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VwGH vom 29.07.2020, Ra 2019/07/0079

VwGH vom 29.07.2020, Ra 2019/07/0079

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser, Mag. Haunold und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revisionen 1. des J K (prot. zu hg. Ra 2019/07/0079) und 2. des A G (prot. zu hg. Ra 2019/07/0080), beide in R, beide vertreten durch die Altenweisl Wallnöfer Watschinger Zimmermann Rechtsanwälte GmbH in 6020 Innsbruck, Fallmerayerstraße 8, gegen die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichtes Tirol jeweils vom , Zlen. 1. LVwG-2018/33/1805-1 und 2. LVwG-2018/33/1804-1, betreffend Angelegenheiten des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1996 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde; mitbeteiligte Parteien: 1. Gemeinde R, 2. Gemeindegutsagrargemeinschaft R, vertreten durch den Substanzverwalter H S, beide in R), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revisionen werden als unbegründet abgewiesen.

Die revisionswerbenden Parteien haben dem Land Tirol jeweils Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

11. Mit Bescheid des Landesagrarsenats beim Amt der Tiroler Landesregierung (LAS) vom wurde - im Berufungsverfahren - festgestellt, dass das in den vorliegenden Revisionsfällen relevante Regulierungsgebiet der Zweitmitbeteiligten Gemeindegut im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996 - TFLG 1996 darstelle.

2Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2011/07/0044, abgelehnt.

32. Mit den angefochtenen Erkenntnissen vom wies das Verwaltungsgericht - jeweils im Beschwerdeverfahren - die Anträge der Revisionswerber vom auf bedarfsunabhängige Zuweisung von 59 bzw. 29,5 Efm (Erntefestmeter) Holz „zur ordnungsgemäßen Erfüllung“ ihrer Anteilsrechte an der Zweitmitbeteiligten ab.

4Die Revisionen gegen diese Erkenntnisse wurden jeweils unter Hinweis auf die verba legalia des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zugelassen.

5Dem legte das Verwaltungsgericht zugrunde, bei der Zweitmitbeteiligten handle es sich um eine atypische Gemeindegutsagrargemeinschaft im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG 1996, an der die Erstmitbeteiligte als substanzberechtigtes Mitglied beteiligt sei.

6Die Revisionswerber seien Eigentümer näher bestimmter Stammsitzliegenschaften, mit denen jeweils Anteilsrechte an der Zweitmitbeteiligten verbunden seien.

7Bis zum Jahr 1927 seien näher genannte, im Eigentum der Erstmitbeteiligten gestandene Grundstücke mit der (grundbücherlich einverleibten) Dienstbarkeit des ausschließlichen Holz- und Streubezuges zugunsten der R. Waldgenossenschaft, bestehend aus näher bezeichneten Liegenschaften und zu genau bestimmten Anteilen belastet gewesen. Dabei habe es sich um privatrechtliche Dienstbarkeiten und nicht um Teilwaldrechte gehandelt.

8Aufgrund eines bei der Hauptverhandlung vom von sämtlichen Teilgenossen getroffenen Übereinkommens seien den berechtigten Liegenschaften entsprechend dem jeweiligen Ausmaß der damaligen Dienstbarkeitsberechtigungen Anteile an der Zweitmitbeteiligten zuerkannt worden. Dabei sei auch der damals aktuelle Haus- und Gutsbedarf der einzelnen Stammsitzliegenschaften festgestellt worden. Die Anteilsrechte seien sodann mit Bescheid der Agrarbezirksbehörde Innsbruck vom , „Register der Anteilsrechte betreffend den [R.-Wald]“, festgelegt worden.

9In weiterer Folge sei das „Gemeinschaftsgebiet [R.] Wald und Alpe“ mit Generalakt der Agrarbezirksbehörde Innsbruck vom reguliert worden.

10Aufgrund des Beschlusses des Bezirksgerichtes Hall vom seien die bis dahin im Grundbuch einverleibten Dienstbarkeiten des ausschließlichen Holz- und Streubezuges gelöscht worden.

