zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 05.06.2019, Ra 2019/08/0051

VwGH vom 05.06.2019, Ra 2019/08/0051

Betreff



Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der G R in W, vertreten durch Freimüller/Obereder/Pilz Rechtsanwältinnen GmbH in 1080 Wien, Alser Straße 21, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichte s Wien vom , Zl. W198 2211755-1/2E, betreffend Selbstversicherung gemäß § 18a ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Pensionsversicherungsanstalt hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht dem Antrag der Revisionswerberin vom auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege ihres behinderten Kindes Raphael R., geboren am , gemäß § 18a ASVG ab dem unter Festsetzung der Beiträge zur Selbstversicherung für die Jahre 2015 bis 2018 stattgegeben. Vom bis sei die Berechtigung zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nicht gegeben. Für Raphael R. habe ab September 1998 ein Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe bestanden.

2 Gemäß § 669 Abs. 3 ASVG könne die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung iSd § 18a Abs. 1 ASVG auf Antrag von Personen, die irgendwann in der Zeit zwischen dem und dem die zum Zeitpunkt der Antragstellung (hier: ) geltenden Voraussetzungen für diese Selbstversicherung erfüllt hätten, nachträglich beansprucht werden.

3 Die Berechtigung zur Selbstversicherung sei zeitraumbezogen zu beurteilen. § 18a ASVG sei auf Sachverhalte vergangener Zeiträume in seiner jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Gemäß § 18a Abs. 2 ASVG in der bis geltenden Fassung sei die Selbstversicherung für eine Zeit ausgeschlossen gewesen, während der eine Pflichtversicherung in einer gesetzlichen Pensionsversicherung bestanden habe. Für die Revisionswerberin lägen vom 29. September bis Zeiten des Wochengeldbezuges, vom bis Zeiten der Pflichtversicherung nach dem ASVG (Vollversicherung) als Angestellte, vom bis Zeiten des Karenz(urlaubs)geldbezuges, vom bis Bezugszeiten von Sondernotstandshilfe sowie vom bis Zeiten der Pflichtversicherung nach dem ASVG (Vollversicherung) vor. Zudem würden im Versicherungsverlauf vom bis auch Zeiten der Kindererziehung aufscheinen. Dem Antrag auf Selbstversicherung sei erst ab stattzugeben, weil ab diesem Zeitpunkt das Vorliegen einer Pflichtversicherung in der gesetzlichen Pensionsversicherung als gesetzlicher Ausschlussgrund für eine Selbstversicherung gemäß § 18a ASVG weggefallen sei. 4 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision. Die belangte Behörde hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6 Die Revisionswerberin erblickt entgegen dem Ausspruch der Unzulässigkeit der Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darin, dass das Verwaltungsgericht bei Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Selbstversicherung gemäß § 18a ASVG nicht auf die ab dem geltende Rechtslage abgestellt habe. Ab diesem Zeitpunkt sei gemäß § 669 Abs. 3 ASVG auf die zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Voraussetzungen für die Selbstversicherung abzustellen.

7 Die Revision ist aus dem genannten Grund zulässig. Sie ist auch berechtigt.

8 Zum Zeitpunkt der Entscheidung über den genannten Antrag (das in Revision gezogene Erkenntnis wurde der Revisionswerberin am zugestellt) hatte § 669 Abs. 3 ASVG in der Fassung BGBl. I Nr. 125/2017 folgenden Wortlaut:

"(3) Die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nach § 18a kann auf Antrag von Personen, die irgendwann in der Zeit seit dem die zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Voraussetzungen für diese Selbstversicherung erfüllt haben, nachträglich beansprucht werden, und zwar für alle oder einzelne Monate, längstens jedoch für 120 Monate, in denen die genannten Voraussetzungen vorlagen. § 18 Abs. 2 ist sinngemäß anzuwenden."

9 Gemäß § 707a ASVG in der Fassung BGBl. I Nr. 125/2017 trat § 669 Abs. 3 in der genannten Fassung mit in Kraft. Der Gesetzgeber hat zu dieser Regelung keine Übergangsbestimmung vorgenommen.

10 § 18a ASVG in der zum Zeitpunkt der Antragstellung () geltenden Fassung BGBl. I Nr. 2/2015 lautet samt Überschrift auszugsweise:

"Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes

§ 18a. (1) Personen, die ein behindertes Kind, für das erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376, gewährt wird, unter überwiegender Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, können sich, solange sie während dieses Zeitraumes ihren Wohnsitz im Inland haben, längstens jedoch bis zur Vollendung des 40. Lebensjahres des Kindes, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Der gemeinsame Haushalt besteht weiter, wenn sich das behinderte Kind nur zeitweilig wegen Heilbehandlung außerhalb der Hausgemeinschaft aufhält. Eine Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes kann jeweils nur für eine Person bestehen.

(2) Die Selbstversicherung ist für eine Zeit ausgeschlossen, während der

  1. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 2/2015))

  2. eine Ausnahme von der Vollversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Z 3 besteht oder auf Grund eines der dort genannten Dienstverhältnisse ein Ruhegenuß bezogen wird oder

  3. 3.eine Ersatzzeit gemäß § 227 Abs. 1 Z 3 bis 6 oder § 227a vorliegt.

(3) (...)

(...)"

11 Der Verwaltungsgerichtshof vertritt seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 898/75, VwSlg. 9.315 A, in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass die Rechtsmittelbehörde bzw. das Verwaltungsgericht im Allgemeinen das zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheids bzw. Erkenntnisses geltende Recht anzuwenden hat (). Eine andere Betrachtungsweise wäre nur dann geboten, wenn der Gesetzgeber in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck bringt, dass auf anhängige Verfahren noch das bisher geltende Gesetz anzuwenden ist, oder wenn darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens gewesen ist (; , 91/09/0077). 12 § 707a ASVG sieht das Inkrafttreten des § 669 Abs. 3 ASVG in der Fassung BGBl. I Nr. 125/2017 mit ohne Übergangsregelung vor. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass eine solche aus anderen Bestimmungen abzuleiten wäre bzw. dass diesbezüglich eine Rechtslücke bestünde.

13 § 669 Abs. 3 ASVG in der genannten Fassung stellt darauf ab, dass die betreffenden Personen die zum Zeitpunkt ihrer Antragstellung geltenden Voraussetzungen für diese Selbstversicherung erfüllen müssen, im vorliegenden Fall sohin die im § 18a ASVG in der Fassung BGBl. I Nr. 2/2015 festgelegten Voraussetzungen. Auf die im zu erwerbenden Zeitraum der betreffenden Selbstversicherung früher in Geltung gestandenen Voraussetzungen für eine Selbstversicherung kommt es gemäß § 669 Abs. 3 ASVG nicht an.

14 Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch der Revisionswerberin indes nicht nach der zum Zeitpunkt ihrer Antragstellung geltenden Fassung des § 18a ASVG beurteilt. 15 Das angefochtene Erkenntnis war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

16 Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den § 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019080051.L00

Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.