VwGH vom 17.12.2010, 2008/18/0644
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des N S B in W, geboren am , vertreten durch Dr. Gustav Eckharter, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Museumstraße 5/15, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/2.977/2008, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.
Der Beschwerdeführer sei - eigenen, unbestätigten Angaben zufolge - am unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist und habe am einen Asylantrag gestellt, der mit erstinstanzlichem Bescheid vom unter gleichzeitiger Feststellung, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien zulässig sei, abgewiesen worden sei. Eine dagegen eingebrachte Berufung habe der Beschwerdeführer am zurückgezogen. "Offenbarer Grund" dafür sei gewesen, dass der Beschwerdeführer, der sich am - somit noch während des Asylverfahrens - in W bei der indischen Botschaft einen Reisepass habe ausstellen lassen, am eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und bei der Erstbehörde mit einen von seiner Ehefrau abgeleiteten Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt habe.
Laut Aktenlage sei der Beschwerdeführer am gegen 18.30 Uhr in einem indischen Restaurant in W bei der Schwarzarbeit, konkret beim Reinigen von verschmutztem Geschirr, angetroffen worden. Der Arbeitgeber sei mit Straferkenntnis vom wegen der illegalen Beschäftigung des Beschwerdeführers rechtskräftig gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Geldstrafe in der Höhe von EUR 910,-- bestraft worden.
Aus dem vom Beschwerdeführer gestellten Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung sei ersichtlich, dass er noch während des Asylverfahrens zu einem Zeitpunkt, als er keinen dafür entsprechenden Aufenthaltstitel gehabt habe, zumindest ab Jänner 2005 auf Grund von abgeschlossenen Werkverträgen für drei verschiedene Unternehmen im Bereich Printmedienvertriebs- bzw. Zustellservice tätig gewesen sei.
Die Behörde erster Instanz habe Erhebungen hinsichtlich des Vorliegens einer Aufenthalts- bzw. Scheinehe geführt und schließlich mit Bescheid vom gegen den Beschwerdeführer gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 FPG ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Dieser Bescheid sei von der belangten Behörde mit Bescheid vom behoben und die Angelegenheit an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen worden, weil der vorliegende Sachverhalt in Bezug auf die Frage, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG (gemeint wohl: Z. 9) vorlägen und die Gefährdungsprognose im Sinn des § 87 iVm § 86 Abs. 1 leg. cit. aufrecht erhalten werden könne, mangelhaft geblieben sei.
Obwohl in diesem Bescheid genau aufgeschlüsselt worden sei, welche konkreten Ermittlungsschritte noch zu tätigen seien, habe die Erstbehörde in der Folge das bei ihr anhängige Aufenthaltsverbotsverfahren nicht weitergeführt, sondern den gegenständlich bekämpften Ausweisungsbescheid erlassen.
Weiters sei der Beschwerdeführer mit Straferkenntnis der Erstbehörde (rechtskräftig seit ) wegen des unrechtmäßigen Aufenthaltes bestraft worden.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom sei der Antrag des Beschwerdeführers vom auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "mangels Inlandsantragstellung" und eine dagegen eingebrachte Berufung im Instanzenzug mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom rechtskräftig abgewiesen worden. Einem Antrag, der dagegen eingebrachten Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, sei mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom keine Folge gegeben worden.
Der Beschwerdeführer befinde sich jedenfalls seit der Berufungsrückziehung im asylrechtlichen Verfahren unrechtmäßig im Bundesgebiet, weil er auch über keinen Einreise- bzw. Aufenthaltstitel verfüge. Solcherart seien die Voraussetzungen zur Erlassung der Ausweisung - vorbehaltlich der Bestimmung des § 66 Abs. 1 FPG - im Grunde des § 53 Abs. 1 leg. cit. gegeben.
Der Beschwerdeführer sei nach der Aktenlage nach wie vor mit der österreichischen Staatsbürgerin verheiratet. Weitere familiäre Bindungen zum Bundesgebiet seien nicht geltend gemacht worden. Wenngleich der Verdacht des Vorliegens einer Scheinehe bzw. "Aufenthaltstitel" (gemeint wohl: Aufenthaltsehe) nicht ausgeschlossen werden könne, gehe die belangte Behörde im Zweifel zu Gunsten des Beschwerdeführers davon aus, dass tatsächlich ein gemeinsames Familienleben mit seiner österreichischen Ehefrau bestehe, weil die Ehefrau einer aktuellen ZMR-Anfrage zufolge an derselben Wohnadresse gemeldet sei.
Vor diesem Hintergrund sowie auf Grund seines etwas mehr als fünfjährigen, jedoch seit fast drei Jahren unrechtmäßigen inländischen Aufenthaltes sei von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- bzw. Familien- und Berufsleben des Beschwerdeführers auszugehen. Dieser erweise sich jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens und des Arbeitsmarktes - als dringend geboten. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses Interesse verstoße der nicht bloß kurzfristige unrechtmäßige Weiterverbleib im Bundesgebiet im Anschluss an ein negativ entschiedenes Asylverfahren jedoch gravierend. Dazu komme, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet Schwarzarbeit ausgeübt bzw. eine Erwerbstätigkeit ohne entsprechenden Aufenthaltstitel aufgenommen habe. Unter den gegebenen Umständen sei der Beschwerdeführer rechtens auch nicht in der Lage, seinen Aufenthalt im Bundesgebiet vom Inland aus zu legalisieren.
Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe die belangte Behörde keine Veranlassung gesehen, von der Erlassung der Ausweisung im Grunde des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und/oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Soweit die Beschwerde vorbringt, der Beschwerdeführer habe seinen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung noch während der Geltungsdauer des Fremdengesetzes 1997 - FrG gestellt, daher komme ihm gemäß § 49 Abs. 1 FrG das "unabdingbare Recht der Niederlassungsfreiheit" zu, welches auch nach Inkrafttreten des NAG wegen des Verschlechterungsverbotes nicht untergehen habe können, gleicht der vorliegende Beschwerdefall in den für seine Erledigung wesentlichen Punkten in Ansehung der zu lösenden Rechtsfrage jenem, der dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/18/0167 (siehe dort II. 2.2.), zugrunde lag. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird auf die in diesem Erkenntnis enthaltene Begründung verwiesen.
Der Aufenthalt des Beschwerdeführers war somit - nur darauf kommt es in dem gegenständlichen Ausweisungsverfahren gemäß § 53 FPG an - seit unrechtmäßig. Die umfangreichen Ausführungen in der Beschwerde zum Verfahren auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung sind daher nicht zielführend.
2. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass der Beschwerdeführer am illegal nach Österreich eingereist ist, sein Asylantrag rechtskräftig abgewiesen wurde und er über keine Einreise- bzw. Aufenthaltstitel verfügt. Im Hinblick darauf begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.
3. Unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK bzw. des § 66 FPG bringt die Beschwerde im Wesentlichen vor, der Beschwerdeführer halte sich bereits seit mehr als fünf Jahren im Bundesgebiet auf, sei mehr als drei Jahre mit seiner österreichischen Ehefrau verheiratet und führe "mit ihr einen gemeinsamen Haushalt"; er sei für seine Ehefrau auch unterhaltspflichtig.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit etwas mehr als fünf Jahren sowie seine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin berücksichtigt und ist von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers ausgegangen. Die aus der Dauer seines inländischen Aufenthaltes ableitbare Integration wird in ihrem Gewicht jedoch dadurch entscheidend gemindert, dass sein Aufenthalt zuerst nur auf Grund des von ihm gestellten Asylantrages, der in der Folge abgewiesen wurde, vorläufig erlaubt und seit fast drei Jahren unrechtmäßig war. Im Hinblick darauf kommt auch der Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers keine wesentliche Bedeutung zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0414). Die Beschwerde behauptet auch nicht, dass sich - abgesehen von der Ehefrau - weitere Familienangehörige oder sonstige Verwandte im Bundesgebiet aufhalten. Das Vorbringen, der Beschwerdeführer verfüge wegen der langen Abwesenheit aus seiner Heimat über keine Bindungen mehr zu derselben, widerspricht dem im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltenden Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 VwGG).
Den aus dem Aufenthalt und den dargestellten familiären Bindungen resultierenden Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet steht die erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt, gegenüber. In Anbetracht dieser Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei, keinem Einwand. Dabei kann auch keine Rede davon sein, dass die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid nicht ausreichend begründet habe.
4. Soweit der Beschwerdeführer in seiner Verfahrensrüge eine Verletzung des Rechtes auf Parteiengehör geltend macht, weil ihm die belangte Behörde "erstmals in dem bisherigen Verfahren" die Ausübung einer unerlaubten Erwerbstätigkeit anlaste, ist ihm entgegenzuhalten, dass bereits die Behörde erster Instanz ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat, der Beschwerdeführer gehe einer "nicht angemeldeten Beschäftigung" nach; dies wurde in der Berufung nicht bestritten. Da die Beschwerde auch nicht ausführt, welches Vorbringen und allenfalls welche Beweismittel der Beschwerdeführer bei Einräumung von Parteiengehör unterbreitet hätte, sodass die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, legt sie jedenfalls die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dar.
Weiters rügt der Beschwerdeführer, ihm sei auch zu dem Straferkenntnis vom keine Gelegenheit zu einer Stellungnahme eingeräumt worden; dieses Straferkenntnis sei dem damals bereits ausgewiesenen Rechtsvertreter nicht zugestellt worden, sodass es sich hier um einen "Nichtbescheid" handle, der keine Rechtsfolgen nach sich ziehen könne. Dem ist zu erwidern, dass sich der Beschwerdeführer - wie zu II.1. näher dargelegt - seit beinahe drei Jahren unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Angesichts dessen hat die Beschwerde nicht dargelegt, dass die belangte Behörde bei Einräumung von Parteiengehör zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Im Übrigen hat die belangte Behörde das genannte Straferkenntnis ihren rechtlichen Erwägungen auch nicht zugrunde gelegt.
5. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
6. Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
7. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
ZAAAE-81799