11Rechtlich stützte sich das Verwaltungsgericht im Kern darauf, dass das Nutzungsrecht am Gemeindegut nur im Umfang des Haus- und Gutsbedarfes der berechtigten Liegenschaften bestehe. Alles darüber hinaus Gehende, der sogenannte „Überling“, komme gemäß § 33 Abs. 5 TFLG 1996 dem Substanzwert der Gemeinde zugute. Die vor der Regulierung zugunsten der R. Waldgenossenschaft eingetragenen Dienstbarkeiten des Holz- und Streubezuges seien in den fixierten Anteilsrechten an der Zweitmitbeteiligten aufgegangen. Die Bezugsrechte stützten sich daher nicht mehr auf eine private Dienstbarkeit, sondern entsprängen dem Anteilsrecht am Gemeindegut im Ausmaß der vorgesehenen Beschränkung durch den Haus- und Gutsbedarf.

12Auch dass die Festlegung der Anteilsrechte im vorliegenden Fall durch ein Übereinkommen einvernehmlich zustande gekommen sei, mache die Beschränkung der Ansprüche der Revisionswerber auf den Haus- und Gutsbedarf nicht obsolet, weil ein über den Haus- und Gutsbedarf hinausreichender Anspruch von Gesetzes wegen bei Grundstücken im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG 1996 zum Substanzwert zähle. Daran könne - mit Blick auf die Anordnung des § 33 Abs. 5 lit. b TFLG 1996 - auch die Bestimmung des § 54 TFLG 1996 nichts ändern.

133. Gegen diese Erkenntnisse erhoben die Revisionswerber zunächst jeweils Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschlüssen jeweils vom , E 845/2019-5 (betreffend die Beschwerde des Erstrevisionswerbers) und E 847/2019-5 (betreffend die Beschwerde des Zweitrevisionswerbers), ablehnte und die Beschwerden gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

14Begründend führte der Verfassungsgerichtshof im Wesentlichen aus, soweit die Beschwerden insofern verfassungsrechtliche Fragen berührten, als die Rechtswidrigkeit der die angefochtenen Entscheidungen tragenden Rechtsvorschriften behauptet werde, lasse ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (Hinweis auf u.a., VfSlg. 19.802) die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hätten.

154. Daraufhin erhoben die Revisionswerber die vom Verwaltungsgericht zusammen mit den Verfahrensakten vorgelegten (außerordentlichen) Revisionen.

16Die belangte Behörde erstattete jeweils eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag auf kostenpflichtige Zurück-, in eventu Abweisung der Revisionen. Dieser schlossen sich die mitbeteiligten Parteien in einem (jeweils) gemeinsamen als „Revisionsbeantwortung“ bezeichneten Schreiben „vollinhaltlich“ an, beantragten jedoch keinen Aufwandersatz.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - wegen ihres rechtlichen und sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen - Revisionen erwogen:

171. Für die vorliegenden Revisionsfälle sind folgende Bestimmungen des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes - TFLG 1996, LGBl. Nr. 74/1996 in der Fassung LGBl. Nr. 144/2018, in den Blick zu nehmen:

§ 33

Agrargemeinschaftliche Grundstücke

(1) Agrargemeinschaftliche Grundstücke im Sinne dieses Gesetzes sind Grundstücke, die von allen oder mehreren Mitgliedern einer Gemeinde oder von den Mitgliedern einer Nachbarschaft, einer Interessentschaft, einer Fraktion oder einer ähnlichen Mehrheit von Berechtigten kraft einer mit einer Liegenschaft (Stammsitzliegenschaft) verbundenen oder einer persönlichen (walzenden) Mitgliedschaft gemeinschaftlich und unmittelbar für land- und forstwirtschaftliche Zwecke auf Grund alter Übung genutzt werden. Als gemeinschaftliche Nutzung gilt auch eine wechselweise sowie eine nach Raum, Zeit und Art verschiedene Nutzung.

