VwGH vom 21.11.2011, 2008/18/0666
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des SM in W, vertreten durch Maga. Doris Einwallner, Rechtsanwältin in 1050 Wien, Schönbrunner Straße 26/3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien, vom , Zl. E1/551.393/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, ein auf § 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestütztes, auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.
In ihrer Begründung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei mit einem von 25. Jänner bis gültigen Visum C in das Bundesgebiet eingereist. Am habe er die österreichische Staatsbürgerin M geheiratet. Daraufhin habe er (nach dem damals geltenden Fremdengesetz 1997) bei der Behörde erster Instanz einen auf die Ehe gestützten Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta. - Ö., § 49 Abs. 1 FrG" eingebracht. (Den vorgelegten Verwaltungsakten zufolge wurde dem Beschwerdeführer der begehrte Aufenthaltstitel erteilt und auch verlängert.)
In weiterer Folge gab die belangte Behörde den bisherigen Verfahrensgang sowie den Inhalt von Vernehmungsprotokollen und Erhebungsberichten wörtlich wieder.
Auf Grund von im angefochtenen Bescheid näher und umfangreich aufgelisteten Widersprüchen in den Angaben der Ehepartner gelangte die belangte Behörde schließlich zum Ergebnis, der Beschwerdeführer habe die Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin ausschließlich geschlossen, um eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung und in weiterer Folge auch eine Anwartschaft auf den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erlangen. Er habe sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf diese Ehe berufen, ohne jemals mit seiner Ehefrau ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt zu haben. Es sei der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG erfüllt. Darüber hinaus sei davon auszugehen, dass auf Grund des Verhaltens des Beschwerdeführers auch die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes nach § 86 Abs. 1 FPG gegeben seien.
Zwar sei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen, jedoch sei dieser Eingriff zulässig, weil er zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, hier konkret: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens durch Verhinderung von Aufenthaltsehen, dringend geboten sei. Den diesbezüglichen, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch die Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu. Es bestehe ein hohes öffentliches Interesse an der Verhinderung von Aufenthaltsehen. Dagegen habe der Beschwerdeführer mit seinem Verhalten gravierend verstoßen. Die durch den bisherigen Aufenthalt im Bundesgebiet erzielte Integration des Beschwerdeführers werde durch die von ihm hervorgerufene Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses wesentlich gemindert. Die Abwägung der gegenläufigen Interessenslagen ergebe, dass die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet keinesfalls schwerer wögen als das erwähnte öffentliche Interesse an der Hintanhaltung von Verstößen wie des hier gegenständlichen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Der Beschwerdeführer bestreitet die behördliche Annahme, es liege eine Aufenthaltsehe vor, und führt dazu ins Treffen, die belangte Behörde habe "fast" keine Tatsachenfeststellungen getroffen und lediglich Aussagen und Vorbringen wiedergegeben.
Dem Beschwerdeführer ist darin zuzustimmen, dass der angefochtene Bescheid über weite Teile die bloße Wiedergabe von Vernehmungsprotokollen und Erhebungsberichten enthält. Anders, als er meint, geht allerdings aus dem angefochtenen Bescheid mit hinreichender Klarheit hervor, auf welchen Sachverhalt und welche beweiswürdigende Überlegungen sich die belangte Behörde für ihre Annahme, der Beschwerdeführer habe mit seiner Ehefrau nie ein gemeinsames Familienleben geführt und die Ehe sei nur zwecks Erlangung von für den Beschwerdeführer fremdenrechtlich bedeutsamen Vorteilen eingegangen worden, stützt. Auf die von der belangten Behörde aufgezeigten Widersprüche in den Angaben der Ehepartner, insbesondere hinsichtlich angeblicher gemeinsamer Unternehmungen sowie deren Unkenntnis von persönlichen Umständen des jeweils anderen, geht die Beschwerde nur kursorisch ein. Vor dem Hintergrund der behördlichen Ausführungen kann aber letztlich nicht davon gesprochen werden, ihre beweiswürdigenden Überlegungen seien als unschlüssig zu bezeichnen. Unter Bedachtnahme auf die dem Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Beweiswürdigung bloß eingeschränkt zukommenden Prüfbefugnis begegnen die diesbezüglichen Erwägungen der belangten Behörde keinen Bedenken. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung der belangten Behörde, die der Überprüfung der Schlüssigkeit standhält, auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, das heißt, sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa aus jüngerer Zeit das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/02/0302, mwN).
