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VwGH vom 24.01.2012, 2008/18/0682

VwGH vom 24.01.2012, 2008/18/0682

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde der M S-W in W, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 13, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/96050/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen die Beschwerdeführerin, eine serbische Staatsangehörige, ein auf § 87 iVm § 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG gestütztes, auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

In ihrer Begründung führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin sei mit einem vom 27. Mai bis gültigen Visum C in das Bundesgebiet eingereist und seit behördlich gemeldet. Am habe die Beschwerdeführerin den damals arbeitslosen und um 14 Jahre jüngeren österreichischen Staatsbürger M.W. geheiratet. Am habe sie einen darauf gestützten Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung als begünstigte Drittstaatsangehörige nach (dem damals geltenden) § 49 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG eingebracht.

S.M. habe am bei der Erstbehörde den Verdacht einer Aufenthaltsehe zwischen der Beschwerdeführerin und M.W. gemeldet, was zur Vernehmung der Eheleute geführt habe. (Den vorgelegten Verwaltungsakten zufolge ging die Behörde erster Instanz auf Grund der gleichlautenden Aussagen von keiner Aufenthaltsehe aus und erteilte der Beschwerdeführerin den begehrten Aufenthaltstitel, der in der Folge auch verlängert wurde.)

Die belangte Behörde stellte den weiteren Verfahrensgang sowie den wesentlichen Inhalt der von S.M. wegen der Vermutung ehewidrigen Verhaltens ihres Ehemanns T.M. mit der Beschwerdeführerin eingeholten und der Erstbehörde vorgelegten Detektivberichte, der Vernehmungsprotokolle und der Erhebungsberichte dar.

Als typische Indizien für eine Aufenthaltsehe nannte die belangte Behörde die Einreise der Beschwerdeführerin mit einem "Touristenvisum", den beachtlichen Altersunterschied der Ehepartner von 14 Jahren, die schwierige finanzielle Lage des Österreichers und die Abwesenheit von dessen Eltern bei der Hochzeit. Hinzu komme die Meldung des Ehemanns M.W. an der Adresse der Beschwerdeführerin nur als Nebenwohnsitz und dessen Beibehaltung des Hauptwohnsitzes bei seinen Eltern.

"Mehr als ein Indiz" wertete die belangte Behörde hingegen die Angaben des Ehemanns M.W. bei seiner ersten Vernehmung viereinhalb Monate nach der Eheschließung, wonach er hauptsächlich bei seinen Eltern wohne und so gut wie nie bei seiner Ehefrau übernachte, weil er sich zu dieser Zeit meist im Casino aufhalte. Nachbarn der angeblichen Ehewohnung hätten M.W. nicht gekannt, wohl aber die Beschwerdeführerin und ihren Cousin, der auch bei der Erhebung angetroffen worden sei.

Im Zuge einer neuerlichen Erhebung am habe die Beschwerdeführerin selbst eingeräumt, seit Tagen keinen Kontakt mehr mit ihrem Ehemann M.W. gehabt zu haben und nicht zu wissen, wo er sich aufhalte. Sie habe auch keine Telefonnummer von ihm nennen können.

Ebenfalls für eine Aufenthaltsehe spreche die Aussage der Zeugin D.M., dass die Beschwerdeführerin seit Beginn ihres Aufenthalts in W im Jahr 2003 oder 2004 die Geliebte ihres Vaters T.M. sei und oft bei ihm gewohnt bzw. übernachtet habe. Aus Fotos einer Detektei zur Observation einer ehewidrigen Beziehung von T.M. zur Beschwerdeführerin sei erkennbar, dass diese jedenfalls die Nächte des 5. und im Haus und somit auch in der Wohnung von T.M. verbracht habe.