(2) Agrargemeinschaftliche Grundstücke sind, unbeschadet der Rechte aus einer bereits vollendeten Ersitzung, insbesondere:

[...]

c)Grundstücke, die

1.im Eigentum einer Gemeinde stehen und zur Deckung des Haus- und Gutsbedarfes von Stammsitzliegenschaften dienen oder

2.vormals im Eigentum einer Gemeinde gestanden sind, durch Regulierungsplan ins Eigentum einer Agrargemeinschaft übertragen wurden, vor dieser Übertragung der Deckung des Haus- und Gutsbedarfes von Stammsitzliegenschaften gedient haben und nicht Gegenstand einer Hauptteilung waren (Gemeindegut);

d)Waldgrundstücke, die im Eigentum einer Gemeinde oder einer Mehrheit von Berechtigten (Agrargemeinschaft) stehen und auf denen Teilwaldrechte (Abs. 3) bestehen (Teilwälder). Diese Grundstücke zählen im Fall des Vorliegens der Voraussetzungen nach lit. c zum Gemeindegut; soweit Teilwälder auf Grundstücken im Sinn der lit. c Z 2 bestehen, sind die für Grundstücke im Sinn der lit. c Z 2 geltenden Bestimmungen dieses Gesetzes mit der Maßgabe anzuwenden, dass das ausschließliche Holz- und Streunutzungsrecht der Teilwaldberechtigten gewahrt bleibt.

(3) Teilwaldrechte sind Holz- und Streunutzungsrechte, die auf Grund öffentlicher Urkunden oder auf Grund örtlicher Übung zugunsten bestimmter Liegenschaften oder bestimmter Personen auf nach Größe, Form und Lage bestimmten oder bestimmbaren Teilflächen von Waldgrundstücken bestehen. Teilwaldrechte gelten als Anteilsrechte im Sinne dieses Gesetzes.

[...]

(5) Der Substanzwert von Grundstücken im Sinn des Abs. 2 lit. c Z 2 ist jener Wert, der nach Abzug der Belastungen durch die land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte verbleibt. Er umfasst

a)die Erträge aus der Nutzung der Substanz dieser Grundstücke einschließlich des beweglichen und unbeweglichen Vermögens, das daraus erwirtschaftet wurde, (Substanzerlöse) und

b)den über den Umfang des Haus- und Gutsbedarfes der Nutzungsberechtigten erwirtschafteten Überschuss aus der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung (Überling).

Die Substanz eines Grundstückes im Sinn des Abs. 2 lit. c Z 2 wird insbesondere dann genutzt, wenn es veräußert, verpachtet oder dauernd belastet wird, wenn darauf eine Dienstbarkeit oder ein Baurecht begründet oder die Jagd ausgeübt wird oder wenn es als Schottergrube, Steinbruch und dergleichen verwendet wird. Der Substanzwert steht der substanzberechtigten Gemeinde zu.

[...]

§ 54

Feststellung der Anteilsrechte

(1) Zur Feststellung der Anteilsrechte der einzelnen Parteien ist zunächst ein Übereinkommen anzustreben.

(2) Wird ein Übereinkommen nicht erzielt, so ist bei der Ermittlung der Anteilsrechte, sofern nicht urkundliche Nachweise über ihren Bestand und ihren Umfang vorhanden sind, von der örtlichen Übung und, wenn dies nicht möglich ist, von dem unter Bedachtnahme auf die örtliche Übung zu ermittelnden Haus- und Gutsbedarf der berechtigten Liegenschaften auszugehen. Dabei ist § 64 Z 2 bis 4 sinngemäß anzuwenden. Fehlen die zur Ermittlung des Bestandes oder des Umfanges eines Teilwaldes nötigen urkundlichen Nachweise, so ist vom letzten ruhigen Besitzstand auszugehen.

[...]

§ 64

Im Regulierungsverfahren sind die Bestimmungen der § 4, 5, 8 Abs. 2 lit. a, 8 Abs. 3 bis 7, 9 Abs. 1 lit. b, 12 Abs. 1, 16 Abs. 2, 17 Abs. 4 und 5, 18 Abs. 2, 26 Abs. 1 und 2 sowie der § 50 bis 56 unter Beachtung folgender Änderungen und Ergänzungen sinngemäß anzuwenden:

[...]

