VwGH vom 22.03.2011, 2008/18/0676
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des G S in E, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum LL.M., Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom , Zl. VP-FPG-35/08, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer, einen georgischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 sowie Abs. 2 Z. 9, § 63 und § 66 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer sei am illegal in Österreich eingereist und habe einen Asylantrag gestellt, den er am zurückgezogen habe. Daraufhin sei er unter Inanspruchnahme der Rückkehrhilfe am nach Georgien zurückgekehrt.
Mit rechtskräftigem Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom sei der Beschwerdeführer wegen des Vergehens gemäß § 127 und § 128 Abs. 1 Z. 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten, davon sieben Monate bedingt nachgesehen, verurteilt worden.
Am habe er einen Antrag auf Bewilligung der Annahme an Kindes statt gestellt, diesen jedoch wieder zurückgezogen.
Am habe der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und (- auf diese Ehe aufbauend -) eine Niederlassungsbewilligung beantragt. (Mit Gültigkeit vom bis wurde dem Beschwerdeführer eine Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familienangehöriger" erteilt; der am gestellte Verlängerungsantrag wurde laut dem im Verwaltungsakt befindlichen Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister vom am "abgelehnt".)
Im Zuge von Erhebungen der Polizeiinspektion Hainburg an der Donau hinsichtlich des Vorliegens einer Aufenthaltsehe habe die Ehefrau des Beschwerdeführers am niederschriftlich befragt schlussendlich angegeben, dass sie aus Mitleid zugestimmt habe, den Beschwerdeführer zum Schein zu heiraten. Bis auf kleinere gelegentliche Zuwendungen (ca. je EUR 200,--) habe sie dafür kein Geld bekommen. Ihr sei jedoch von dem leitenden Angestellten des Unternehmens, bei dem sie beschäftigt gewesen sei, der Vorschlag gemacht worden, eine Scheinehe einzugehen und versprochen worden, auf Dauer beschäftigt zu werden. Die Eheschließung habe am in W stattgefunden.
Das "diesbezüglich eingeleitete gerichtliche Verfahren" sei "mit Beschluss des Bezirksanwaltes beim Bezirksgericht Floridsdorf" am zurückgelegt worden (richtig: die wegen § 117 FPG erstattete Anzeige wurde am gemäß § 90 Abs. 1 StPO von der Staatsanwaltschaft Korneuburg zurückgelegt).
In ihrer niederschriftlichen Vernehmung vom habe die Ehefrau des Beschwerdeführers die am getätigten Angaben nochmals bestätigt. Zudem habe sie angegeben, dass die Ehe nie vollzogen worden sei und sie diese ausschließlich aus Gefälligkeit geschlossen habe. Nachdem der Beschwerdeführer beabsichtigt habe, seinen Sohn nach Österreich zu bringen, sei der Ehefrau die Angelegenheit "zu heiß" geworden.
Der Beschwerdeführer habe in seiner niederschriftlichen Vernehmung vom angegeben, dass er mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei; sonst könne er dazu keine Angaben machen. Außer seiner Ehefrau habe er in Österreich keine weiteren familiären oder sonstigen Bindungen.
In weiteren Stellungnahmen vom 22. und vom habe der Beschwerdeführer das Vorliegen einer Aufenthaltsehe in Abrede gestellt sowie darauf hingewiesen, dass er nach wie vor verheiratet und "das Verfahren wegen des Vorliegens einer Aufenthaltsehe" eingestellt worden sei. Er könne sich die Angaben seiner Ehefrau nicht erklären; nunmehr führe das Ehepaar kein gemeinsames Familienleben mehr.
Unter Hinweis auf § 60 Abs. 1, § 60 Abs. 2 Z. 9, § 66 Abs. 1 sowie § 63 Abs. 1 und 2 FPG führte die belangte Behörde aus, auf Grund der niederschriftlichen Vernehmungen der Ehefrau des Beschwerdeführers sowie aus der Zusammenschau der Aussagen des Ehepaares gehe eindeutig hervor, dass es sich um eine Aufenthaltsehe handle. In den genannten niederschriftlichen Vernehmungen sei von der Ehefrau des Beschwerdeführers klar und nachvollziehbar die Anbahnung und Abwicklung der Eheschließung zu Protokoll gegeben worden. Auf Grund dieser Umstände sei es als erwiesen anzusehen, dass der Beschwerdeführer die Ehe zum Schein eingegangen sei, um einen entsprechenden Aufenthaltstitel zu erhalten. Offensichtlich habe er dies zuvor auch schon im Wege der "Erwachsenenadoption" versucht.
Das Eingehen der Aufenthaltsehe zur missbräuchlichen Erlangung eines Aufenthaltstitels stelle grundsätzlich eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet eines geordneten Fremdenwesens dar, weshalb die belangte Behörde die Annahme für gerechtfertigt halte, dass durch den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung gefährdet sei. Dies werde letztlich auch dadurch erhärtet, dass der Beschwerdeführer offensichtlich nachhaltig versucht habe, in Österreich zu bleiben. Dies werde durch einen Asylantrag, den er zurückgezogen habe, weiters durch den Adoptionsversuch, wobei der Antrag ebenfalls zurückgezogen worden sei, und letztlich durch das Eingehen einer Scheinehe dokumentiert.
