VwGH vom 21.06.2011, 2010/22/0006
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, den Hofrat Dr. Robl und die Hofrätin Mag. Merl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des J, vertreten durch Dr. Georg Uitz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Doblhoffgasse 5/12, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 319.405/2-III/4/09, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den via Österreichische Botschaft Belgrad eingebrachten Erstantrag des Beschwerdeführers, eines serbischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" gemäß § 47 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer strebe die Familienzusammenführung mit seiner die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Adoptivmutter (der Zusammenführenden) an. Diese habe zwar eine Haftungserklärung abgegeben, die sich jedoch als nicht tragfähig erweise. Die Adoptivmutter beziehe nämlich eine Alterspension in der Höhe von monatlich EUR 1.445,98 (inklusive Sonderzahlungen) sowie ein Pflegegeld von monatlich EUR 154,20, das jedoch ihrem Einkommen nicht hinzugerechnet werden könne. Das pfändungsfreie Existenzminimum betrage im vorliegenden Fall EUR 972,40, weshalb die Adoptivmutter dem Beschwerdeführer monatlich lediglich EUR 473,58 als Unterhaltsleistungen zur Verfügung stellen könne. Nach dem Richtsatz gemäß § 293 ASVG wären jedoch EUR 772,40 monatlich erforderlich. Die vorhandenen finanziellen Mittel reichten somit nicht zur Bestreitung des Lebensunterhaltes des Beschwerdeführers aus. Ihm dürfe daher der begehrte Aufenthaltstitel nicht erteilt werden, weil keine tragfähige Haftungserklärung vorliege und es daher an einer besonderen Erteilungsvoraussetzung mangle.
Die mit der Berufung vorgelegten Kopien von zwei Sparbüchern mit einem Guthabensstand von jeweils EUR 6.143,65 könnten nicht berücksichtigt werden, weil es sich bei Sparbüchern weder um feste noch um regelmäßige Einkünfte handle.
Aus der Aktenlage sei auch nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer - wie unter Z. 3 lit. a oder b des § 47 Abs. 3 NAG verlangt - von seiner Adoptivmutter bereits im Herkunftsstaat Unterhalt bezogen oder mit dieser bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt und Unterhalt bezogen hätte.
Da der Aufenthaltstitel nur von einer Person abgeleitet werden könne, könne die Alterspension des Adoptivvaters in Höhe von monatlich EUR 668,49 und zusätzlich EUR 250,-- netto (14 x jährlich) auf Grund einer geringfügigen Beschäftigung nicht zum Einkommen der Zusammenführenden hinzugerechnet werden. Der vom Bezirksgericht Innere Stadt Wien genehmigte prätorische Vergleich, wonach der Adoptivvater der Zusammenführenden sein gesamtes Einkommen für die Dauer von fünf Jahren und drei Monaten ab dem abtrete, könne nicht berücksichtigt werden, weil er nicht durch entsprechende Beweise (z.B. Kontobewegungen) unterlegt worden sei. Da dem Adoptivvater ebenfalls ein Einkommen in der Höhe von EUR 772,40 zur Verfügung stehen müsse, könne er auch nicht sein gesamtes Einkommen an die Zusammenführende abtreten.
Abschließend führte die belangte Behörde aus, dass die Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels auch gemäß § 11 Abs. 3 NAG nicht geboten sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Wie aus den Verwaltungsakten hervorgeht, wohnen die Adoptiveltern des Beschwerdeführers im gemeinsamen Haushalt. Den Feststellungen im angefochtenen Bescheid zufolge verfügt die Adoptivmutter über eine Alterspension in der Höhe von monatlich EUR 1.445,98 (inklusive Sonderzahlungen) sowie über ein Pflegegeld in der Höhe von monatlich EUR 154,20. Der Adoptivvater bezieht eine Alterspension von EUR 668,49 sowie ein Einkommen aus geringfügiger Beschäftigung in der Höhe von EUR 250,-- (14 x jährlich), das die belangte Behörde in ihre Berechnung miteinzubeziehen gehabt hätte (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0470, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird). Für den volljährigen Beschwerdeführer ist ein Unterhalt in Höhe des (einfachen) Ausgleichszulagenrichtsatzes nachzuweisen, wobei der Zusammenführenden und ihrem Ehemann Unterhaltsmittel in Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes für Ehepartner im gemeinsamen Haushalt zu verbleiben haben (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0637, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird).
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass bereits durch die Pensionsbezüge der Adoptiveltern in Höhe von ca. EUR 2.114,-- monatlich ein ausreichendes Einkommen vorhanden ist, um sowohl für diese den notwendigen Unterhalt von EUR 1.158,08 sicherzustellen, als auch für den Beschwerdeführer die erforderlichen EUR 772,40 pro Monat zur Verfügung zu stellen, ohne dass auf das Pflegegeld, das zusätzliche Einkommen des Adoptivvaters sowie das Sparguthaben einzugehen war.
Die belangte Behörde begründet ihre Entscheidung auch damit, dass auf Grund der Aktenlage nicht ersichtlich sei, der Beschwerdeführer habe die Voraussetzungen des § 47 Abs. 3 Z. 3 lit. a oder b NAG erfüllt. Dabei lässt sie jedoch - worauf die Beschwerde zutreffend hinweist - die im Verwaltungsakt befindliche eidesstattliche Erklärung der Adoptiveltern des Beschwerdeführers vom , worin diese bestätigen, den Beschwerdeführer zumindest seit seinem zweiten Lebensjahr finanziell unterstützt und diesem Unterhalt geleistet zu haben "(ausgenommen soweit er selbst in Österreich Einkommen erzielen konnte)" und auch jetzt noch Unterhalt leisteten, unberücksichtigt. Die belangte Behörde hätte jedoch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 47 Abs. 3 NAG nicht ohne Weiteres verneinen dürfen, sondern hätte - im Fall von begründeten Zweifeln hinsichtlich der Richtigkeit der eidesstattlichen Erklärung - das Ermittlungsverfahren ergänzen und eine entsprechende Beweiswürdigung vornehmen müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2009/22/0106, mwN).
Die belangte Behörde hat somit weder die Angehörigeneigenschaft gemäß § 47 Abs. 3 Z. 3 NAG in einem mängelfreien Verfahren verneint noch zutreffend der Haftungserklärung der Adoptivmutter des Beschwerdeführers die Tragfähigkeit abgesprochen. Der angefochtene Bescheid war daher auf Grund der vorrangig wahrzunehmenden inhaltlichen Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
CAAAE-81866