5.a) Teilwaldrechte können mit Zustimmung von zwei Dritteln der Teilwaldberechtigten in Anteilsrechte an Waldgrundstücken umgewandelt werden, die keinen Anspruch auf ausschließliche Nutzung einer bestimmten Fläche geben.

b)Die Ermittlung der Anteilsrechte besteht neben den nach § 54 Abs. 2 zu treffenden Feststellungen in der Festlegung des Verhältnisses der einzelnen Teilwaldflächen, die auf die mittlere Ertragsklasse und Bringungslage der Gesamtfläche umzurechnen sind, zur Gesamtfläche der in Regulierung gezogenen Teilwälder. Liegen die auf den einzelnen Teilwaldflächen vorhandenen Hektarvorräte über oder unter dem durchschnittlichen Hektarvorrat der Gesamtfläche der in Regulierung gezogenen Teilwälder, so ist der Unterschied durch Zu- oder Abschläge an den den Anteilsrechten entsprechenden Nutzungen auszugleichen. Der Ausgleichszeitraum ist je nach der Zuwachsleistung und der Höhe der Holzvorräte sowie dem Grad ihrer Verschiedenheit festzulegen.

c)Soweit die umzuwandelnden Teilwaldrechte auf Grundstücken im Sinn des § 33 Abs. 2 lit. c bestehen, sind die für diese Grundstücke geltenden Bestimmungen mit der Maßgabe anzuwenden, dass das für die Ermittlung des Anteilsrechtes nach lit. b herangezogene Ausmaß jährlich unabhängig vom Vorliegen eines Bedarfes bezogen werden kann.

[...]

7.Bei agrargemeinschaftlichen Grundstücken, die im Eigentum einer Gemeinde stehen, gebührt der Gemeinde ein Anteilsrecht von 20 v. H. des Ertrages im Sinne der Z 3. Ein größeres Anteilsrecht steht der Gemeinde insoweit zu, als die Nutzung durch die Gemeinde in den letzten 30 Jahren das Ausmaß von 20 v. H. überschritten hat. Dabei sind Nutzungen zur Deckung der üblichen Investitions- und Erhaltungskosten nicht zu berücksichtigen.

[...]

§ 86e

Übergangsbestimmungen für Agrargemeinschaften auf Gemeindegut im Sinn des § 33 Abs. 2 lit. c Z 2

[...]

(7) Für Teilwaldrechte auf Grundstücken im Sinn des § 33 Abs. 2 lit. c, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes LGBl. Nr. 86/2017 in Anteile an Waldgrundstücken umgewandelt wurden, die keinen Anspruch auf ausschließliche Nutzung einer bestimmten Fläche geben, gelten ab dem § 38 Abs. 10 und § 64 Z 5 lit. c sinngemäß.“

182. Die Revisionen sind zulässig. Sie sind jedoch - wie nachfolgend aufgezeigt wird - nicht begründet.

193.1. Die Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden Revisionen machen zunächst geltend (Punkt 3.1.), es fehle Judikatur zur Frage, ob § 33 Abs. 5 TFLG 1996 auch auf Anteilsrechte, die auf über den Haus- und Gutsbedarf hinausgehenden Privatrechten und Vereinbarungen beruhten, Anwendung finde.

20Den Revisionswerbern sei vor der Regulierung das Dienstbarkeitsrecht zugestanden, jährlich unabhängig vom Vorliegen eines konkreten Bedarfs Holz- und Streu zu beziehen. Die Anteilsrechte an den agrargemeinschaftlichen Grundstücken seien nicht im Zusammenhang mit der Feststellung des damaligen Haus- und Gutsbedarfs, sondern durch ein Übereinkommen zwischen den Teilgenossen fixiert worden. Aufgrund der unbeschränkten Dienstbarkeitsberechtigung, welche als Grundlage für die Vereinbarung der Mitglieder im Rahmen der Anteilsfestlegung und Regulierung gedient habe, sei durch die Regulierung der Anteilsrechte hinsichtlich der Bezugsberechtigung auf Rechtholz kein schützenswerter Substanzwert der Gemeinde vorgelegen. Der Rechtholzbezug der Revisionswerber wäre somit nicht durch den (historischen oder aktuellen) Haus- und Gutsbedarf beschränkt.