In ihrer weiteren Beurteilung führte die belangte Behörde aus, auf Grund dieser Beweisergebnisse sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die Beschwerdeführerin mit M.W. nie ein Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK, sondern tatsächlich mit T.M. eine Art Lebensgemeinschaft geführt habe. Das Eingehen einer Aufenthaltsehe zwecks Erlangung aufenthalts- und beschäftigungsrechtlicher Vorteile laufe den öffentlichen Interessen zuwider und stelle eine grobe Verletzung der öffentlichen Ordnung, insbesondere auf dem Gebiet eines geordneten Ehe- und Fremdenwesens, dar. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots sei nicht nur zulässig, sondern sogar dringend geboten. Das zur Täuschung staatlicher Organe führende Verhalten der Beschwerdeführerin begründe eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, welche das Grundinteresse der Gesellschaft an einer gesetzlich gesteuerten Zuwanderung und an der Einhaltung der hiefür maßgeblichen Rechtsvorschriften berühre.

Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 FPG sei - so führte die belangte Behörde weiter aus - auf den etwas über vierjährigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet sowie ihre familiären Bindungen zu einer Tochter und zu Cousins Bedacht zu nehmen. Die öffentlichen Interessen an der Wahrung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens seien jedoch durch das rechtsmissbräuchliche Eingehen der Ehe und die Berufung darauf in mehreren Anträgen auf Niederlassungsbewilligung erheblich beeinträchtigt worden. Den beruflichen Bindungen könne nur geringe Bedeutung beigemessen werden, weil diese nur als Folge der geschlossenen Aufenthaltsehe hätten entstehen können. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde und bringt dazu vor, es lägen bloß Indizien vor, welche die Annahme einer Aufenthaltsehe nicht rechtfertigen könnten. Der Altersunterschied von 14 Jahren erlaube keine Schlussfolgerungen, weil häufig "gerade junge Menschen oft im Unterbewusstsein einen reiferen Ehepartner suchen" würden. Wegen der seit Jahrzehnten hohen Arbeitslosenrate deute der Bezug von Arbeitslosengeld nicht auf eine Aufenthaltsehe hin und könne auch niemals zur Erlangung des angestrebten Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" führen. Die Mutter von M.W. habe wegen Krankenstandes an der Hochzeit nicht teilnehmen können und der Vater sei wegen des getrübten Verhältnisses zu ihm nicht eingeladen worden. Die Angaben ihres Ehemanns, hauptsächlich bei seinen Eltern zu wohnen, indiziere deshalb keine Aufenthaltsehe, weil er die meiste Zeit die Nächte im Casino verbracht habe. Wenn er von Nachbarn nicht gekannt worden sei, sei dies wegen der Anonymität des Großstadtlebens nicht verwunderlich. Die Aussage der Zeugin D.M., wonach die Beschwerdeführerin im Zeitraum 2003 und 2004 Geliebte ihres Vaters T.M gewesen wäre, sei unergiebig, weil die Eheschließung mit M.W. erst zeitlich nach Beendigung der Affäre mit T.M. erfolgt sei. Danach habe sie mit ihm einen guten und freundschaftlichen Kontakt gehalten und versucht, ihn in der Haft zu besuchen, sodass auch die Erhebungen des Privatdetektivs nicht auf eine Lebensgemeinschaft der Beschwerdeführerin mit T.M. deuteten.

Dieses Vorbringen vermag allerdings eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen. Wenn die Beschwerdeführerin das Wohnen ihres Ehemanns bei seinen Eltern mit dessen nächtlichen Casinoaufenthalten begründet, steht dies der von der belangten Behörde angenommenen Lebensgemeinschaft der Beschwerdeführerin mit T.M. nicht entgegen, weil sich auch aus den Ausführungen der Beschwerde nicht ergibt, wann der Ehemann der Beschwerdeführerin mit ihr überhaupt zusammengelebt haben soll. Der Beschwerdeführerin ist zwar einzuräumen, dass die Anonymität des Großstadtlebens grundsätzlich zur Erklärung geeignet sein könnte, warum Nachbarn der Ehewohnung ihren Ehemann nicht kannten, doch stützte sich die belangte Behörde nicht auf die Auskunft völlig ahnungsloser Hausparteien. Diese konnten vielmehr die Beschwerdeführerin und ihren Cousin, von dem sie sogar wussten, dass er einen Porsche fahre, als Bewohner nennen. Angesichts derartiger Detailkenntnisse dieser Auskunftspersonen ist die daraus von der belangten Behörde gezogene Schlussfolgerung, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin dort nicht wohnte, nachvollziehbar.

