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VwGH vom 22.09.2011, 2008/18/0712

VwGH vom 22.09.2011, 2008/18/0712

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des VS, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/297.265/2008, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes - FPG ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, bereits mit Bescheid der Behörde erster Instanz vom sei gegen den Beschwerdeführer wegen Mittellosigkeit ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden, in dessen Folge er auch abgeschoben worden sei. (Das Aufenthaltsverbot wurde mit Bescheid vom aufgehoben.) Nach seinen Angaben sei der Beschwerdeführer Ende August 2003 nach Österreich eingereist. Diese Angaben stünden mit der Aktenlage insofern im Widerspruch, als der Beschwerdeführer - nach offensichtlich illegaler Einreise -

bereits am einen Asylantrag gestellt habe, den er im Juli 2005 zurückgezogen habe. Das Asylverfahren sei eingestellt worden.

Der Beschwerdeführer habe am eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und - darauf gestützt - die Erteilung eines Aufenthaltstitels beantragt.

Bei seiner am erfolgten Vernehmung habe der Beschwerdeführer das Vorliegen einer Scheinehe bestritten. Unter anderem habe er dabei angegeben, dass seine Ehefrau jetzt gerade in der Wohnung sei, während diese nach telefonischer Kontaktaufnahme angegeben habe, in M zu sein. Der Beschwerdeführer habe dazu ausgeführt, die Ehefrau sei dorthin gefahren, um irgendwelche Angelegenheiten zu regeln. Als er die Wohnung verlassen habe, sei sie noch da gewesen. Sie würde am selben Tag im Laufe des Nachmittags zurückkommen. Demgegenüber habe die Ehefrau angegeben, sie würde diesen und auch den folgenden Tag in M bleiben. Über Vorhalt, weshalb er den Verbleib seiner Frau nicht kenne, habe der Beschwerdeführer angegeben, sie habe noch geschlafen und er habe nur gewusst, dass sie vorhabe, irgendwann nach M zu fahren. Über weiteren Vorhalt, dass seine Frau jedoch angegeben habe, sie hätten einander vor ihrer Abfahrt um 08.30 Uhr noch gesehen, habe der Beschwerdeführer lediglich ausgeführt, dass seine Ehefrau noch im Bett gewesen sei.

Am - so die belangte Behörde weiter - hätten sich bei den Vernehmungen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau neben gleichlautenden Angaben bemerkenswerte, im angefochtenen Bescheid im Einzelnen dargestellte Widersprüche ergeben.

Der Vater der Ehefrau des Beschwerdeführers habe am zwar von der Ehe seiner Tochter gewusst, jedoch weder den Namen noch die Adresse des Beschwerdeführers nennen können und angegeben, seine Tochter sei volljährig und könne machen was sie wolle.

Am habe eine an der angeblich ehelichen Wohnanschrift angetroffene bulgarische Staatsangehörige angegeben, in der vorangegangenen Nacht mit den Eheleuten unterwegs gewesen zu sein und in der Wohnung ihrer Freundin (der Ehefrau des Beschwerdeführers) genächtigt zu haben. In der Wohnung hätten in den Kästen Männer- und Frauenbekleidung festgestellt werden können, im Zimmer sei ein aufgeklapptes und zum Schlafen bezogenes Sofa gestanden. Am Schreibtisch seien mehrere auf den Beschwerdeführer und seine Ehefrau lautende Schriftstücke "deponiert" und ein gemeinsames Foto der Eheleute aufgestellt gewesen. Die bulgarische Staatsangehörige habe keine Handynummer ihrer angeblichen Freunde bekanntgeben können und lediglich mitgeteilt, dass diese bereits in der Arbeit seien.

Beweiswürdigend kam die belangte Behörde zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer eine Scheinehe eingegangen sei, um einen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet zu erlangen. Sie verwies dazu auf teils erhebliche Widersprüche in den Aussagen der Eheleute. Diese Widersprüche ließen nicht nur ein grobes Unwissen über maßgebliche Umstände im Leben des jeweils anderen Ehepartners erkennen, sondern legten auch den berechtigten Schluss nahe, dass ein gemeinsames Ehe- und Familienleben lediglich konstruiert werden solle, um die Behörde von einer aufrechten Ehe zu überzeugen. Oftmals einstudierte, übereinstimmende Angaben gehörten gerade zum Wesen einer Scheinehe und zu der damit verbundenen Täuschungsabsicht.

