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VwGH vom 12.04.2011, 2008/18/0683

VwGH vom 12.04.2011, 2008/18/0683

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde der IGTG in W, vertreten durch Dr. Max Pichler, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rathausstraße 21, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 1440/06, betreffend Erlassung eines Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Ecuador, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Die Beschwerdeführerin sei im März 2002 illegal in das Bundesgebiet gelangt, habe am einen österreichischen Staatsbürger geheiratet und darauf gestützt die Erteilung eines Aufenthaltstitels beantragt.

Auf Grund des Verdachtes einer Aufenthaltsehe sei die Beschwerdeführerin zunächst am vor der Erstbehörde niederschriftlich vernommen worden. Zur Vernehmung sei sie mit einem Landsmann erschienen, den sie als Bekannten bezeichnet und in W in einer Kirche kennen gelernt habe. Sie habe angegeben, ihren Ehemann vor etwa eineinhalb Jahren über einen peruanischen Staatsangehörigen namens L. kennengelernt zu haben und dann öfter mit ihm fortgegangen zu sein. Da sie aneinander Gefallen gefunden hätten, würden sie seit Dezember 2002 zusammenleben. Am hätten sie geheiratet. Die Beschwerdeführerin habe - so die belangte Behörde - nicht gewusst, bei welchem Unternehmen ihr Ehemann beschäftigt sei.

Der Ehemann habe angegeben, die Beschwerdeführerin vor etwa zwei Jahren im Prater kennengelernt zu haben; im September 2003 seien sie erstmalig zusammengezogen. Das Geburtsdatum der beiden Kinder der Beschwerdeführerin habe er jedoch nicht nennen können, nicht einmal das ungefähre Geburtsjahr oder einen Geburtsmonat. Über Vorhalt, dass die Beschwerdeführerin am angegeben habe, ihn seit Mitte 2003 nicht mehr gesehen zu haben, habe er angegeben, ein Monat im Gefängnis gewesen zu sein und während dieser ganzen Zeit keine Möglichkeit gehabt zu haben, die Beschwerdeführerin von seinem Aufenthalt zu verständigen. Der Ehemann der Beschwerdeführerin - so die belangte Behörde - habe das Vorliegen einer Scheinehe bestritten.

Am seien Erhebungen an der angeblich ehelichen Wohnanschrift durchgeführt worden, wobei die unmittelbare Nachbarin dem erhebenden Beamten gegenüber angegeben habe, dass die gegenständliche Wohnung derzeit leer stehe und zuvor vom Ehemann der Beschwerdeführerin bewohnt worden sei. Unter Vorzeigen eines Lichtbildes der Beschwerdeführerin habe die Nachbarin angegeben, dass ihr diese völlig unbekannt sei und auch an dieser Anschrift mit Sicherheit nie gewohnt habe. Der Ehemann der Beschwerdeführerin habe vielmehr mit einer anderen Frau zusammengewohnt. Nach deren Auszug habe er zuletzt alleine in der Wohnung gelebt.

Bei einer neuerlichen Erhebung an der angeblich ehelichen Wohnanschrift in W sei zwar der Ehemann der Beschwerdeführerin, nicht jedoch die Beschwerdeführerin angetroffen worden. Nach seiner Ehefrau befragt habe er angegeben, dass sich diese "irgendwo zum Putzen befinde". Er habe zwar einige Kleidungsstücke der Beschwerdeführerin vorweisen können, jedoch keinerlei Dokumente. Zuerst habe er dem erhebenden Beamten gegenüber angegeben, die Beschwerdeführerin nächtige ständig in der gegenständlichen Wohnung, nach einiger Zeit habe er jedoch ausgesagt, dass sie hauptsächlich bei ihrem Bruder nächtige und er mit ihr eigentlich nur eine Wochenendbeziehung führe, weil sich die sechsjährige Tochter der Beschwerdeführerin in der gegenständlichen Wohnung angeblich nicht wohlfühle. Befragungen im Haus hätten ergeben, dass der Ehemann zwar im Haus gesehen worden, die Beschwerdeführerin dort jedoch gänzlich unbekannt sei.

