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VwGH vom 16.06.2011, 2008/18/0642

VwGH vom 16.06.2011, 2008/18/0642

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des N D in W, vertreten durch Dr. Christof Dunst, Rechtsanwalt in 1010 Wien,

Rathausstraße 19/Landesgerichtsstraße 20, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom , Zl. E1/12219/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer, einen kosovarischen Staatsangehörigen, gemäß § 86 Abs. 1 iVm § 60 Abs. 1 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei im Juni 2004 illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe in der Folge einen Asylantrag gestellt, der abgewiesen worden sei; unter einem sei u.a. die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Kosovo für zulässig erklärt worden. Der Beschwerdeführer sei auch gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 ausgewiesen worden. Seine dagegen erhobene Berufung habe er am zurückgezogen. Das Asylverfahren des Beschwerdeführers sei somit rechtskräftig negativ beendet.

Am habe der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerin B T. geheiratet und - auf diese Ehe gestützt - einen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck der Familiengemeinschaft mit seiner Ehefrau gestellt; diese Niederlassungsbewilligung sei dem Beschwerdeführer mit Gültigkeit vom bis erteilt worden. Am habe der Beschwerdeführer einen Verlängerungsantrag eingebracht.

B T. sei seit dem , der Beschwerdeführer seit mit Hauptwohnsitz in N. gemeldet. Einem Polizeibericht vom sei jedoch zu entnehmen, dass bei mehreren Erhebungen an dieser Wohnadresse niemand habe angetroffen werden können. Die unmittelbare Nachbarin habe angegeben, B T. wohne seit fünf Jahren in der Wohnung neben ihr und sei mit Sicherheit nicht verheiratet, habe aber seit kurzem einen Freund. Nach der Vorlage eines Lichtbildes des Beschwerdeführers habe die Nachbarin angegeben, diesen Mann noch nie gesehen zu haben und dass er auch nicht der Freund von B T. sei.

Am sei B T. niederschriftlich vernommen worden und habe dabei das Vorliegen einer Aufenthaltsehe verneint. Nach Vorhalt der Aussage ihrer Nachbarin habe sie ausgesagt, M S. sei "seit Mitte Mai ihr Ex-Freund", sie verstünden sich aber noch immer sehr gut. B T. habe weder den Beruf des Beschwerdeführers noch seine Handynummer gewusst.

Bei einer weiteren polizeilichen Erhebung an der ehelichen Wohnanschrift am habe nur B T. angetroffen werden können, die eine Dokumentenmappe mit ihren Papieren, der Heiratsurkunde sowie mit Hochzeitsfotos habe vorweisen können. Bei einer weiteren Hauserhebung am sei gegen 20 Uhr der Beschwerdeführer angetroffen worden. B T. habe sich, laut Aussage des Beschwerdeführers, zu diesem Zeitpunkt auf einer Geburtstagsfeier befunden. Am habe erneut eine Hauserhebung stattgefunden, bei der der Beschwerdeführer, B T. und ein Cousin des Beschwerdeführers angetroffen worden seien.

Am sei der Beschwerdeführer im Beisein einer Dolmetscherin niederschriftlich vernommen worden. Er habe wesentliche Daten seiner Ehefrau nennen können und auch deren Tätowierungen und Piercings gekannt. Die Ehe sei seinen Angaben zufolge nicht vermittelt worden und es habe auch keine finanziellen Zuwendungen gegeben. Es handle sich nach seinen Angaben somit um eine reine Liebesheirat und er führe mit B T. auch einen gemeinsamen Haushalt.

Einem Polizeibericht vom sei zu entnehmen, dass trotz mehrmaliger Versuche an der ehelichen Wohnadresse niemand habe angetroffen werden können. Eine Befragung in der unmittelbaren Nachbarschaft habe ergeben, dass der Beschwerdeführer dort alleine wohne. B T. komme nur fallweise vorbei, um sich Kleidung zu holen, sie wohne dort aber nicht regelmäßig. Bei der Vorlage eines Lichtbildes des Beschwerdeführers habe ihn die Nachbarin eindeutig als Bewohner erkannt.

Am habe B T. beim Arbeitsmarktservice (AMS) angegeben, seit Anfang November 2005 nicht mehr in der ehelichen Wohnung zu leben. Diese Aussage widerspreche jedoch jener vom , wonach B T. angeblich mit dem Beschwerdeführer im gemeinsamen Haushalt lebe und seit der Hochzeit kein eigenes Einkommen habe. Dass der Beschwerdeführer seit beschäftigt sei, habe B T. am nicht gewusst. Am habe B T. bei einer neuerlichen Vernehmung angegeben, sie habe bei ihren Angaben vor dem AMS (am ) gemeint, nicht vom Geld des Beschwerdeführers zu leben. Sie wohne an der gleichen Adresse wie der Beschwerdeführer, sei jedoch viel unterwegs und habe deshalb "von der Polizei" nie angetroffen werden können.