Ferner habe der Beschwerdeführer am angegeben, die Eltern seiner Ehefrau drei- oder viermal gesehen zu haben. Der Vater der Ehefrau habe am jedoch weder den Namen noch die Adresse des Beschwerdeführers gewusst, obwohl bei einem - nach Angaben des Beschwerdeführers - drei- oder viermaligen Treffen mit den (Schwieger )Eltern diesen zumindest der Name des Beschwerdeführers bekannt sein müsste. Das Unwissen des Vaters der Ehefrau des Beschwerdeführers über dessen Adresse bedeute, dass er auch die Anschrift seiner Tochter nicht wisse, was mit den aktenkundig häufigen Besuchen der Ehefrau bei ihren Eltern nicht als lebensnah erscheine. Vielmehr bestätige dies - ebenso wie die widersprüchlichen Angaben zur Ehewohnung der Eheleute - die von der Behörde gewonnene Überzeugung, dass die Ehefrau entgegen ihrer polizeilichen Meldung nicht beim Beschwerdeführer wohnhaft sei "und solches" nur vorgetäuscht werden solle.

Dass bei der Hauserhebung (nur) ein (von den Eheleuten als eheliche Bettstatt bezeichnetes) ausziehbares Sofa bezogen gewesen sei, lasse - insbesondere in Anbetracht der Größe der Wohnung und dem offenbaren Nichtvorhandensein einer weiteren Schlafstelle - die Frage offen, wo die bulgarische Staatsangehörige genächtigt habe. Bemerkenswert erscheine, dass die bulgarische Staatsangehörige im Jahr 2007 einen Monat lang an dieser Anschrift auch nebengemeldet gewesen sei. Unter diesen Umständen stelle das Vorfinden von Damenbekleidung in der Wohnung kein für ein gemeinsames Familienleben sprechendes zwingendes Beweismittel dar. Die in der Wohnung vorgefunden Fotos und Schriftstücke der Eheleute stellten zwar ein Indiz für eine aufrechte Ehe dar, hätten jedoch vor dem Hintergrund der sonstigen Ermittlungen nicht zu überzeugen vermocht.

Die Vernehmung der vom Beschwerdeführer beantragten Zeugen habe zu unterbleiben gehabt, weil weder ersichtlich gewesen sei, in welcher Verbindung diese Personen zu den Eheleuten stünden, noch, zu welchem Beweisthema sie Auskunft auf Grund eigener Wahrnehmung machen könnten. Die Beantwortung der Frage, ob eine Ehe eine Scheinehe darstelle, stehe einem Zeugen nicht zu. Diese Beweismittel seien in die Nähe eines unzulässigen Erkundungsbeweises zu rücken, weil für die belangte Behörde nicht einmal erahnbar sei, wozu diese Personen befragt hätten werden sollen.

Das Verhalten des Beschwerdeführers erfülle den in § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG normierten Tatbestand, gefährde maßgebliche öffentliche Interessen gegenwärtig, tatsächlich und erheblich und berühre ein Grundinteresse der Gesellschaft. Die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes seien im Grunde des § 87 (iVm § 86 Abs. 1 FPG) gegeben.

Der Beschwerdeführer sei verheiratet und habe keine Sorgepflichten. Familiäre Bindungen bestünden zu einem Bruder. Der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers sei zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiete des Fremdenwesens, zur Verhinderung von Scheinehen - dringend geboten sei. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei zulässig im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG.

Bei der gemäß § 66 Abs. 2 FPG durchzuführenden Interessenabwägung sei auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes ableitbare Integration des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen. Gleichzeitig sei jedoch zu bedenken, dass der Beschwerdeführer dem damals bestehenden Aufenthaltsverbot zuwider illegal in das Bundesgebiet eingereist sei, seinen Aufenthalt zunächst auf einen Asylantrag und anschließend auf die Scheinehe gestützt habe. Auch der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt sei dem Beschwerdeführer erst durch das Eingehen der Scheinehe ermöglicht worden. Seine familiären Bindungen zum Bundesgebiet erwiesen sich als sehr gering. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen keinesfalls schwerer als das in seinem Fehlverhalten gegründete hohe öffentliche Interesse an seinem Verlassen des Bundesgebietes und daran, diesem fernzubleiben. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes erweise sich daher auch im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG als zulässig.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Antrag, diesen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gegen den Beschwerdeführer als Familienangehörigen einer Österreicherin im Sinn des § 87 FPG, die ihr Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen hat, ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 86 Abs. 1 FPG nur zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind diese Voraussetzungen gegeben, wenn ein Fremder im Sinn des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG eine Ehe geschlossen und sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0935, mwN).