Die Aussage der Zeugin D.M., die Beschwerdeführerin sei die Geliebte ihres Vaters T.M., ist - entgegen der Darstellung in der Beschwerde - nicht auf den Zeitraum 2003 und 2004 beschränkt, vielmehr betraf diese Zeitangabe den Anfangspunkt des Verhältnisses, den die Zeugin auch mit dem Beginn des Aufenthalts der Beschwerdeführerin in Wien beschrieb. Die belangte Behörde durfte sich daher zur Begründung ihrer Feststellungen über das Zusammenleben der Beschwerdeführerin mit T.M. auf die - in der Beschwerde nicht weiter bestrittene - Aussage der Zeugin D.M. stützen, die auch noch im Zeitpunkt ihrer Aussage (am ) bestätigte, dass die Beschwerdeführerin mit T.M. "zusammen ist".

Im Gegensatz zu der noch in der Berufung enthaltenen Bestreitung einer Beziehung der Beschwerdeführerin zu T.M. wird in der Beschwerde eine Beziehung zu ihm oder eine Affäre eingeräumt, die allerdings vor der Eheschließung mit M.W. am beendet worden sein soll. Dem steht allerdings die nicht weiter bekämpfte Feststellung im angefochtenen Bescheid gegenüber, dass die Beschwerdeführerin jedenfalls die Nächte von 5. auf den 6. und vom 6. auf den in der Wohnung von T.M. verbracht habe, was die belangte Behörde mit den von der Detektei erstellten Fotos begründete.

Unter Bedachtnahme auf die festgestellten Zeugenaussagen und die Ergebnisse der vor Ort durchgeführten behördlichen Erhebungen sowie der Ermittlungen des Detektivbüros erweisen sich - nicht zuletzt mit Blick auf die dem Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Beweiswürdigung bloß eingeschränkt zukommende Prüfungsbefugnis - die beweiswürdigenden Überlegungen der belangten Behörde keinesfalls als mit Unschlüssigkeit behaftet.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin stützte die belangte Behörde ihre Beweiswürdigung ungeachtet dessen, dass sie auch die in der Beschwerde kritisierten Indizien erwähnte, nicht tragend auf dieselben. Vielmehr beruhen ihre beweiswürdigenden Überlegungen - wie oben dargestellt - auf den Angaben der genannten Zeugen, den Ergebnissen der vor Ort durchgeführten Erhebungen und den Detektivberichten.

Da es nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid zwischen der Beschwerdeführerin und M.W. kein Familienleben gab, kann es auf eine vorübergehende Eintrübung des ehelichen Verhältnisses nicht mehr ankommen.

Das Vorbringen in der Beschwerde über eine inzwischen (wieder) aufgenommene eheliche Gemeinschaft der Beschwerdeführerin mit ihrem Ehemann M.W. stellt eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung dar (§ 41 Abs. 1 VwGG).

Auf Basis der getroffenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin im Sinn des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG eine Ehe geschlossen und sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat. Die Beurteilung der belangten Behörde, dass die in § 86 Abs. 1 FPG (iVm § 87 FPG) umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, erweist sich vor dem Hintergrund der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0712, mwN) als unbedenklich.

Auch das - nicht bekämpfte - Ergebnis der von der belangten Behörde nach § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung ist im Hinblick auf die im angefochtenen Bescheid dargelegten Erwägungen nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
EAAAE-81887