213.2. Mit Bescheid des LAS vom wurde festgestellt, dass es sich bei den in den Revisionsfällen maßgeblichen agrargemeinschaftlichen Grundstücken um Gemeindegut gemäß § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG 1996 handelt. Die Rechtskraft dieses Erkenntnisses wirkt für die Zukunft und bindet auch den Verwaltungsgerichtshof (vgl. etwa , VwSlg. 18.171 A, sowie , 2010/07/135).

22Steht - wie hier - das Vorliegen von Gemeindegut gemäß § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG 1996 fest, so hat dies zur Folge, dass auch die das atypische Gemeindegut betreffenden Bestimmungen des TFLG 1996 zur Anwendung gelangen.

23Ein Eingehen auf rechtshistorische Fragestellungen zum Ausmaß der ursprünglich bestandenen Dienstbarkeiten, zu den dem Übereinkommen vom zugrunde liegenden Überlegungen sowie zu der ebenfalls in den Revisionen aufgeworfenen Frage, ob, „nachdem den vormaligen Dienstbarkeitsberechtigten und nunmehrigen Mitgliedern der gesamte Holzbezug mit Ausnahme eines bestimmten Vorab für die Gemeinde zugestanden war“, davon auszugehen ist, „dass die Anteilsbegründung im Rahmen der Regulierung genau dieses System im Rahmen der Anteilsfeststellung gemäß § 54 leg. cit. [TFLG 1996] auch auf die Anteilsberechtigung übertragen hat“, erübrigt sich daher angesichts der Rechtskraft des genannten Erkenntnisses (vgl. erneut VwGH 2010/07/0091 sowie 2010/07/0135).

24Nach § 33 Abs. 5 letzter Satz TFLG 1996 kommt der Substanzwert von Gemeindegutsgrundstücken gemäß § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG 1996 der substanzberechtigten Gemeinde zu. Dieser Substanzwert, der das Anteilsrecht der Gemeinde als Mitglied der Agrargemeinschaft darstellt, umfasst nach § 33 Abs. 5 lit. b TFLG 1996 auch den über den Umfang des Haus- und Gutsbedarfes der Nutzungsberechtigten erwirtschafteten Überschuss aus der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung (Überling) und damit die über den Haus- und Gutsbedarf hinausgehenden Erträge (vgl. , unter Hinweis auf VfSlg. 19.802).

25Die von den Revisionswerbern beantragte bedarfsunabhängige Zumessung ihres Nutzungsanteiles, also die volle Ausübung der ihnen zukommenden Nutzungsrechte unabhängig von ihrem konkreten Haus- und Gutsbedarf, widerspräche - wie das Verwaltungsgericht richtig ausgeführt hat - daher § 33 Abs. 5 lit. b TFLG 1996, weil dieser - wie oben beschrieben - die über den Haus- und Gutsbedarf hinausgehenden Erträge der substanzberechtigten Gemeinde zuordnet.

264.1. Die Revisionswerber monieren in den Zulässigkeitsausführungen außerdem (Punkt 3.2.), es fehle hg. Judikatur zur Frage, ob die spezialgesetzlichen Bestimmungen des TFLG 1996 für Teilwaldberechtigungen auch auf vor der Regulierung bestanden habende zivilrechtliche Berechtigungen desselben Charakters analoge Anwendung fänden.

27Bei den vor der Regulierung bestandenen Holz- und Streunutzungsrechten auf Dienstbarkeitsbasis habe es sich im Ergebnis zumindest um einem Teilwaldrecht im Sinne des § 33 Abs. 3 TFLG 1996 „sehr ähnliche Rechte“ gehandelt. Die gegenständlich vorgenommene Löschung von Dienstbarkeitsrechten zugunsten der verbleibenden Anteilsberechtigungen an agrargemeinschaftlichen Grundstücken sei nämlich der in § 64 Z 5 TFLG 1996 beschriebenen Umwandlung gleichzuhalten, sodass im Anlassfall durch die Regulierung im Ergebnis der dort beschriebene Endzustand hergestellt worden sei.

