtenen Bescheid zufolge die Ehe bereits vor der Beendigung des Asylverfahrens geschlossen wurde. Insoweit greift die Begründung der belangten Behörde, die bloß auf den unrechtmäßigen Verbleib der Beschwerdeführerin in Österreich abstellt, zu kurz. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt der Bindung eines Fremden an einen österreichischen Ehepartner im Rahmen der Abwägung nach Art. 8 EMRK große Bedeutung zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0032, mwN). In einer solchen Konstellation darf sich die Fremdenpolizeibehörde nicht mit formelhaften Begründungen begnügen. Vielmehr muss sie sich mit den konkreten Auswirkungen einer Ausweisung auf die Situation des Fremden und seiner Familienangehörigen befassen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0422 und 0425, mwN). Angesichts dessen hätten im angefochtenen Bescheid auch nähere Feststellungen zu den Lebensverhältnissen der Beschwerdeführerin und ihres Ehemanns, zur Art ihrer Beschäftigungen, zur Frage der Deutschkenntnisse sowie zu den Bindungen zum Heimatstaat getroffen werden müssen (vgl. dazu nochmals das soeben erwähnte Erkenntnis vom ). Der bloße Hinweis auf den unrechtmäßigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens wird dem nicht gerecht. Somit hätte es im Rahmen der hier gegenständlichen Interessenabwägung - nach Ergänzung des maßgeblichen Sachverhaltes hinsichtlich der sowohl zu Gunsten, aber auch zu Lasten der Beschwerdeführerin sprechenden Umstände - einer umfassenden Betrachtung bedurft, aus welchen Gründen eine allfällige Trennung der Ehepartner im öffentlichen Interesse hingenommen werden müsste.
Da die belangte Behörde insoweit die Rechtslage verkannte, indem sie eine derartige Beurteilung als für nicht erforderlich erachtete und infolge dessen die zu dieser Beurteilung notwendigen umfassenden Feststellungen nicht traf, war der angefochtene Bescheid wegen (vorrangig wahrzunehmender) Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
TAAAE-81950