VwGH vom 15.12.2011, 2010/21/0496
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des H, vertreten durch Dr. Josef Habersack, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Roseggerkai 5/III, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom , Zl. FA7C-2-9.D/3791-2009, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, vom auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 44 Abs. 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG ab.
Begründend führte sie aus, der Beschwerdeführer sei am (nach der Aktenlage richtig: 2002) illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe am Tag darauf einen Asylantrag gestellt. Dieser sei vom Asylgerichtshof (mit Erkenntnis vom ) "am rechtskräftig negativ entschieden" worden.
Der Antrag gemäß § 44 Abs. 4 NAG sei damit begründet worden, dass der Beschwerdeführer gute Freunde und Bekannte in Österreich habe und bei einem Bekannten in dessen Grazer Imbisslokal arbeiten könne, wenn er eine "Aufenthaltsbewilligung" erhalte. Er habe sich nach seiner Flucht in Österreich "niemals rechtswidrig verhalten", habe einen Deutschkurs absolviert und den Führerschein B erworben. Auf Grund der langen Aufenthaltsdauer habe er ein soziales Umfeld aufgebaut. Sein ältester Bruder "und Gattin mit vier Kindern" besäßen die österreichische Staatsbürgerschaft. In der Türkei habe er zu niemandem Kontakt. Mit Stellungnahme vom habe der Beschwerdeführer eine (mit "" datierte) "Zusicherungsbestätigung" eines Grazer Transportunternehmers vorgelegt. (Darin erklärte dieser, den Beschwerdeführer "ab Erteilung einer Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt bzw. ab Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem AuslBG im Falle der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung - beschränkt" gegen ein Bruttogehalt von EUR 1.062,--, nach Abzug der Sozialversicherung netto EUR 900,--, als Zusteller beschäftigen zu wollen.)
In ihrer rechtlichen Beurteilung räumte die belangte Behörde zunächst ein, dass die von § 44 Abs. 4 NAG geforderten Aufenthaltszeiten im Bundesgebiet beim Beschwerdeführer vorlägen. Allerdings zeige sich insbesondere im Hinblick auf seine wirtschaftliche Situation (fehlende Selbsterhaltungsfähigkeit) kein Bild einer entsprechenden allumfassenden Integration. Der Beschwerdeführer sei während seines langen Aufenthaltes in Österreich niemals erwerbstätig gewesen. Ein Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung sei im April 2003 abgelehnt worden. Darauf hätten Zeiten in der Grundversorgung für Asylwerber gefolgt. Auch sei der Beschwerdeführer trotz der Länge seines Aufenthaltes in Österreich nicht in der Lage gewesen, "ein entsprechendes positives Deutschzeugnis auf A2 Niveau nachzuweisen"; vorgelegt habe er lediglich eine Bestätigung über einen Kursbesuch (vom ).
Zwar lebten - so argumentierte belangte Behörde weiter - drei Brüder des Beschwerdeführers im Bundesgebiet. Davon verfügte allerdings nur ein Bruder (und seine Familie) über die österreichische Staatsbürgerschaft. Die beiden weiteren Brüder hielten sich rechtswidrig in Österreich auf und hätten Anträge auf Erteilung von humanitären Aufenthaltstiteln gestellt. Ihr Aufenthaltsstatus sei daher unsicher. Der Beschwerdeführer habe keine Kernfamilie im Bundesgebiet. In einer Gesamtbetrachtung zeige sich somit, dass weder Selbsterhaltungsfähigkeit vorliege noch von einer besonderen Berücksichtigungswürdigkeit des vorliegenden Falles ausgegangen werden könne.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Die belangte Behörde hat den Antrag abgewiesen, weil sie die Voraussetzungen für das Vorliegen eines besonders berücksichtigungswürdigen Falles iSd § 44 Abs. 4 erster Satz NAG (in der hier maßgeblichen Fassung vor dem FrÄG 2011) verneint hat.
Damit ist sie im Ergebnis im Recht:
Von den Kriterien, die § 44 Abs. 4 NAG für die Beurteilung des Grades der Integration nennt (nämlich Selbsterhaltungsfähigkeit, schulische und berufliche Ausbildung, Beschäftigung und Deutschkenntnisse), kann der Beschwerdeführer lediglich auf den bereits erfolgten Erwerb gewisser Kenntnisse der deutschen Sprache und eine "Zusicherungsbestätigung" verweisen. Der Beschwerdeführer hat aber keine Kernfamilie im Bundesgebiet, hat hier keine schulische oder berufliche Ausbildung genossen und ist bisher keiner Beschäftigung nachgegangen. Auch in der vorliegenden Beschwerde räumt er ein, während der gesamten Dauer seines Aufenthaltes in Österreich von der Grundversorgung sowie (nach deren Beendigung) von Unterstützungen durch einen seiner Brüder gelebt zu haben.
Daraus, dass er über keine Arbeitserlaubnis verfügte, ist für ihn im gegebenen Zusammenhang nichts zu gewinnen, weil § 44 Abs. 4 NAG auf eine - rechtlich nicht unmögliche - (bisherige) Berufstätigkeit abstellt (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0270).
Auch soweit der Beschwerdeführer darauf hinweist, dass er aus den in seinem Asylverfahren geschilderten Gründen nicht in die Türkei zurückkehren könne, ist dies für die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach § 44 Abs. 4 NAG, deren zentrales Kriterium der erreichte Grad der Integration in Österreich ist, nicht relevant (vgl. zum Ganzen weiters etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/22/0114, mwN).
Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, derzeit (während des anhängigen Beschwerdeverfahrens) einen Deutschkurs auf Basis Modul A2 zu absolvieren, wobei er "unmittelbar nach Erhalt des diesbezüglichen Zeugnisses dieses übermitteln" werde, ist hierauf schon als unzulässige Neuerung nicht inhaltlich einzugehen. Darüber hinaus ist kein tauglicher Grund ersichtlich, der den seit in Österreich aufhältigen und nicht berufstätigen Beschwerdeführer davon abgehalten hätte, zu einem früheren Zeitpunkt einen entsprechenden Kurs zu absolvieren.
Die in der Beschwerde angeführte Dauer des Aufenthalts, die Unbescholtenheit, verschiedene soziale Kontakte in Österreich und die Beziehung zu den in Österreich aufhältigen Brüdern können für sich genommen keinen solchen Integrationsgrad begründen, dass von einem "besonders berücksichtigungswürdigen Fall" zu sprechen wäre.
Schließlich rügt die Beschwerde als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften das Unterbleiben einer Befragung des Beschwerdeführers sowie seines in Aussicht genommenen Dienstgebers zu den Umständen der am abgegebenen "Zusicherungsbestätigung", weiters einer Einvernahme der erwähnten, in Österreich aufhältigen Brüder und einer "Beiziehung" des Asylaktes. Insoweit wird jedoch - zumal unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen - nicht konkret dargelegt, welche für den Verfahrensausgang relevanten Feststellungen aus den dargestellten weiteren Beweisaufnahmen hätten getroffen werden können.
Da somit eine Rechtsverletzung schon mangels ausreichender Integration des Beschwerdeführers nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
TAAAE-81775