Die Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin stelle den einzigen familiären Anknüpfungspunkt des Beschwerdeführers zum Bundesgebiet dar. Darüber hinaus seien keine weiteren Anknüpfungspunkte genannt worden. Der Beschwerdeführer sei mit Unterbrechungen seit 2002 in Österreich aufhältig und habe erwiesenermaßen zu keiner Zeit ein gemeinsames Familienleben mit seiner Ehefrau geführt. Auf Grund dieses Umstandes und der vorherigen Erwägungen sei kein maßgebender Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers gegeben und die Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wiege schwerer als die Auswirkungen auf seine Lebenssituation.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde hinsichtlich des Vorliegens einer Aufenthaltsehe bringt der Beschwerdeführer lediglich vor, die belangte Behörde gehe nur auf Grund der widersprüchlichen Angaben seiner Ehefrau, die bei der Vernehmung am bestätigt habe, dass es sich bei der Ehe um keine Scheinehe handle, danach jedoch von einer Scheinehe gesprochen habe, vom Vorliegen einer Aufenthaltsehe aus. Der Beschwerdeführer bestreite dies nach wie vor. Vor Erteilung des "Visums" seien mehrfach Überprüfungen durchgeführt worden, es hätten jedoch keine Hinweise für das Vorliegen einer Scheinehe festgestellt werden können. Daher sei ihm eine Niederlassungsbewilligung erteilt worden.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Unschlüssigkeit der behördlichen Beweiswürdigung aufzuzeigen. Der Beschwerdeführer lässt nämlich unberücksichtigt, dass seine Ehefrau bei der Vernehmung am wiederholt hat, dass sie die Ehe mit dem Beschwerdeführer nur aus Gefälligkeit geschlossen habe, weil sie dessen Abschiebung verhindern habe wollen; die Ehe sei nie vollzogen worden und seit der Vernehmung am habe sie zum Beschwerdeführer keinen Kontakt mehr gehabt. Dazu führte der Beschwerdeführer in seinen Stellungnahmen vom Jänner 2008 lediglich aus, er könne sich die Angaben seiner Ehefrau nicht erklären. Er bestritt das Vorliegen einer Aufenthaltsehe lediglich allgemein, ohne im gesamten Verfahren einen konkreten Lebenssachverhalt zu behaupten und unter Beweis zu stellen, der für eine tatsächlich geführte eheliche Gemeinschaft spräche.
Es ist somit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die Ehe geschlossen, sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen, aber mit seiner Ehefrau ein gemeinsames Familienleben nie geführt hat.
2. Laut Beschwerdevorbringen sei die Ehe nach wie vor aufrecht. Den Verwaltungsakten ist jedoch zu entnehmen, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers am der Bundespolizeidirektion Eisenstadt gegenüber telefonisch mitteilte, dass die Ehe am vom Beschwerdeführer einvernehmlich geschieden worden sei.
Das Eingehen einer Aufenthaltsehe stellt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedenfalls eine Gefährdung im Sinn des § 60 Abs. 1 FPG, sollte die Ehe noch aufrecht und daher gemäß § 87 FPG die Bestimmungen des § 86 Abs. 1 erster und zweiter Satz leg. cit. anzuwenden sein, aber auch eine solche im Sinn der letztgenannten Bestimmung dar. Daher käme dem Umstand, dass die belangte Behörde - falls die Ehe nach wie vor aufrecht sein sollte - das Verhalten des Beschwerdeführers rechtsirrtümlich nur nach § 60 Abs. 1 FPG und nicht nach § 86 Abs. 1 leg. cit. beurteilt hätte, für den Ausgang des Verfahrens keine ausschlaggebende Bedeutung zu (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/18/0322, mwN). Daran vermag weder das Beschwerdevorbringen, das Eingehen der - vermeintlichen - Scheinehe liege bereits mehr als vier Jahre zurück, noch jenes, dass das Verfahren zur Nichtigerklärung der Ehe eingestellt worden sei, etwas zu ändern, weil die fremdenpolizeiliche Feststellung hinsichtlich des Vorliegens einer Aufenthaltsehe die Nichtigerklärung der Ehe nicht voraussetzt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/18/0388, mwN).
3. Soweit der Beschwerdeführer im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 66 FPG vorbringt, er halte sich seit 2004 durchgehend, davor seit 2002 in Österreich auf, gehe einer legalen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach, habe sich stets wohlverhalten und sei weder straf- noch verwaltungsstrafrechtlich in Erscheinung getreten, ist ihm entgegenzuhalten, dass er im Jahr 2002 - was unbestritten blieb - vom Jugendgerichtshof Wien zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt wurde und - abgesehen vom Eingehen der Aufenthaltsehe - schon deshalb weder von einem stetigen Wohlverhalten noch von einer strafgerichtlichen Unbescholtenheit ausgegangen werden kann. Mangels familiärer Bindungen im Bundesgebiet (ein gemeinsames Familienleben mit seiner Ehefrau besteht selbst den Angaben des Beschwerdeführers zufolge nicht mehr) und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Beschwerdeführer nur auf Grund der Aufenthaltsehe eine unselbständige Beschäftigung eingehen konnte, ist die Ansicht der belangten Behörde, dass die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet nicht höher zu bewerten seien als das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens, das durch das Eingehen einer Aufenthaltsehe schwerwiegend beeinträchtigt wird, nicht zu beanstanden.
4. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
5. Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am