VwGH vom 13.11.2013, 2013/08/0157
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde der V D in Wien, vertreten durch Mag. Dr. Dirk Just, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Florianigasse 54, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. 2013-0566-9-000859, betreffend Verlust der Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin vom 30. Jänner bis zum gemäß § 10 AlVG keinen Anspruch auf Notstandshilfe habe.
Die Beschwerdeführerin sei letztmalig vom bis zum arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Seit dem stehe sie mit Unterbrechungen im Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Vom bis zum habe sie eine Berufsunfähigkeitspension bezogen. Die Weitergewährung dieser Pension sei versagt worden, weil Arbeitsfähigkeit wieder vorliege.
Am sei ihr von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien (im Folgenden: AMS) der Auftrag erteilt worden, an der Maßnahme "Vorbereitungsmaßnahme bei Jobtransfair" teilzunehmen, weil ihre persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Vermittlung am Arbeitsmarkt nicht ausreichen würden. Bei diesem Termin habe die Beschwerdeführerin ein Einladungsschreiben zum Informationstag - Vorauswahl ausgefolgt erhalten. Mit diesem Schreiben sei ihr im Rahmen eines vom AMS geförderten sozialökonomischen Betriebes ein Traineeprogramm als Vorbereitung auf eine Anstellung als Transitarbeitskraft für 1- 9 Monate bei Jobtransfair (Überlassung an Partnerunternehmen) oder die Vermittlung in eine Anstellung bei einer der Partnerfirmen von Jobtransfair angeboten worden sei.
Die Beschwerdeführerin sei im Zuge der Erstellung eines Betreuungsplanes über die Gründe für die Zuweisung zu der Maßnahme informiert worden. Dabei sei u.a. festgehalten worden, dass sie keine abgeschlossene Berufsausbildung habe, wenig Praxis im Bürobereich aufweise, lange vom Arbeitsmarkt abwesend gewesen sei und Unterstützung bei der Überarbeitung ihrer Bewerbungsunterlagen benötige. Inhaltlich habe die Vorbereitungsphase dazu gedient, die genannten Defizite aufzuarbeiten und zu beseitigen, die Karriere weiter zu planen und neue Perspektiven zu entwickeln. Weiters seien der Beschwerdeführerin Vorschläge zur weiteren Qualifikation unterbreitet worden, um die Chancen am Arbeitsmarkt zu verbessern bzw. eventuelle berufliche Alternativen zu evaluieren. Die lange Jahre unterbliebene Eingliederung in ein Team wäre dadurch ausgeglichen worden. Durch "gecoachte Bewerbungsarbeit" hätten individuelle Lösungsansätze entwickelt werden können. Die Maßnahme sei geeignet, die Vermittlungshindernisse zu beseitigen und die Langzeitarbeitslosigkeit der Beschwerdeführerin zu beenden.
Neben der Aufnahme in ein Transitdienstverhältnis habe die rasche Integration in den regulären Arbeitsmarkt oberste Priorität. In dem genannten Einladungsschreiben sei die Beschwerdeführerin weiters darüber informiert worden, dass der Vorauswahltermin am stattfinde und sie gemäß § 10 iVm § 38 AlVG für mindestens sechs Wochen den Anspruch auf Geldleistungen verliere, wenn sie die Teilnahme an der Maßnahme ohne triftigen Grund verweigere oder den Erfolg durch Kursabbruch vereitle.
Die Beschwerdeführerin sei zwar am zum Maßnahmenbeginn bei Jobtransfair erschienen. Sie sei jedoch beim Aufnahmegespräch von Jobtransfair nicht aufgenommen worden. Zu diesem Nichtantritt befragt habe die Beschwerdeführerin am niederschriftlich angegeben, die zuständige Dame bei Jobtransfair habe gesagt, "dass sie nichts für sie hätte" und dies ihrer Beraterin beim AMS mitteilen würde. "Jobtransfair" habe zum Nichtantritt der Maßnahme dahin Stellung genommen, dass sich die Beschwerdeführerin beim Aufnahmegespräch "wenig kooperativ" gezeigt habe. Sie habe "ihre Daten (z.B. ihre Berufserfahrungen)" nicht preisgeben wollen und zudem unrealistische Gehaltsvorstellungen (EUR 2.000,--) gehabt. Aus diesen Gründen habe Jobtransfair der Beschwerdeführerin eine Absage erteilen müssen.
Dazu habe die Beschwerdeführerin am dahin Stellung genommen, dass die Beraterin von Jobtransfair mit ihr ein Bewerbungsgespräch habe durchführen wollen. Nach Durchsicht aller Bewerbungsunterlagen sowie des ausgefüllten Jobtransfair-Fragebogens sei ihr eröffnet worden, dass derzeit kein Dienstverhältnis möglich sei. Man habe ihr wortwörtlich gesagt:
"Da habe ich aber leider nichts für sie." Die Beraterin habe gemeint, die Beschwerdeführerin solle mit ihrer AMS-Beraterin eine bessere Unterstützung bezüglich geeigneter Kurse besprechen. Als die Beschwerdeführerin habe wissen wollen, wie ihr Kurs bei Jobtransfair aussehen würde, habe man ihr mitgeteilt, dass das AMS der Beschwerdeführerin die Gründe für ihre Nichtaufnahme mitteilen würde.
Die belangte Behörde führte weiters aus:
"Trotz dieser Stellungnahme wurde seitens der regionalen Geschäftsstelle der verfahrensgegenständliche Bescheid erlassen.
