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VwGH vom 16.02.2012, 2008/18/0700

VwGH vom 16.02.2012, 2008/18/0700

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des VS in W, vertreten durch Dr. Helge Doczekal, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Wickenburggasse 3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/60282/2008, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, ein auf § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestütztes, auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer halte sich seit dem achten Lebensjahr durchgehend in Österreich auf. Er verfüge über einen unbefristet geltenden Aufenthaltstitel. In Österreich lebten seine Ehefrau, seine zwei Kinder, die beide österreichische Staatsbürger seien, sowie seine Eltern, sein Großvater, sein Bruder und seine Schwägerin. Berufstätig sei der Beschwerdeführer in den letzten drei Jahren nicht gewesen.

Am sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht Eisenstadt wegen der Vergehen der Veruntreuung und der Urkundenfälschung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von neun Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Er habe Mitte 2003 den ihm anvertrauten PKW BMW 525 einem Dritten um EUR 11.474,-- verkauft und sich dadurch unrechtmäßig bereichert. Weiters habe er falsche Urkunden, nämlich einen Kaufvertrag und eine Vollmacht mit gefälschter Unterschrift hergestellt, wobei er mit dem Vorsatz gehandelt habe, diese im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts zu gebrauchen.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom sei der Beschwerdeführer wegen schweren Betrugs zu einer bedingt nachgesehenen Zusatzfreiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt worden.

Dennoch sei der Beschwerdeführer wieder straffällig geworden. Am habe das Landesgericht für Strafsachen Wien gegen ihn rechtskräftig eine unbedingte Freiheitsstrafe von 15 Monaten ausgesprochen. Er habe das Verbrechen der Hehlerei sowie das Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden begangen. Dem Urteil sei zugrunde gelegen, dass der Beschwerdeführer gewerbsmäßig Kraftfahrzeuge in einem insgesamt EUR 50.000,-- übersteigenden Wert, und zwar drei Porsche Cayenne, einen BMW X5 und einen VW-Touareg, die ein anderer durch eine mit Strafe bedrohte Handlung gegen fremdes Vermögen erlangt habe, an sich gebracht habe. Weiters habe er einen falschen österreichischen Führerschein hergestellt.

Im Anschluss legte die belangte Behörde dar, weshalb sie auf Grund des vom Beschwerdeführer gesetzten Fehlverhaltens - bezogen auf die von ihm ausgehende Gefahr - die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes als gerechtfertigt erachte.

Zu der nach § 66 FPG vorzunehmenden Beurteilung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer weise "eine stark familiäre, aber nur eine (aktuell) sehr begrenzte berufliche Bindung" in Österreich auf. Auch seine Integration in Österreich müsse als bedeutend anerkannt werden. Es sei daher von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen beachtlichen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen. Dabei ging die belangte Behörde erkennbar von der Richtigkeit des im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Berufungsvorbringens aus, wonach der Beschwerdeführer im achten Lebensjahr nach Österreich gekommen wäre und hier sodann seine weitere Schulausbildung absolviert hätte. Er habe den Beruf des Bauspenglers erlernt und sei von 1993 bis in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden. Dann sei er allerdings arbeitslos gewesen. Des Weiteren habe der Beschwerdeführer in seiner Berufung auf seine beiden minderjährigen Kinder verwiesen sowie auf den Umstand, dass diese "gehörgeschädigt" wären. In seinem Heimatland hätte er keine Verwandten mehr und "zu ihm generell keinen Bezug mehr". Gewaltdelikte hätte er nicht zu verantworten.

Der Eingriff - so die belangte Behörde in ihrer diese Umstände bewertenden Begründung weiter - in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte des Beschwerdeführers sei im vorliegenden Fall aber zulässig. Im Hinblick auf die Gefährlichkeit und Schädlichkeit der "Eigentums- und Fälschungskriminalität" sei nämlich die Erlassung des Aufenthaltsverbots zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, hier konkret: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie zum Schutz des Eigentums anderer, als dringend geboten zu erachten. Das Fehlverhalten des Beschwerdeführers verdeutliche augenfällig seine Gefährlichkeit für das Eigentum im Bundesgebiet aufhältiger Menschen und für die Sicherheit von Urkunden. Der Beschwerdeführer habe sein Unvermögen oder seinen Unwillen gezeigt, die Rechtsvorschriften des "Gastlandes" einzuhalten. Eine positive Verhaltensprognose sei im Hinblick auf die Schwere der Tathandlungen, die mehrfache Tatbegehung und die Vielzahl von strafrechtlich relevanten Angriffen nicht möglich. Der Beschwerdeführer habe die "Verhehlung von fünf Luxusautos" zu verantworten und seine Taten zum Teil gewerbsmäßig begangen. Diesen wohne ein erheblicher Unrechtsgehalt inne. Der aus dem bisherigen Aufenthalt des Beschwerdeführers ableitbaren Integration könne insofern kein entscheidendes Gewicht (mehr) zukommen, als die dafür erforderliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigt worden sei. Ungeachtet dessen, dass die für einen Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich sprechenden Umstände durchaus beachtlich seien, komme ihnen letztlich doch kein größeres Gewicht zu als dem durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers nachhaltig beeinträchtigten Allgemeininteresse. Die privaten Interessen des Beschwerdeführers hätten gegenüber den als hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen in den Hintergrund zu treten. Wenn der Beschwerdeführer vorbringe, in seinem Heimatland praktisch keine Bindungen mehr zu haben, sei dem entgegenzuhalten, dass er es infolge seiner wiederholten Delinquenz in Kauf zu nehmen habe, wenn er den Kontakt mit seiner Familie für die Dauer des Aufenthaltsverbotes nur mehr im Ausland wahrnehmen könne.