2.1. Die Beschwerde wendet sich gegen die der Annahme einer Aufenthaltsehe zugrunde liegende Beweiswürdigung der belangten Behörde und bringt dazu vor, sowohl der Beschwerdeführer als auch seine Ehefrau hätten übereinstimmend ausgesagt, eine "richtige" Ehe geschlossen zu haben. Die in den Aussagen der Eheleute aufgetretenen geringfügigen Widersprüche seien keineswegs so gravierend, um eine Scheinehe annehmen zu können. Darüber hinaus habe die belangte Behörde die beiden vom Beschwerdeführer beantragten Zeugen nicht vernommen.

2.2. Mit diesen Ausführungen zeigt die Beschwerde keine Unschlüssigkeit der von der belangten Behörde vorgenommenen Beweiswürdigung auf.

Insbesondere konnte die belangte Behörde ihre Annahme vom Vorliegen einer Scheinehe auf die zahlreichen, am in den Aussagen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau aufgetretenen Widersprüche stützen. Diese betrafen u.a. den Zeitpunkt der Einreise des Beschwerdeführers nach Österreich, die Frage, seit wann eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft bzw. eine Geschlechtsgemeinschaft der Eheleute besteht, die Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers und dessen Ausübung der Religion, den Zeitpunkt des Kennenlernens, die Häufigkeit und die Örtlichkeit der behaupteten, danach erfolgten Treffen der späteren Eheleute, den damaligen Wohnort der Ehefrau, die Existenz einer gemeinsamen Haushaltskassa, den Ablauf des Tages der Eheschließung (sowohl den Zeitraum vor der standesamtlichen Hochzeit als auch das Hochzeitsessen bzw. die Hochzeitsfeier), die Kreditverbindlichkeiten der Ehefrau, den Ablauf der letzten Weihnachten sowie der Silvesterfeier 2007/2008, die Eheringe, die Beschreibung des Wohnzimmers und der Küche der angeblich ehelichen Wohnung, die Bekleidung der Eheleute in der der Vernehmung vorangegangenen Nacht sowie den Ablauf des der Vernehmung vorangegangenen Wochenendes.

In Gesamtheit handelt es sich dabei - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht - keineswegs um bloß geringfügige Widersprüche in den Aussagen der Eheleute. Vielmehr betrafen diese Widersprüche Umstände, bei denen nach allgemeiner Lebenserfahrung im Fall des Eingehens und des Bestehens einer echten Ehe durchaus verlässlich übereinstimmende Angaben zu erwarten sind. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde den Versuch unternommen, die Widersprüche zu erklären.

Das Beschwerdevorbringen betreffend die nicht erfolgte Vernehmung der allgemein "zum Beweis dafür, dass keine Scheinehe vorliege" beantragten Zeugen zeigt keinen Verfahrensmangel auf. Der Beschwerdeführer hat weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde substantiiert dargelegt, welche konkreten Angaben die beiden Zeugen zur Frage des Vorliegens eines gemeinsamen Familienlebens zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau hätten machen können. Somit wird die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan.

Vor diesem Hintergrund und angesichts der - in der Beschwerde mit keinem konkreten Vorbringen bekämpften - weiteren, im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegten Argumente der belangten Behörde begegnet diese Beweiswürdigung im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken.

2.3. Auf dem Boden des Gesagten ist ferner die Beurteilung der belangten Behörde, dass die in § 86 Abs. 1 FPG (iVm § 87 FPG) umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, nicht zu beanstanden.

3. Auch das - nicht bekämpfte - Ergebnis der von der belangten Behörde nach § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung ist im Hinblick auf die im angefochtenen Bescheid dargelegten Erwägungen nicht als rechtswidrig zu erkennen.

4. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
KAAAE-81940