Der Beschwerdeführer macht auch geltend, die belangte Behörde habe es rechtswidrig unterlassen, einen von ihm namhaft gemachten Zeugen zu vernehmen. Insoweit stellt er aber nicht dar, zu welchen für ihn günstigen Feststellungen die belangte Behörde im Fall der Vernehmung dieses Zeugen hätte kommen können und weshalb diese geeignet gewesen wären, zu einem anderen Bescheid zu führen. Sohin wird die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers nicht dargetan. Dies gilt auch für das Vorbringen, es sei dem Beschwerdeführer vor Erlassung des Bescheides Parteiengehör nicht eingeräumt worden und im Falle der Einräumung desselben hätte er die Vernehmung eines weiteren Zeugen beantragt. Auch dazu führt die Beschwerde nicht aus, was dieser Zeuge hätte angeben und zu welchen für den Verfahrensausgang relevanten Feststellungen die belangte Behörde im Falle der Vernehmung dieses Zeugen hätte kommen können.
Weiters bringt der Beschwerdeführer vor, er sei ohne Beiziehung eines Dolmetschers vernommen worden. Mögliche Widersprüche könnten dadurch erklärt werden. Dem ist entgegenzuhalten, dass den Verwaltungsakten kein Hinweis dafür zu entnehmen ist, dass der Beschwerdeführer der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig gewesen wäre, um dem Inhalt der Vernehmung zu folgen. So wurde der Beschwerdeführer etwa am von der Behörde erster Instanz in der Zeit von 8.40 Uhr bis 9.28 Uhr vernommen. Hinweise dafür, dass er während dieser - durchaus nicht geringen - Zeitspanne irgendeinmal angegeben hätte, der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig zu sein, sind dem - vollen Beweis liefernden (vgl. § 15 AVG) - Vernehmungsprotokoll - dass dieses unrichtig oder unvollständig wäre, hat der Beschwerdeführer nicht behauptet - nicht zu entnehmen. Vielmehr hat er - mögen die Antworten auch im Widerspruch zu jenen seiner Ehefrau stehen - situationsbedingt passende Antworten gegeben, sodass davon auszugehen ist, dass er den Inhalt der an ihn gerichteten Fragen verstanden hat. Im Übrigen wird auch in der Beschwerde nicht näher dargestellt, inwieweit allfällige Probleme in der Kommunikation vorhanden gewesen wären oder welche Fragen der Beschwerdeführer rückblickend nicht verstanden hätte.
Dass in Anbetracht des vom Beschwerdeführer gesetzten Fehlverhaltens die Annahme gerechtfertigt ist, es liege eine Gefährdung im Sinn des § 86 Abs. 1 erster und zweiter Satz FPG vor, wird vom Beschwerdeführer nicht in Zweifel gezogen und entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0712).
Der Beschwerdeführer wendet sich schließlich gegen die von der belangten Behörde nach § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung und macht geltend, er halte sich mittlerweile seit mehr als drei Jahren in Österreich auf, gehe einer legalen Erwerbstätigkeit nach und verfüge über eine Unterkunft und eine Krankenversicherung. Neben seiner Ehefrau habe er auch zahlreiche Freunde und nehme am sozialen Leben teil. Er habe sich immer wohlverhalten.
Die Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde im Rahmen ihrer Interessenabwägung ausreichend berücksichtigt. Allerdings durfte sie in ihre Überlegungen als für das Ergebnis maßgeblich einbeziehen, dass die Rechtmäßigkeit des bisherigen Aufenthalts des Beschwerdeführers und die rechtlich erlaubte Möglichkeit, hier einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, allein auf die Aufenthaltsehe zurückzuführen waren. Das Bestehen eines Familienlebens zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau wurde als nicht gegeben festgestellt, sodass diesbezüglich vom Beschwerdeführer geltend gemachte Bindungen nicht zu berücksichtigen waren. Vor diesem Hintergrund kann der belangten Behörde - selbst unter Einbeziehung der strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und dem Vorhandensein von Freunden - nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Ansicht vertritt, dem hier relevanten - als hoch zu veranschlagenden - öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei Vorrang gegenüber den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich einzuräumen. Die Beurteilung der belangten Behörde nach § 66 FPG ist sohin nicht zu beanstanden.
Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
EAAAE-81848