VwGH vom 02.07.2008, 2006/08/0200

VwGH vom 02.07.2008, 2006/08/0200

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2007/08/0127 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz, Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des Mag. I in Wien, vertreten durch Dr. Udo Elsner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Gonzagagasse 14/21, gegen den Bescheid der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom , Zl. BMSG-321773/0001-II/A/3/2006, betreffend Teilversicherung in der Unfall- und Krankenversicherung nach dem ASVG (mitbeteiligte Parteien: 1. Wiener Gebietskrankenkasse, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30; 2. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1201 Wien, Adalbert-Stifter Straße 65 bis 67), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 und der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer ab nicht der Teilversicherung in der Kranken- und Unfallversicherung gemäß § 8 Abs. 1 Z. 4 lit. a ASVG unterliegt. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei seit als Architekt selbständig erwerbstätig. Auf Grund dieser Tätigkeit sei er auch nach dem gemäß § 8 Abs. 1 Z. 4 lit. a ASVG iVm § 273 Abs. 6 GSVG der Teilversicherung in der Kranken- und Unfallversicherung nach dem ASVG unterlegen. Nach dem Einkommensteuerbescheid für 2003 habe der Beschwerdeführer in diesem Jahr (negative) Einkünfte aus selbständiger Arbeit in der Höhe von EUR -1.955,71 sowie (negative) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in der Höhe von EUR -52,06 erzielt. Der Beschwerdeführer habe keinen weiteren Beruf bzw. keine weitere Tätigkeit ausgeübt. Die Einkünfte aus selbständiger Arbeit seien im Jahr 2004 wieder über der Geringfügigkeitsgrenze gelegen.

Die belangte Behörde verwies des weiteren auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/08/0113, wonach die Überführung freiberuflich tätiger bildender Künstler in den Geltungsbereich des GSVG auf Grund des ASRÄG 1997 solange nicht gelten solle, als diese die selbständige Erwerbstätigkeit, die die Pflichtversicherung nach den bisherigen Vorschriften begründet habe, weiter ausübten und keine Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eintrete. Als eine Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes käme insbesondere in Betracht, dass die weiterhin ausgeübte künstlerische Tätigkeit nicht mehr den Hauptberuf und die Hauptquelle der Einnahmen bildete.

Im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/08/0276, habe der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass die Beitragsgrundlagen der ehemals gemäß § 4 Abs. 3 Z. 3 ASVG pflichtversichert gewesenen Personen nach § 44 Abs. 1 Z. 3 ASVG idF der Novelle BGBl. Nr. 201/1967 gebildet würden. Demnach sei als allgemeine Beitragsgrundlage der "Arbeitsverdienst" (das "Erwerbseinkommen") in der Weise zu errechnen, dass jeweils für den Zeitraum der Tätigkeit in dem Kalenderjahr, in dem der Beitragszeitraum liege, der auf den Beitragszeitraum entfallende Durchschnitt des Einkommens zu ermitteln sei. Bei der danach vorzunehmenden Festsetzung der Beiträge sei zu beachten, dass nach § 5 Abs. 1 Z. 2 ASVG die Geringfügigkeitsgrenzen des § 5 Abs. 2 ASVG auch in diesen Fällen mit der Maßgabe anzuwenden seien, dass es statt auf das "Entgelt" auf das "Erwerbseinkommen" ankomme.

Liege das demgemäß zu errechnende monatliche Erwerbseinkommen einer Person unter der Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG, liege daher keine Versicherungspflicht vor. Dies sei im vorliegenden Fall erfüllt, weshalb eine Versicherungspflicht in der Kranken- und Unfallsversicherung ab dem nicht mehr bestehe. Das Fehlen eines Erwerbseinkommens und der daraus resultierende Wegfall der Versicherungspflicht in der Teilversicherung nach § 8 Abs. 1 Z. 4 lit. a ASVG sei als Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes anzusehen. Der Verwaltungsgerichtshof habe von einer Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes "insbesondere" dann gesprochen, wenn die künstlerische Tätigkeit nicht mehr den Hauptberuf und die Hauptquelle der Einnahmen bildete. Eine abschließende Festlegung der Kriterien für eine derartige Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes ergebe sich daraus nicht, diese sei vom Verwaltungsgerichtshof nur demonstrativ und nicht taxativ verstanden worden.