Bei einer Überprüfung am sei an der ehelichen Wohnanschrift nur B T. angetroffen worden; diese habe weder den Namen noch die Adresse der Freundin, bei der sich der Beschwerdeführer aufhalte, noch dessen voraussichtliche Rückkehr nennen können; in der Wohnung hätten sich auch keine Bekleidungsstücke des Beschwerdeführers befunden. Bei weiteren Erhebungsversuchen sei die Tür nicht geöffnet worden.

Am habe der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme das Eingehen einer Aufenthaltsehe bestritten.

Auf Grund des vorliegenden Sachverhalts gehe die belangte Behörde davon aus, der Beschwerdeführer habe die Ehe mit B T. ausschließlich zu dem Zweck geschlossen, um sich einen Aufenthaltstitel bzw. eine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung verschaffen zu können. Die Beweiswürdigung gründe sich insbesondere auf das Ergebnis polizeilicher Erhebungen an der gemeinsamen Wohnadresse sowie auf verschiedene widersprüchliche Angaben von B T. Daraus ergebe sich, dass der Beschwerdeführer und B T. nie ein gemeinsames Familienleben geführt hätten und nie in einem gemeinsamen Haushalt wohnhaft gewesen seien. Die Aussage von B T. vom , wonach sie nicht vom Geld des Beschwerdeführers und das Ehepaar nach wie vor an der angeblich ehelichen Wohnanschrift lebe, sei als unglaubwürdig zu werten, weil sie weder mit deren Aussage vor dem AMS vom noch mit dem Ergebnis der polizeilichen Erhebungen an der ehelichen Wohnadresse in Einklang gebracht werden könne. B T. habe (bei ihrer Befragung am ) auch nicht gewusst, dass der Beschwerdeführer seit Anfang Mai 2006 einer Erwerbstätigkeit nachgehe. Wenn ein Ehepaar in einem gemeinsamen Haushalt lebe, sei davon auszugehen, dass auch bei einer nur spärlichen Kommunikation zwischen den Eheleuten eine neu aufgenommene Erwerbstätigkeit des Ehemannes bei der Partnerin nicht gänzlich unbemerkt bleibe. B T. habe zunächst in der Wohnung ohne den Beschwerdeführer gewohnt und sei Anfang November 2005 ausgezogen, um dem Beschwerdeführer die Wohnung zu überlassen. Darüber könne auch der Umstand nicht hinwegtäuschen, dass die beiden am bei einer Hauserhebung gemeinsam in der Wohnung angetroffen worden seien. Für die belangte Behörde erkläre sich dies dadurch, dass die beiden offenbar durch eine kurz zuvor stattgefundene Hauserhebung sensibilisiert gewesen seien und beschlossen hätten, für den Fall eventuell nachfolgender Kontrollen gemeinsam in der Wohnung anwesend zu sein. Auch einen Widerspruch in den Aussagen der Nachbarn vermöge die belangte Behörde nicht zu erblicken. Abgesehen davon gebe es eine Reihe weiterer Indizien für den Umstand, dass zwischen dem Beschwerdeführer und B T. nie ein gemeinsames Familienleben stattgefunden habe. So habe B T. etwa weder das Alter noch die Namen der Kinder des Beschwerdeführers nennen können, sie habe auch nicht gewusst, welcher Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführer nachgehe oder wie seine Handynummer laute. Dem Antrag des Beschwerdeführers auf Vernehmung der Eltern von B T. werde von der belangten Behörde nicht stattgegeben, weil es für das Vorliegen eines gemeinsamen Familienlebens mit B T. unerheblich sei, ob sich das Naheverhältnis des Beschwerdeführers zu seinen Schwiegereltern gebessert habe.

Auf Grund der angeführten Umstände nehme die belangte Behörde unter Beachtung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung an, dass der Beschwerdeführer mit B T. eine Ehe eingegangen sei, um in den Genuss einer längerfristigen Aufenthaltsberechtigung zu kommen, wobei von vornherein nicht geplant gewesen sei, ein gemeinsames Familienleben im Sinn von Art. 8 EMRK zu führen. Dieses Verhalten rechtfertige die Annahme, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung gefährde und einen evidenten Rechtsmissbrauch darstelle.

Der Beschwerdeführer habe die rechtsmissbräuchliche Aufenthaltsehe im August 2005 geschlossen und auf Grund dieser Ehe einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gestellt. Seither sei er auf Basis dieses Rechtsmissbrauches im Bundesgebiet aufhältig und seit September 2005 durchgehend einer Erwerbstätigkeit nachgegangen. Daher müsse davon ausgegangen werden, dass durch die Verhängung des Aufenthaltsverbotes in sein Privat- und Familienleben eingegriffen werde. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG auch zulässig.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gegen die Annahme der belangten Behörde hinsichtlich des Vorliegens einer Aufenthaltsehe bringt die Beschwerde vor, die belangte Behörde habe keine eigenen Feststellungen getroffen, keine eigenen Schlussfolgerungen gezogen und keine eigenständige Beweiswürdigung vorgenommen.

