VwGH vom 02.05.2019, Ra 2019/08/0070
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des F H in W, vertreten durch Masser & Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Singerstraße 27, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W178 2210729- 1/4E, betreffend Beiträge nach dem GSVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis verpflichtete das Bundesverwaltungsgericht den Revisionswerber zur Bezahlung von rückständigen Beiträgen nach dem GSVG in Höhe von EUR 34.704,43 und eines Beitragszuschlags in Höhe von EUR 3.227,47 sowie von Verzugszinsen. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Der Revisionswerber erblickt entgegen diesem Ausspruch eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darin, dass das Bundesverwaltungsgericht § 40 Abs. 1 GSVG unrichtig ausgelegt habe. Es sei davon ausgegangen, dass die in dieser Bestimmung verwendete Formulierung "Zahlung von Beiträgen" beinhalte, dass die Beträge bereits der Höhe nach feststellbar sein müssten, um vorgeschrieben zu werden. Dies decke sich aber nicht mit dem Wortlaut des Gesetzes, das nur die Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen fordere, nicht aber die Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von bestimmten Beträgen. Die Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts habe zur Folge, dass die Verjährungsbestimmungen unzulässig zu Lasten des Revisionswerbers verlängert würden. Die Auslegung des Gesetzes in diesem Bereich, zu dem keine höchstgerichtliche Judikatur vorliege, sei eine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage, der somit grundsätzliche Bedeutung zukomme.
6 Entgegen diesem Vorbringen existiert zur Auslegung des § 40 Abs. 1 und 2 GSVG eine gefestigte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von der das Bundesverwaltungsgericht nicht abgewichen ist:
7 Die Feststellungsverjährungsfrist beginnt gemäß § 40 Abs. 1 GSVG mit der Fälligkeit der Beiträge. Werden Beiträge - wie hier - auf Grund einer nachträglichen Feststellung der Einkünfte des Versicherten durch die Finanzbehörden vorgeschrieben, so sind sie gemäß § 35 Abs. 2 zweiter Satz GSVG mit dem Letzten des zweiten Monats des Kalendervierteljahres fällig, in dem die Vorschreibung erfolgt. Wird die Vorschreibung nicht zum frühestmöglichen Zeitpunkt vorgenommen, so tritt die Fälligkeit schon nach Maßgabe jenes (früheren) Zeitpunkts ein, in welchem der Sozialversicherungsanstalt auf Grund der Verfügbarkeit der Daten des Einkommensteuerbescheides eine Feststellung der endgültigen Beitragsgrundlage möglich gewesen wäre, wobei die Vorschreibung nicht vor Beginn des auf das Vorliegen des rechtskräftigen Bescheides nächstfolgenden Quartals erfolgen muss (vgl. etwa , mwN). Dieser frühestmögliche Zeitpunkt der Vorschreibung konnte im Revisionsfall angesichts der - vom Bundesverwaltungsgericht unbestritten festgestellten - Rechtskraft der maßgeblichen Einkommensteuerbescheide mit jedenfalls nicht vor dem zweiten Quartal 2013 liegen (die tatsächliche Übermittlung der Einkommensteuerdaten auf Basis der rechtskräftigen Bescheide erfolgte erst mit ). Die Fälligkeit und damit der Beginn der Feststellungsverjährungsfrist sind (frühestens) mit dem Letzten des zweiten Monats dieses Quartals - dem - eingetreten.
8 Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (die belangte Behörde) und das Bundesverwaltungsgericht sind auch zu Recht von der fünfjährigen (anstelle der dreijährigen) Feststellungsverjährungsfrist ausgegangen, hat doch der Revisionswerber im gesamten Verfahren vor der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht keine Gründe genannt, aus denen ihm die Nichtmeldung seiner Tätigkeit nicht vorwerfbar gewesen sein sollte; das diesbezüglich erstmals in der Revision erstattete Vorbringen ist im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof als Neuerung unbeachtlich (vgl. § 41 VwGG).
9 Die - verjährungsunterbrechende - Feststellungsmaßahme der belangten Behörde in Form der Vorschreibung per Kontoauszug vom (dem Revisionswerber zugegangen am ) ist somit innerhalb der Frist des § 40 Abs. 1 GSVG erfolgt (vgl. zur Übersendung von Kontoauszügen als zum Zweck der Feststellung geeignete Maßnahme etwa ).
10 Die zweijährige Frist der Einforderungsverjährung im Sinn des § 40 Abs. 2 GSVG beginnt mit der Verständigung des Zahlungspflichtigen vom Ergebnis der Feststellung, worunter zB auch die Verständigung vom Ergebnis einer Beitragsprüfung oder - auf deren Grundlage - die Erlassung eines Rückstandsausweises fallen. In Fällen hingegen, in denen zwischen dem Beitragsschuldner und dem Krankenversicherungsträger die Verpflichtung des Beitragsschuldners zur Zahlung von Beiträgen strittig ist, kann von "festgestellten Beitragsschulden" im Sinn des § 40 Abs. 2 GSVG nicht gesprochen werden (vgl. etwa , mwN).
11 Im vorliegenden Fall erfolgte die Verständigung des Revisionswerbers von seinen konkreten Beitragsschulden - wie das Bundesverwaltungsgericht unbestritten festgestellt hat - erstmals mit der bereits erwähnten Vorschreibung per Kontoauszug vom . Der Revisionswerber erhob mit Schreiben vom einen "Einspruch" gegen diesen Kontoauszug und beantragte einen Bescheid "mit genauer und detaillierter Aufstellung und Begründung". Da die Zahlungsverpflichtung demnach strittig war, kann von bereits festgestellten Beitragsschulden im Sinn des § 40 Abs. 2 GSVG, die den Lauf der Einforderungsverjährungsfrist ausgelöst hätten, keine Rede sein. 12 Die Feststellungsverjährungsfrist war im vorliegenden Fall also noch nicht abgelaufen, die Einforderungsverjährungsfrist hatte noch gar nicht zu laufen begonnen. Es trifft nicht zu, dass die Verjährungsbestimmungen zu Lasten des Revisionswerbers "unzulässig verlängert" worden wären.
13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019080070.L00 |
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