Ein "Wiederaufleben" der Teilversicherung sei nach den Übergangsbestimmungen nicht vorgesehen, sondern es trete allenfalls eine Pflichtversicherung nach dem GSVG ein.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, Aufwandersatz für die Vorlage begehrt und im Übrigen, ebenso wie die mitbeteiligte Unfallversicherungsanstalt, von der Erstattung einer Gegenschrift ausdrücklich Abstand genommen.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat eine Gegenschrift erstattet mit dem Begehren, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Zur Gegenschrift hat der Beschwerdeführer eine weitere Stellungnahme vorgelegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 8 Abs. 1 Z. 4 lit. a ASVG in der bis zum Inkrafttreten der 54. Novelle zum ASVG, BGBl. I Nr. 139/1997, geltenden Fassung waren freiberuflich tätige bildende Künstler im Sinne des § 3 Abs. 3 Z. 4 GSVG in der Kranken- und Unfallversicherung nach dem ASVG pflichtversichert. Gemäß § 3 Abs. 3 Z. 4 GSVG war diese Berufsgruppe in der Pensionsversicherung nach dem GSVG dann pflichtversichert, wenn diese Tätigkeit ihren Hauptberuf und die Hauptquelle ihrer Einnahmen bildete.

Aus Anlass der Einführung einer einheitlichen Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung für alle selbständig erwerbstätigen Personen, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z. 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400, erzielen, durch § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG in der Fassung des Art. 8 Z. 2 des ASRÄG 1997 (22. Novelle zum GSVG), BGBl. I Nr. 139/1997, wurde § 8 Abs. 1 Z. 4 lit. a ASVG durch Art. 7 Z. 20 des ASRÄG 1997 (54. Novelle zum ASVG), BGBl. I Nr. 139, im Zuge einer Neuregelung der Pflichtversicherung für Zivildienstleistende in einer neuen Z. 4 des § 8 ASVG der Sache nach aufgehoben, wobei diese Änderung gemäß § 572 Abs. 1 Z. 3 ASVG in der Fassung der 54. Novelle zum ASVG mit in Kraft getreten ist. Weiterhin im ASVG geregelt blieb die Teilversicherung in der Unfallversicherung, nunmehr aber hinsichtlich des gesamten von § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG erfassten Personenkreises (§ 8 Abs. 1 Z. 3 lit. a ASVG in der Fassung des ASRÄG 1997).

Gemäß § 273 Abs. 6 GSVG in der Fassung der 22. Novelle zum GSVG (Art. 8 des ASRÄG 1997) blieben aber unter anderem freiberuflich tätige bildende Künstler, die eine selbständige Erwerbstätigkeit ausüben und die am nach den zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes pflichtversichert gewesen sind, nunmehr aber nach den genannten Vorschriften dieses Bundesgesetzes pflichtversichert wären, weiterhin nach den Vorschriften des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes in der Kranken- und Unfallversicherung pflichtversichert, solange die selbständige Erwerbstätigkeit, welche die Pflichtversicherung nach den bisherigen Vorschriften begründet hat, weiter ausgeübt wird und keine Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eintritt. Dabei gilt der Anfall einer Pension nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz nicht als Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes.

Der Pflichtversicherungstatbestand des § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG wurde allerdings "für Kunstschaffende" (nach einer Änderung durch Z. 114 der 23. Novelle zum GSVG, BGBl. I Nr. 139/1998, "für Personen hinsichtlich ihrer Tätigkeit als Kunstschaffende" - gemäß § 276 Abs. 1 Z. 6 GSVG rückwirkend in Kraft gesetzt mit ) gemäß § 273 Abs. 3a GSVG in der Fassung der 22. GSVG-Novelle (Art. 8 des bereits erwähnten ASRÄG 1997) erst mit wirksam. Der Ausdruck "" wurde durch Z. 6a der 24. Novelle zum GSVG, BGBl. I Nr. 175/1999, ausgegeben am , durch den Ausdruck "" ersetzt.

Das Wirksamwerden des § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG für Künstler wurde also im Jahre 1999 durch die 24. GSVG-Novelle um ein Jahr hinausgeschoben. Gleichzeitig wurde parallel dazu in § 581 Abs. 1a ASVG in der Fassung der 57. Novelle zum ASVG, BGBl. I Nr. 173/1999, angeordnet, dass u.a. die in § 8 Abs. 1 Z. 4 lit. a ASVG in der am geltenden Fassung genannten freiberuflich tätigen bildenden Künstler bis zum Ablauf des nach den für sie jeweils geltenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes pflichtversichert bleiben sollten.