Damit zeigt die Beschwerde schon deshalb keinen relevanten Verfahrensmangel auf, weil sie nicht ausführt, welche Feststellungen die belangte Behörde im Einzelnen hätte treffen und welche Schlussfolgerungen sie daraus hätte ziehen müssen, auf Grund derer sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Die Beschwerde nennt auch keine konkreten Beweisergebnisse, die die Annahme des Vorliegens einer Aufenthaltsehe in Zweifel ziehen könnten.

Entgegen der Beschwerdeansicht kann auch keine Rede davon sein, dass die belangte Behörde es verabsäumt habe, den angefochtenen Bescheid ausreichend zu begründen. Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ist vielmehr deutlich erkennbar, welchen Sachverhalt die belangte Behörde ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt hat und welche Erwägungen für ihre Beurteilung maßgeblich waren.

Die belangte Behörde legte ihrer Beweiswürdigung insbesondere die Ergebnisse der polizeilichen Erhebungen an der angeblich ehelichen Wohnanschrift zu Grunde. Sie hat nachvollziehbar und plausibel dargelegt, weshalb sie auf Grund der Ergebnisse dieser zahlreichen Erhebungen, bei denen der Beschwerdeführer und B T. nur einmal gemeinsam angetroffen werden konnten und die unmittelbaren Nachbarn angegeben haben, dass die beiden die vermeintliche Wohnung nicht gemeinsam bewohnten, zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der Beschwerdeführer und B T. ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt haben. Die Beschwerde tritt den Ausführungen im angefochtenen Bescheid, wonach B T. zunächst in der Wohnung ohne den Beschwerdeführer gewohnt habe und Anfang November 2005 ausgezogen sei, um dem Beschwerdeführer die Wohnung zu überlassen, nicht entgegen. Darüber hinaus hat die belangte Behörde die Aussagen des Beschwerdeführers und von B T. im Zuge der niederschriftlichen Vernehmungen berücksichtigt. Auch wenn die beiden zum Teil übereinstimmende Aussagen getätigt haben, so hat sich B T. doch auch in nicht unwesentliche Widersprüche verstrickt. Vor dem AMS hat sie beispielsweise divergierende Angaben darüber gemacht, ob sie vom Geld des Beschwerdeführers lebt, und hat nicht gewusst, dass dieser einer Beschäftigung nachgeht. Während sie am noch angegeben hat, seit November 2005 nicht mehr mit dem Beschwerdeführer zusammenzuwohnen, hat sie diese Aussage am widerrufen und angegeben, dass beide nach wie vor in der angeblich ehelichen Wohnung wohnten. Diese Aussagen stimmen jedoch nicht mit den polizeilichen Erhebungen an der vermeintlichen Wohnanschrift überein.

Es ist somit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer eine Aufenthaltsehe eingegangen ist, indem er eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen, aber mit seiner Ehefrau ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat.

Die Beurteilung der belangten Behörde, dass die in § 86 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, ist nicht zu beanstanden. Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass das persönliche Verhalten eines Fremden eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr im Sinne des § 86 Abs. 1 FPG darstellt, wenn er eine Aufenthaltsehe geschlossen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0566, mwN).

Soweit die Beschwerde der belangten Behörde einen an Willkür grenzenden Ermessensmissbrauch vorwirft, kann der Verwaltungsgerichtshof auch diesen Ausführungen nicht folgen, weil keine besonderen Umstände erkennbar sind, die die belangte Behörde hätten veranlassen müssen, von dem ihr eingeräumten Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen.

Auch das weitere Beschwerdevorbringen, dem Beschwerdeführer sei nach der Eheschließung ein Aufenthaltstitel vom bis erteilt worden, die dem Aufenthaltsverbot zu Grunde liegenden Vernehmungen seien jedoch am und am vorgenommen worden, die Angaben des Ehepaares, die letztendlich zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt hätten, seien "der Behörde" somit schon vor der Erteilung des ersten Aufenthaltstitels bekannt gewesen, ist nicht zielführend.

Es steht nur die Erteilung eines Aufenthaltstitels, die in Kenntnis aller in Frage kommenden Versagungsgründe erfolgt ist, der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes entgegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0179). Die belangte Behörde hat sich bei der Erlassung des Aufenthaltsverbotes jedoch nicht nur auf die Aussagen des Ehepaares im Jahr 2005 gestützt, sondern auch auf zahlreiche Erhebungen an der angeblich ehelichen Wohnanschrift in den Jahren 2005 bis 2007 und auf die Aussagen von B T. vom sowie vom . Zum Zeitpunkt der Erteilung des Aufenthaltstitels haben zwar schon Ermittlungen stattgefunden, der Verdacht des Vorliegens einer Aufenthaltsehe konnte damals jedoch noch nicht erhärtet werden. Deshalb wurde in weiterer Folge von der (Niederlassungs)Behörde der Aufenthaltstitel erteilt. Im Sinne der oben zitierten hg. Judikatur steht dies jedoch der mit dem angefochtenen Bescheid erfolgten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht entgegen.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
RAAAE-81793