Mit Schreiben vom habe der Ehemann der Erstbehörde gegenüber mitgeteilt, dass er die Beschwerdeführerin nur aus Mitleid wegen ihrer Kinder und auf Grund seiner Geldnot geheiratet habe. Letztere habe sich durch die Aufenthaltsehe jedoch nicht wirklich verbessert, weil er nur einen kleinen Teil des Geldes von der Beschwerdeführerin bekommen habe. Diese habe nie bei ihm gewohnt.

Die Erstbehörde habe somit festgestellt, dass die Beschwerdeführerin eine Aufenthaltsehe eingegangen sei, um einen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet zu erwirken.

Zunächst stehe das Eingeständnis des Ehemannes mit dem übrigen Erhebungsergebnis in Übereinstimmung. Auch die Widersprüche aus den niederschriftlichen Vernehmungen würden "für sich" sprechen. So habe die Beschwerdeführerin etwa wiederholt nicht das richtige Hochzeitsdatum nennen können, und auch hinsichtlich des Zeitpunktes des angeblichen Zusammenlebens hätten die Angaben des Ehepaares erheblich differiert. Es sei auch erwiesen, dass die Beschwerdeführerin bewusst wahrheitswidrige Angaben gegenüber der Erstbehörde gemacht habe. So habe sie zum Beispiel in ihrer Vernehmung vom den sie begleitenden Landsmann als bloßen Bekannten bezeichnet. Tatsächlich handle es sich bei diesem Mann jedoch um den Vater ihres am in E geborenen Sohnes und ihrer am in Wien geborenen Tochter. Daher sei die Annahme gerechtfertigt, dass dieser, der seinen Aufenthalt auch auf die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin stütze, eigentlich der wahre Lebensgefährte der Beschwerdeführerin sei. Seit Oktober 2007 lebe die Beschwerdeführerin mit ihm und ihren beiden Kindern im gemeinsamen Haushalt. Außerdem sei die Beschwerdeführerin bei diversen Hauserhebungen an ihren angeblich ehelichen Wohnanschriften den Nachbarn völlig unbekannt gewesen.

Somit sei nicht nur der in § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG normierte Sachverhalt verwirklicht, ein solches Fehlverhalten gefährde auch die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens tatsächlich, gegenwärtig und erheblich und berühre ein Grundinteresse der Gesellschaft, weshalb die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 61 und 66 FPG - im Grunde des § 87 (gemeint: § 86 Abs. 1) FPG gegeben seien.

In weiterer Folge gelangte die belangte Behörde zu der Auffassung, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten und gemäß § 66 Abs. 2 FPG zulässig sei. Auch das ihr zustehende Ermessen habe sie nicht dazu veranlasst, von der Erlassung dieser Maßnahme Abstand zu nehmen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gegen die Annahme des Vorliegens einer Aufenthaltsehe bringt die Beschwerde vor, die belangte Behörde habe sich in besonderem Maße auf die "brieflichen Angaben" des Ehemannes der Beschwerdeführerin gestützt, woraus sich bloß ergebe, dass er die Beschwerdeführerin "aus Mitleid wegen ihrer Kinder" und weil er in Geldnot gewesen sei, geheiratet habe; er habe offenbar seiner Enttäuschung Ausdruck verleihen wollen, dass ihm die Beschwerdeführerin nach der Eheschließung nicht den erwarteten Unterhalt geboten habe. Die punktuellen Erwägungen im angefochtenen Bescheid, die zur Annahme einer Aufenthaltsehe geführt hätten, genügten bei näherer Betrachtung nicht den Erfordernissen eines mängelfreien Ermittlungsverfahrens. Die Angabe eines unrichtigen Heiratsdatums etwa sei durch ein Kommunikations- oder Nervositätsproblem anlässlich der Vernehmung erklärbar. Der Umstand, die Beschwerdeführerin habe ihren Ehemann als Bauarbeiter statt als Spengler bezeichnet, mache sie nicht unglaubwürdig, es liege nur ein Ausdrucksfehler vor. Die Angaben zum Verdienst des Ehemannes wiesen keine markanten Diskrepanzen auf, sondern stimmten insofern überein, als dieser jedenfalls gering sei. Auch die Unkenntnis, bei welchem Unternehmen der Ehemann der Beschwerdeführerin beschäftigt sei, müsse unter den gegebenen Umständen verständlich sein, weil der Ehemann ab Anfang 2004 wiederholt in Haft gewesen und zum Zeitpunkt der Vernehmung keiner regelmäßigen Arbeit nachgegangen sei. Dass die Beschwerdeführerin bei der polizeilichen Nachschau an den Wohnadressen nicht anwesend gewesen sei, begründe ebenfalls nicht den Verdacht einer Aufenthaltsehe. Zum Zweck der Überprüfung der ehelichen Wohnverhältnisse hätte es zumindest der Befragung eines Postzustellers bedurft. Die belangte Behörde hätte den mit Namen und Adresse aktenkundigen Bruder der Beschwerdeführerin vernehmen und auch die Beschwerdeführerin selbst zur Beschreibung der Wohnungen auffordern können.