Aus diesen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang ergibt sich auf das Wesentliche zusammengefasst, dass freiberuflich tätige bildende Künstler, die bis zur Aufhebung des § 8 Abs. 1 Z. 4 lit. a ASVG nach dieser Bestimmung in der Kranken- und Unfallversicherung nach dem ASVG pflichtversichert gewesen sind, nach den Bestimmungen des ASRÄG 1997 hinsichtlich der Krankenversicherung - zunächst mit , schließlich mit - in den Geltungsbereich des GSVG übergeführt werden sollten, wobei dies gemäß § 273 Abs. 6 GSVG jedoch für bisher nach dem ASVG Pflichtversicherte solange nicht gilt, als diese die selbständige Erwerbstätigkeit, welche die Pflichtversicherung nach den bisherigen Vorschriften begründet hat, weiter ausüben und keine Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eintritt, wobei ein Pensionsanfall nicht als solche gilt. Als eine Änderung des maßgeblichen Sachverhalts käme insbesondere in Betracht, dass die weiterhin ausgeübte künstlerische Tätigkeit nicht mehr den Hauptberuf und die Hauptquelle der Einnahmen bildet (vgl. die in § 8 Abs. 1 Z. 4 lit. a ASVG enthaltene Verweisung auf den seinerzeitigen § 3 Abs. 3 Z. 4 GSVG).

Durch diese legistische Entwicklung war für Kunstschaffende, deren Beschäftigung unverändert fortdauerte und den Hauptberuf sowie die Hauptquelle der Einnahmen bildete, im Zeitraum vom 1. Jänner bis die Pflichtversicherung in der Unfall- und Krankenversicherung nach dem ASVG doppelt angeordnet (nämlich einmal im ASVG: § 8 Abs. 1 Z. 4 lit. a bzw. ab in § 581 Abs. 1a ASVG, und ein weiteres Mal in § 273 Abs. 6 GSVG), ab beruht die Fortdauer dieser Pflichtversicherung in der Kranken- und Unfallversicherung für die Dauer unveränderter tatsächlicher Verhältnisse (und ungeachtet eines allfälligen Pensionsanfalls) nur mehr auf § 273 Abs. 6 GSVG, wobei sich selbst im Falle der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse keine Änderung der Pflichtversicherung in der Unfallversicherung ergeben würde: sie bestünde weiterhin nach dem ASVG (§ 8 Abs. 1 Z. 3 lit. a ASVG; vgl. zu diesen Darlegungen die Ausführungen im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/08/0113.)

Es ist somit davon auszugehen, dass die künstlerische Tätigkeit für die Heranziehbarkeit der genannten Übergangsbestimmung weiterhin die Hauptquelle der Einnahmen bilden muss. Damit ist dem Gesetz aber auch ein Verständnis zu Grunde gelegt, wonach die Versicherungs- und damit auch die Beitragspflicht nach der Übergangsregelung daran geknüpft ist, dass der Künstler überhaupt ein steuerpflichtiges Einkommen erzielt, dass sich also aus dieser Tätigkeit ein Überschuss der Einnahmen über die (Betriebs-)Ausgaben (bzw. Werbungskosten) ergibt (vgl. in diesem Sinne auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg. 15.633). Diese Voraussetzung war beim Beschwerdeführer für das Jahr 2003 nicht erfüllt, weshalb die belangte Behörde für dieses Jahr zu Recht eine Pflichtversicherung nach dem ASVG verneint hat.

§ 273 Abs. 6 GSVG führt im vorliegenden Fall schon seinem Wortlaut nach nicht dazu, dass nach einer versicherungsfreien Zeit oder nach einer Zeit einer Pflichtversicherung im Rahmen des GSVG wiederum eine solche nach dem ASVG eintreten könnte. Der Ausspruch der belangten Behörde bezieht sich daher zu Recht auf sämtliche nach dem liegenden Zeiträume.

Die vorliegende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war jedoch aus folgenden Gründen nicht erforderlich:

Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn nicht Art. 6 Abs. 1 EMRK dem entgegensteht.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom , Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41), unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte.

Dieser Umstand liegt aber auch im gegenständlichen Fall vor, weil der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt ist und die wesentlichen Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung beantwortet sind. In der Beschwerde wurden keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.

Wien, am