VwGH vom 18.02.2010, 2010/22/0009
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des D, vertreten durch Dr. Thaddäus Kleisinger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Fleischmarkt 28, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 319.372/2- III/4/09, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines serbischen Staatsangehörigen, vom "auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
Die belangte Behörde hielt fest, dass der Beschwerdeführer die Familienzusammenführung mit seiner Mutter, einer österreichischen Staatsbürgerin, beabsichtige. Der Beschwerdeführer sei im Jahr 2008 mit einem Visum nach Österreich gekommen und seither im Inland wohnhaft. Sein Antrag sei als Erstantrag zu werten, bei dem § 21 Abs. 1 NAG (Gebot der Auslandsantragstellung) zu beachten sei. Der Beschwerdeführer habe zwar einen Antrag gemäß § 21 Abs. 3 NAG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009) eingebracht und behauptet, dass seine Mutter ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch nehme und er eine Daueraufenthaltskarte begehre. Der Beschwerdeführer habe jedoch keinen von seiner Mutter gesetzten Freizügigkeitssachverhalt aufgezeigt. Der Beschwerdeführer gelte somit nicht als Angehöriger eines österreichischen Staatsbürgers, der sein Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen hat, weshalb die §§ 51 bis 56 NAG auf den Beschwerdeführer nicht anwendbar seien.
Die Frau des Beschwerdeführers und die zwei gemeinsamen minderjährigen Kinder hielten sich im Herkunftsstaat auf. Eine Verletzung des Art. 8 EMRK sei "aufgrund der gesamten Aktenlage zweifelsfrei nicht gegeben".
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde erwogen:
Eingangs ist festzuhalten, dass der angefochtene Bescheid nach der Rechtslage des NAG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 zu prüfen ist.
In der Beschwerde wird behauptet, dass die Mutter des Beschwerdeführers ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen habe. Der Beschwerdeführer bringt aber auch hier nicht vor, auf welche Weise dies der Fall gewesen wäre. Die belangte Behörde stellte nämlich fest, dass die Mutter des Beschwerdeführers durchgehend in Österreich aufhältig sei. Darauf aufbauend ist die behördliche Auffassung nicht in Zweifel zu ziehen, dass auf den Beschwerdeführer die Bestimmungen der §§ 52 ff NAG nicht anzuwenden seien (vgl. zu den Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeit das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, 2009/22/0336, mwN).
Es trifft aber auch das weitere Beschwerdeargument nicht zu, dass der Beschwerdeführer gemäß § 21 Abs. 2 Z 1 NAG zur Inlandsantragstellung berechtigt gewesen sei. Dabei übersieht der Beschwerdeführer nämlich, dass von dieser Bestimmung nur "Familienangehörige" erfasst sind, somit gemäß der Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 Z 9 NAG nur Ehegatten oder unverheiratete minderjährige Kinder einschließlich Adoptiv- oder Stiefkinder. Der großjährige Beschwerdeführer erfüllt somit diese Voraussetzung nicht.
Der Beschwerdeführer zieht die von der belangten Behörde gegen ihn getroffene Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht in Zweifel. Angesichts der Umstände, dass der Beschwerdeführer erst im Jahr 2008 eingereist ist und sich seine Kernfamilie in der Heimat aufhält, vermag auch der Gerichtshof eine diesbezügliche Rechtswidrigkeit nicht zu sehen.
Im vorliegenden Fall hat zwar die belangte Behörde im Bescheidspruch nicht ausdrücklich den Antrag nach § 21 Abs. 3 NAG, sondern - nach Prüfung iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK - sogleich (nur) den Hauptantrag abgewiesen. Diese Vorgangsweise führt nicht zu einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides. Es ist nämlich zulässig, das Vorliegen humanitärer Gründe nach den im Verfahren über den Hauptantrag über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen Anschauungen zu verneinen und den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels abzuweisen. Im Erkenntnis vom , 2007/18/0286, hat der Gerichtshof diese Vorgangsweise in Ansehung eines Antrages nach § 73 Abs. 4 NAG (idF BGBl. I Nr. 99/2006) gebilligt. Zur Klarstellung sei bemerkt, dass es jedoch unzulässig ist, den Hauptantrag ohne vorherige Prüfung humanitärer Gründe abzuweisen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0651).
Diese Möglichkeit, den Hauptantrag nach einer Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ohne ausdrücklichen Abspruch über den Zusatzantrag abzuweisen, gilt umso mehr für einen Antrag nach § 21 Abs. 3 NAG, sieht doch § 21 Abs. 4 NAG ausdrücklich eine Entscheidung darüber erst im verfahrensabschließenden Bescheid vor. Ein gesonderter "Vorab-Bescheid" ist nicht zu erlassen (vgl. dazu auch die ErläutRV 88 BlgNR 24. GP, 8 f).
Bei diesem Ergebnis kann dahinstehen, dass gemäß § 19 Abs. 2 NAG das gleichzeitige Stellen mehrerer Anträge und das Stellen weiterer Anträge während eines anhängigen Verfahrens nicht zulässig ist. Aus dem angefochtenen Bescheid ist nicht ersichtlich, dass die belangte Behörde ihrer Belehrungspflicht nach § 23 Abs. 1 NAG nachgekommen wäre und den Beschwerdeführer zu einer Festlegung verhalten hätte, ob letztlich eine "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" nach wie vor begehrt werde oder eine Dokumentation in Form einer Daueraufenthaltskarte nach § 54 Abs. 1 NAG. Im letzten Fall wäre die Heranziehung des § 21 Abs. 1 NAG verfehlt gewesen, weil der Antrag auf Ausstellung der Daueraufenthaltskarte "spätestens nach Ablauf von drei Monaten
ab ... Niederlassung", somit also im Inland, gestellt werden darf
(vgl. Bichl/Schmid/Szymanski, Das neue Recht der Arbeitsmigration, § 54 K2).
Da die Behörde jedoch zu Recht die Voraussetzungen für die Ausstellung einer Daueraufenthaltskarte nach § 54 NAG für den Beschwerdeführer verneint hat, ist er nicht dadurch in Rechten verletzt, dass die belangte Behörde - ausgehend von einem Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung - diesen in Anwendung des § 21 Abs. 1 NAG abgewiesen hat.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am