Damit gelingt es der Beschwerde jedoch nicht, eine Unschlüssigkeit der behördlichen Beweiswürdigung aufzuzeigen.

Die belangte Behörde hat ihrer Beweiswürdigung nicht nur das Schreiben des Ehemannes der Beschwerdeführerin, sondern auch die damit im Einklang stehenden Ergebnisse der Hauserhebungen an den Wohnadressen und die - keineswegs unerheblichen - widersprüchlichen Aussagen der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes zugrunde gelegt. Im Weiteren hat sie nachvollziehbar und plausibel begründet, weshalb sie der Mitteilung des Ehemannes, der unter anderem auch ausgeführt hat, mit der Beschwerdeführerin nie zusammengelebt zu haben, größere Glaubwürdigkeit beigemessen hat als den Darstellungen der Beschwerdeführerin. Diese vermochte hingegen keine konkreten Beweisergebnisse zu nennen, die ihren Standpunkt stützen könnten. Soweit die Beschwerdeführerin die tatsächliche Existenz einer ehelichen Gemeinschaft mit ihrem Ehemann in den ersten eineinhalb Jahren der Ehe behauptet, führte sie auch dafür keinen konkreten Lebenssachverhalt an, der für die Führung eines gemeinsamen Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK spräche.

Die Angaben der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Tätigkeit ihres Ehemannes (Bauarbeiter statt Spengler) und zu dessen Verdienst sind im Übrigen gar nicht Gegenstand der Beweiswürdigung der belangten Behörde, sodass durch das diesbezügliche Beschwerdevorbringen keine Unschlüssigkeit der behördlichen Beweiswürdigung aufgezeigt wird. Dass der Postzusteller und der Bruder der Beschwerdeführerin hätten befragt werden sollen, wurde im Verwaltungsverfahren nicht beantragt.

Wenn die Beschwerde vorbringt, die belangte Behörde hätte das Schreiben des Ehemannes der Beschwerdeführerin vom vor einer Würdigung als Beweis für das Vorliegen einer Aufenthaltsehe überprüfen müssen, weil es mit jahrelanger Verspätung verfasst worden sei und früheren Angaben zu demselben Thema diametral zuwiderlaufe, legt sie die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dar.

Das weitere Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde hätte die Beschwerdeführerin selbst zur Beschreibung der Wohnungen auffordern und ihren Ehemann nochmals vernehmen müssen, erweist sich schon deshalb als nicht zielführend, weil die Beschwerde nicht konkret darlegt, zu welchen (weiteren) Feststellungen die belangte Behörde infolge weiterer Erhebungen gelangt wäre; die Beschwerde zeigt somit die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht auf. Gleiches gilt für das Beschwerdevorbringen hinsichtlich des Verhältnisses der Beschwerdeführerin zu dem Vater zweier ihrer Kinder, mit dem sie "bis in die jüngste Vergangenheit" nicht in Lebensgemeinschaft gelebt habe.

Die Beweiswürdigung der belangten Behörde begegnet somit auf dem Boden der dargestellten Erwägungen im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. dazu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken.

2. Die Beschwerdeführerin hat sich - was die Beschwerde nicht in Abrede stellt - für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die mit einem österreichischen Staatsbürger geschlossene Ehe berufen, obwohl sie mit diesem nie ein gemeinsames Familienleben geführt hat. Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass in diesem Fall die in § 86 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/18/0074, mwN).

3. Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
YAAAE-81889