Aus § 61 FPG könne der Beschwerdeführer die Unzulässigkeit des Aufenthaltsverbotes nicht ableiten. Er sei zuletzt zu einer unbedingten, mehr als einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden, sodass § 61 Z 3 FPG der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegenstehe. Zu § 61 Z 4 FPG sei auszuführen, dass der Beschwerdeführer, der erst im achten Lebensjahr in Österreich eingereist sei, nicht als von klein auf in Österreich aufgewachsen anzusehen sei.

Schließlich legte die belangte Behörde noch dar, weshalb im Rahmen der Ermessensübung nicht von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes habe Abstand genommen werden können und das Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren zu befristen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 1357/08-7, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - im Verfahren ergänzte - Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die - in der Beschwerde unbekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, es gehe vom Beschwerdeführer eine maßgebliche Gefahr aus, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbots rechtfertige, im Ergebnis zutrifft. Die belangte Behörde hätte zwar auf Grund ihrer Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer (nach der Aktenlage jedenfalls seit dem Jahr 2001) über einen unbefristeten Aufenthaltstitel verfügt, ihrer Beurteilung die in § 56 FPG genannten Kriterien zu Grunde legen müssen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0603). In Anbetracht der Feststellungen zu den strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers, wonach er (auch) die Begehung von Verbrechen zu verantworten hatte (vgl. § 56 Abs. 2 Z 1 erster Fall FPG), über geraume Zeit hinweg straffällig war und auch einschlägig wiederholt Straftaten beging (was zu einer rechtskräftigen unbedingten Freiheitsstrafe von fünfzehn Monaten führte; vgl. insoweit § 56 Abs. 2 Z 2 FPG), die sich in ihrem Unrechtsgehalt auch noch steigerten, besteht nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes letztlich aber kein Zweifel, dass im vorliegenden Fall auch das Bestehen einer Gefahr im Sinn des § 56 Abs. 1 FPG zu bejahen war.

Die Beschwerde bekämpft allerdings den angefochtenen Bescheid ohnedies ausschließlich aus dem Blickwinkel der nach § 66 FPG vorgenommenen Beurteilung. Insoweit werden vom Beschwerdeführer all jene Umstände ins Treffen geführt, die die belangte Behörde bei ihrer Abwägung schon berücksichtigt hat. Dass ihr bei der gesetzlich gebotenen Interessenabwägung ein Fehler unterlaufen wäre, kann der Verwaltungsgerichtshof aber nicht finden. Die belangte Behörde hat darauf hingewiesen, dass die Bindungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet angesichts seiner hier lebenden Familienangehörigen und der bisherigen Aufenthaltsdauer als gewichtig einzustufen sind. In nicht zu beanstandender Weise ging sie allerdings zu Recht davon aus, dass den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers im Hinblick auf sein wiederholtes gravierendes Fehlverhalten, das von ihm trotz Verurteilungen fortgesetzt wurde, kein höheres Gewicht beigemessen werden konnte als dem gegenläufigen öffentlichen Interesse an der Hintanhaltung weiterer strafbarer Handlungen. Vor dem Hintergrund des massiven und wiederholten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers ist die belangte Behörde auch zutreffend zum Ergebnis gelangt, dass der Beschwerdeführer - aber auch seine Familienangehörigen - die allfällige Trennung in Kauf zu nehmen haben. Ebenso hat er aus diesem Grund allfällige Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in sein Heimatland hinzunehmen.

Der Beschwerdeführer bringt abschließend noch vor, es müsse § 60 FPG (gemeint offenbar: § 61 Z 4 FPG) beachtlich sein, weil er nicht zu einer mehr als zweijährigen unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden sei. Es hat ihm aber bereits die belangte Behörde in Übereinstimmung mit dem Gesetz entgegengehalten, dass in seinem Fall der Tatbestand des § 61 Z 4 FPG, auf den der Beschwerdeführer offenkundig abzielt, nicht erfüllt ist. Er ist erst im achten Lebensjahr nach Österreich gekommen, weshalb er nicht im Sinn dieser Bestimmung als von klein auf in Österreich aufgewachsen anzusehen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0144, mwN).

Da somit die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
HAAAE-81915