284.2. Nach der Rechtsprechung setzt ein Analogieschluss das Vorliegen einer echten Gesetzeslücke, also das Bestehen einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus. Ein Abweichen vom Gesetzeswortlaut ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nur dann zulässig, wenn eindeutig feststeht, dass der Gesetzgeber etwas anderes gewollt hat, als er zum Ausdruck gebracht hat, so - beispielsweise - wenn den Gesetzesmaterialien mit Sicherheit entnommen werden kann, dass der Wille des Gesetzgebers tatsächlich in eine andere Richtung gegangen ist, als sie in der getroffenen Regelung zum Ausdruck kommt. Im Zweifel ist das Unterbleiben einer bestimmten Regelung im Bereich des öffentlichen Rechts als beabsichtigt anzusehen (vgl. , VwSlg. 19.301 A, sowie , jeweils mwN).

29Der Begriff des Teilwaldrechtes ist in § 33 Abs. 3 TFLG 1996 unmissverständlich definiert. Aus § 33 Abs. 2 lit. d TFLG 1996 ergibt sich, dass Teilwälder bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 33 Abs. 2 lit. c zum Gemeindegut zählen; soweit sie auf Grundstücken im Sinn des § 33 Abs. 2 lit c Z 2 TFLG 1996 bestehen, sind die für diese Grundstücke geltenden Bestimmungen mit der Maßgabe anzuwenden, dass das ausschließliche Holz- und Streunutzungsrecht der Teilwaldberechtigten gewahrt bleibt.

30Wie aus den Erläuterungen zu dieser Bestimmung der Novelle LGBl. Nr. 70/2014 (157/14, S. 5) hervorgeht, zählten Teilwälder bei Vorliegen der Voraussetzungen der lit. c auch zum Gemeindegut. Ungeachtet dessen blieben sie im Verband der agrarischen Rechte eine Besonderheit, weil sie jeweils nur mit einer Liegenschaft oder Person verbunden seien, sodass dritte Personen von der Nutzung des territorial abgegrenzten Teilwaldes ausgeschlossen seien, und weil sie darüber hinaus nicht auf den Haus- und Gutsbedarf des Nutzungsberechtigten beschränkt seien (Hinweis auf , Rz 25), dies im Unterschied zum ideellen Anteilsrecht. Diese Eigenart der Teilwaldrechte müsse daher auch dann gewahrt bleiben, wenn sie auf atypischem Gemeindegut im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG 1996 bestünden. Die Bestimmungen über das atypische Gemeindegut seien daher auf Teilwaldrechte mit der Maßgabe anzuwenden, dass dadurch in das ausschließliche Holz- und Streunutzungsrecht der Teilwaldberechtigten nicht eingegriffen werde. Im Übrigen gälten auch für Teilwälder auf Gemeindegut die spezifischen Bestimmungen für Teilwälder.

31Nach der von den Revisionswerbern angesprochenen Bestimmung des § 64 Z 5 lit. a TFLG 1996 können Teilwaldrechte mit Zustimmung von zwei Dritteln der Teilwaldberechtigten in Anteilsrechte an Waldgrundstücken umgewandelt werden, die keinen Anspruch auf ausschließliche Nutzung einer bestimmten Fläche geben. Soweit die umzuwandelnden Teilwaldrechte auf Grundstücken im Sinn des § 33 Abs. 2 lit. c bestehen, sind die für diese Grundstücke geltenden Bestimmungen mit der Maßgabe anzuwenden, dass das für die Ermittlung des Anteilsrechtes nach lit. b herangezogene Ausmaß jährlich unabhängig vom Vorliegen eines Bedarfes bezogen werden kann (§ 64 Z 5 lit. c TFLG 1996). Gemäß § 86e Abs. 7 TFLG 1996 gilt für Teilwaldrechte auf Grundstücken im Sinn des § 33 Abs. 2 lit. c leg. cit., die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes LGBl. Nr. 86/2017 in Anteile an Waldgrundstücken umgewandelt wurden, die keinen Anspruch auf ausschließliche Nutzung einer bestimmten Fläche geben, ab dem u.a. § 64 Z 5 lit. c TFLG 1996 sinngemäß.

