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VwGH vom 15.12.2011, 2008/18/0629

VwGH vom 15.12.2011, 2008/18/0629

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde der JH (vormals N) in W, vertreten durch Mag. Dr. Ralf Heinrich Höfler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Türkenstraße 25/11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/4.426/2007, betreffend Ausweisung gemäß § 54 FPG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerdeführerin, eine serbische Staatsangehörige, gemäß § 54 Abs. 1 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet aus.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin sei im Jahr 2003 von Deutschland, wo sie über einen Aufenthaltstitel verfügt habe, nach Österreich gekommen. Wegen der österreichischen Staatsbürgerschaft ihres Großvaters sei ihr auch hier ein Aufenthaltstitel erteilt und zuletzt bis verlängert worden. Im daraufhin folgenden Verfahren über den gegenständlichen Verlängerungsantrag habe die Niederlassungsbehörde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin über keinerlei Unterhaltsmittel verfüge, weil die Pension ihres Großvaters lediglich EUR 477,-- betrage.

Während des Berufungsverfahrens habe die Beschwerdeführerin am einen österreichischen Staatsbürger geheiratet, der lediglich EUR 935,44 verdiene und somit nicht annähernd den geforderten Richtsatz gemäß § 293 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz - ASVG in der Höhe von EUR 1.120,-- erreiche. Es sei daher auch weiterhin der in § 11 Abs. 2 Z. 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG normierte Sachverhalt verwirklicht, der der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels entgegenstehe, weshalb die Voraussetzungen zur Erlassung der Ausweisung vorlägen.

Des Weiteren legte die belangte Behörde dar, weshalb der Erlassung der gegenständlichen Ausweisung auch § 66 FPG nicht entgegenstehe.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Da sich die Beschwerdeführerin unstrittig während eines Verlängerungsverfahrens im Bundesgebiet aufhält, kann sie gemäß § 54 Abs. 1 Z. 2 FPG mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht.

Gemäß § 11 Abs. 2 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn u.a. (Z. 4) der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Nach § 11 Abs. 5 NAG ist dies dann der Fall, wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 ASVG, BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z. 3 NAG) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten dessen pfändungsfreies Existenzminimum gemäß § 291a Exekutionsordnung - EO, RGBl. Nr. 79/1896, nicht zu berücksichtigen.

2.1. Die Beschwerde richtet sich (u.a.) gegen die Beurteilung der belangten Behörde, es lägen keine ausreichenden Unterhaltsmittel vor, habe sie doch übersehen, dass für deren Berechnung die Sonderzahlungen aliquot zu berücksichtigen seien.

2.2. Die Beschwerdeführerin brachte im Berufungsverfahren ergänzend vor, einen österreichischen Staatsbürger geheiratet zu haben, der rund EUR 1.000,-- monatlich verdiene, weshalb davon auszugehen sei, dass für den Unterhalt der Beschwerdeführerin nunmehr gesorgt sei. Dazu legte sie die letzten beiden Lohnabrechnungen ihres Ehemannes vor, aus denen sich für November 2007 ein Auszahlungsbetrag von EUR 1.749,02 ergibt, der sich aus Monatslohn, Urlaubszuschuss und Weihnachtsremuneration zusammensetzt. Für Dezember 2007 wird ein Nettomonatslohn von EUR 935,44 ausgewiesen.

Zwar stellte die belangte Behörde zutreffend auf den "Haushaltsrichtsatz" gemäß § 293 Abs. 1 lit. a sublit. aa ASVG idF BGBl. I Nr. 102/2007 in der Höhe von EUR 1.120,-- ab, doch berücksichtigte sie dafür lediglich ein Monatseinkommen von EUR 935,44 netto, ohne auszuführen, wie sie auf diesen Betrag gekommen. Zutreffend macht die Beschwerdeführerin eine Bedachtnahme auf die aliquoten Sonderzahlungen geltend (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0711), was auch angesichts der von der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren vorgelegten Urkunden erforderlich gewesen wäre, weil diese die zusätzliche Auszahlung von zumindest einer Weihnachtsremuneration darlegen. Die im angefochtenen Beschluss enthaltene Konstatierung eines Nettoverdienstes von EUR 935,44 ist nicht ausreichend konkret, um beurteilen zu können, ob damit der "Haushaltsrichtsatz" gemäß § 293 Abs. 1 lit. a sublit. aa ASVG erreicht wird, weil sich daraus noch nicht ergibt, ob die Sonderzahlungen berücksichtigt wurden. Im Hinblick auf die möglicherweise unterschiedliche abgabenrechtliche Belastung von Sonderzahlungen und Monatslohn (vgl. etwa § 67 Abs. 1 Einkommensteuergesetz 1988 und § 54 Abs. 2 ASVG) kann derzeit auch nicht beurteilt werden, ob - wie der Beschwerdeführer vorbringt - eine nur geringfügige Unterschreitung des Richtsatzes vorliegt und bei der Interessenabwägung besonderer Berücksichtigung bedarf (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0002).

Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne dass auf das sonstige Beschwerdevorbringen hätte eingegangen werden müssen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
YAAAE-81769