Mit nachweislichem Schreiben vom der (belangten Behörde), welches sie am übernommen haben, wurden Sie über die Sach- und Rechtslage informiert und Ihnen die Gelegenheit geboten, diesbezüglich eine Stellungnahme abzugeben. Von dieser Möglichkeit machten Sie jedoch keinen Gebrauch bzw. haben auch sonst nicht in geeigneter Weise Kontakt mit der Berufungsbehörde aufgenommen."
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus:
"Sie haben durch Ihr Verhalten beim Aufnahmegespräch (mangelnde Kooperation, Vorenthalt wichtiger Daten zur Vermittlung und unrealistische, überzogene Gehaltsvorstellungen) Jobtransfair (als potentieller Dienstgeber) davon abgebracht, Sie in die Vorbereitungsmaßnahme (und damit auch in das nachfolgende Transitdienstverhältnis) aufzunehmen.
Der Ausschuss für Leistungsangelegenheiten kam zu dem Schluss, dass Sie durch ihr Verhalten beim Aufnahmegespräch den Erfolg der Maßnahme, die unmittelbar in ein Beschäftigungsverhältnis geführt hätte, und über deren Notwendigkeit Sie informiert waren, auch über die Rechtsfolgen, den Erfolg der Maßnahme und somit die rasche Integration in den Arbeitsmarkt vereitelt haben."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
1.1. Die Beschwerde führt aus, es stehe nicht im freien Belieben des AMS, Arbeitslosen entweder eine Arbeitsstelle zu vermitteln oder sie einer Nach- oder Umschulung oder einer Wiedereingliederungsmaßnahme zuzuweisen. Die belangte Behörde habe nicht aufzuzeigen vermocht, inwieweit die von ihr angeführte Wiedereingliederungsmaßnahme notwendig oder nützlich gewesen wäre.
1.2. Zu diesem Vorbringen ist darauf zu verweisen, dass die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Vorschreibung der Maßnahme durch das AMS bereits jahrelang im Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung stand. Mit der Maßnahme sollte insbesondere eine Beschäftigung in einem Transitarbeitsverhältnis vorbereitet bzw. ermöglicht werden. Daher musste für die Beschwerdeführerin iSd § 9 Abs. 8 AlVG offenkundig sein, dass sich die Wahrscheinlichkeit, zunächst einen Transitarbeitsplatz und über diesen sodann auch eine Beschäftigung am "ersten Arbeitsmarkt" zu erlangen, mit dieser Maßnahme zur Wiedereingliederung erhöhen würde. Gegen die Zuweisung der gegenständlichen Maßnahme an die Beschwerdeführerin bestehen daher keine Bedenken (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/08/0273, und vom , Zl. 2011/08/0389, mwN).
2.1. Zur behaupteten Mangelhaftigkeit des Verfahrens zeigt die Beschwerde auf, dass die Beschwerdeführerin das von der belangten Behörde festgestellte "unkooperative" Verhalten stets bestritten habe. Die belangte Behörde stütze sich zwar auf eine Stellungnahme von Jobtransfair, allerdings sei nicht bekannt, wer diese Stellungnahme abgegeben habe. Die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, die zuständige Mitarbeiterin von Jobtransfair, B. W., einzuvernehmen, da nur die Beschwerdeführerin und diese Zeugin über den Inhalt ihres Gespräches hätten Auskunft geben können.
2.2. Abgesehen davon, dass die Feststellungen der belangten Behörde über das Verhalten der Beschwerdeführerin beim Antritt der Maßnahme nicht hinreichend konkretisiert sind ("Verhalten beim Aufnahmegespräch", "mangelnde Kooperation, Vorenthalt wichtiger Daten zur Vermittlung und unrealistische, überzogene Gehaltsvorstellungen"), hat die Beschwerdeführerin - auch der Begründung des angefochtenen Bescheides zufolge - diese unsubstantiierten Vorwürfe stets bestritten. Bei derart widersprechenden Behauptungen durfte die Behörde ihr Ermittlungsverfahren nicht lediglich auf die Einholung einer "Stellungnahme von Jobtransfair" beschränken und diese in der oben wiedergegebenen, unkonkretisierten Form und noch dazu ohne beweiswürdigenden Überlegungen ihren Feststellungen mit dem Argument zu Grunde legen, die Beschwerdeführerin sei auch im Berufungsverfahren zu einer Stellungnahme aufgefordert worden und habe keine solche abgegeben. Die belangte Behörde wäre vielmehr verpflichtet gewesen, die beim Aufnahmegespräch von Jobtransfair beteiligte Mitarbeiterin (nach Angaben der Beschwerde: B. W.) als Zeugin niederschriftlich einzuvernehmen und der Beschwerdeführerin zu den Ergebnissen rechtliches Gehör einräumen bzw. diese ebenfalls als Partei vernehmen müssen, um nach entsprechender Würdigung aller Beweisergebnisse hinreichend konkrete Feststellungen zu den der Beschwerdeführerin vorgeworfenen vereitelnden Verhaltensweisen bzw. Äußerungen treffen zu können. Die Behörde darf sich nur in Fällen, die nicht weiter strittig sind, mit einer formlosen Befragung als Beweismittel begnügen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/08/0203, mwN).
3. Der angefochtene Bescheid war wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.
4. Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das auf Ersatz der Eingabengebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG gerichtete Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Beschwerdeführerin im Rahmen der Verfahrenshilfe von deren Entrichtung befreit worden ist.
Wien, am