32Die Erläuternden Bemerkungen zu § 64 Z 5 und § 86e Abs. 7 TFLG 1996 idF LGBl. Nr. 86/2017 (226/17, S. 4f) lauten auszugweise:

„Kommt es im Rahmen der Regulierung von Teilwäldern zu ihrer Zusammenlegung und damit zur Umwandlung der Teilwaldrechte in ‚herkömmliche‘ Anteilsrechte an Waldgrundstücken, dann geht dieser Anspruch auf ausschließliche Nutzung einer bestimmten Waldfläche verloren (vgl. § 64 Z 5). Gleichzeitig werden die (aus den Teilwaldrechten hervorgegangenen) Anteilsrechte nach geltender Rechtslage auf den Haus- und Gutsbedarf beschränkt und können - wie alle Anteilsrechte am Gemeindegut - nur ausgeübt werden, wenn tatsächlich ein Bedarf besteht. Mit der Umwandlung des Teilwaldrechtes ist daher auch eine für den Teilwaldberechtigten spürbare und deutliche Einschränkung seiner Bezugsrechte verbunden. Dies führt dazu, dass die für Teilwaldzusammenlegungen erforderliche Zustimmung von zwei Dritteln der Teilwaldberechtigten in aller Regel nicht erreicht werden kann. Teilwaldzusammenlegungen sind aus diesen Gründen auch schon gescheitert, wie beispielsweise das Verfahren zur Zusammenlegung der Teilwälder in Inzing.

[...]

Im Fall einer Umwandlung von Teilwald in unverteilten Agrargemeinschaftswald leisten die Nutzungsberechtigten daher einen wesentlichen Beitrag zur besseren Wahrung insbesondere der Nutz- und Schutzfunktionen des Waldes. Dies liegt im landeskulturellen Interesse, im öffentlichen Interesse und - wie dargelegt - im Interesse der Gemeinde, sodass die vorgeschlagene Aufrechterhaltung der Bezugsrechte (neue lit. c des § 64 Z 5) gerechtfertigt scheint. Dabei ist hervorzuheben, dass auch nach der Zusammenlegung das ohne Bindung an einen tatsächlichen Bedarf jährlich ausübbare Anteilsrecht ein Bezugsrecht ausschließlich bis zum für die Ermittlung des Anteilsrechtes herangezogenen Ausmaß einräumt. Daraus folgt, dass infolge gemeinsamer Bewirtschaftung erzielte Ertragssteigerungen der Gemeinde als Grundeigentümer bzw. Inhaber des Substanzrechtes zufallen und auch keine Änderung bzw. Ausdehnung des Nutzungsrechtes zu Lasten der Gemeinde stattfindet. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Nutzungsberechtigten bereits aufgrund der Bestimmung des § 64 Z 7 einen Teil ihres Bezugsrechtes verlieren. Im Ergebnis soll damit der besondere Charakter des Teilwaldrechtes (vgl. § 33 Abs. 3) auch nach seiner Umwandlung in ein Anteilsrecht, das keinen ausschließlichen Anspruch auf ausdrückliche Nutzung einer bestimmten Waldfläche gilt, gewahrt bleiben.

[...]

Durch die vorgeschlagene Ergänzung im § 86e (Z 11) sollen die Nutzungsberechtigten in bereits vor dem Inkrafttreten der Neuregelungen im § 64 Z 5 lit. c zusammengelegten Teilwäldern ab dem Wirtschaftsjahr 2018 gleich behandelt [werden] wie Nutzungsberechtigte im Fall der künftigen Zusammenlegung von Teilwäldern. Aus dieser Änderung ergeben sich keine Ansprüche in Bezug auf die Vergangenheit, sie wirkt ausschließlich für die Zukunft.“

33Den zitierten Erläuterungen ist im Einklang mit dem Gesetzeswortlaut daher eindeutig zu entnehmen, dass der Gesetzgeber gerade nicht wollte, dass die spezifischen Bestimmungen für Teilwaldrechte auch auf „herkömmliche“ ideelle Anteilsrechte an (unverteiltem) Agrargemeinschaftswald, wie sie hier vorliegen, Anwendung finden. Vielmehr geht klar hervor, dass durch diese Bestimmungen der Besonderheit von Teilwaldrechten Rechnung getragen werden sollte. Demnach sind nach dem Willen des Gesetzgebers spezielle Bestimmungen nur für „echte“ Teilwaldrechte und für in Anteilsrechte am zusammengelegten Teilwald umgewandelte (ursprünglich „echte“) Teilwaldrechte vorgesehen. Auf allfällige ideellen Anteilsrechten zugrunde liegende „teilwaldähnliche“ Rechte nehmen weder der Gesetzeswortlaut noch die erwähnten Materialien Bezug.

34Soweit die Revisionswerber in diesem Zusammenhang gleichheitsrechtliche Bedenken äußern, sei auf die oben wiedergegebenen Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in seinen Beschlüssen vom (Rz 14) verwiesen.

35Vor diesem Hintergrund fehlen für eine echte, durch Analogie zu schließende Regelungslücke jegliche Anhaltspunkte. Auf Anteilsrechte an (unverteilten) agrargemeinschaftlichen Waldgrundstücken im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG 1996, die nicht aus einer Umwandlung von Teilwaldrechten entstanden sind, sind daher die für Gemeindegutsgrundstücke bestehenden Regelungen uneingeschränkt anzuwenden.

365.1. Vor dem Hintergrund der Bestimmung des § 64 Z 5 lit. c TFLG 1996 behaupten die Revisionswerber zudem „hilfsweise“ (Punkt 3.2.), das Verwaltungsgericht weiche von höchstgerichtlicher Rechtsprechung ab (Hinweis auf ), weil es die gegenständlichen, vor der Regulierung bestandenen Dienstbarkeitsrechte nicht als Teilwaldrechte gemäß § 33 Abs. 3 TFLG 1996 qualifiziert habe, obwohl sämtliche Voraussetzungen dafür vorlägen.

375.2. Dazu ist auszuführen, dass die Frage, ob bestimmte Bezugsberechtigungen, die im Zuge eines Regulierungsverfahrens in ideelle Anteilsrechte an agrargemeinschaftlichen Grundstücken umgewandelt wurden, vor deren Regulierung Teilwaldrechte dargestellt haben, einzelfallbezogen zu beantworten ist. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge daher nur dann vor, wenn die diesbezügliche Beurteilung des Verwaltungsgerichtes grob fehlerhaft erfolgt wäre oder zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis führte, was in den Revisionszulässigkeitsgründen substantiiert aufzuzeigen wäre (vgl. zu Einzelfallbeurteilungen etwa , bis 0040, sowie , jeweils mwN).

38Derartiges wird in den Revisionen jedoch nicht dargetan, wird doch die ausdrücklich nur „hilfsweise“ aufgestellte Behauptung der Revisionswerber zum Vorliegen der Voraussetzungen für die Qualifikation der ursprünglichen Bezugsrechte als Teilwaldrechte nicht durch ausreichend substantiiertes Vorbringen gestützt.

395.3. Bei der zuletzt aufgeworfenen Rechtsfrage handelt es sich daher um keine von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG.

406. Zur Entkräftung des Vorbringens der Revisionswerber, das Verwaltungsgericht sei vom Grundsatz lex specialis derogat legi generali abgewichen (Punkt 3.3.), weil es die speziellen für Teilwaldrechte vorgesehenen Regelungen des TFLG 1996 weder unmittelbar noch analog zur Anwendung gebracht habe (Hinweis auf , und ), ist schließlich auf das unter den Punkten 4. und 5. Gesagte zu verweisen.

41Mit Blick auf die Darlegungen unter den Punkten 4. und 5. kann schließlich dahin stehen, ob nicht bereits die ausschließliche Zuordnung der agrargemeinschaftlichen Grundstücke zu § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG 1996 (Gemeindegut) durch die rechtskräftige Feststellung des LAS mit Bescheid vom dem Verständnis entgegensteht, es könne sich bei diesen Grundstücken um solche nach § 33 Abs. 2 lit. d TFLG 1996 (Teilwälder) handeln (vgl. dazu insbesondere = VwSlg. 18.173 A).

427. Insgesamt erweisen sich die Revisionen daher als unbegründet und waren somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

43Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019070079.L00
Schlagworte:
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

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