VwGH vom 14.09.2021, Ra 2019/06/0145
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie Hofrätin Mag.a Merl und Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, BA, über die Revision des Dkfm. Ing. R C in O, vertreten durch die Berger Daichendt Grobovschek Perfeller Rechtsanwälte OG in 5020 Salzburg, Sterneckstraße 55, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom , 405-2/124/1/30-2019, betreffend Zurückweisung eines Antrages nach § 40 Salzburger Landesstraßengesetz 1972 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevertretung der Gemeinde Viehhofen; weitere Partei: Salzburger Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Gemeinde Viehhofen hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1Zur Vorgeschichte dieses Falles wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2006/06/0107, verwiesen.
2Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg (LVwG) wurde eine Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid der Gemeindevertretung der Gemeinde Viehhofen (belangte Behörde) vom mit der Maßgabe abgewiesen, dass der (verfahrenseinleitende) Antrag des Revisionswerbers vom auf Feststellung, dass der Ausschluss des öffentlichen Verkehrs auf der St.-straße, dem L.-weg, dem S.-weg sowie auf der über die Grundparzelle X, KG V., führenden Wegparzelle gemäß § 40 Salzburger Landesstraßengesetz 1972 (LStG) unzulässig sei, aufgrund mangelnder Antragslegitimation zurückgewiesen werde.
3Ferner erklärte das LVwG die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für nicht zulässig.
4Im Wesentlichen hielt das LVwG fest, der Revisionswerber sei Eigentümer näher genannter wald- und landwirtschaftlicher Grundstücke, die über die St.-straße, den S.-weg und über die Wegparzelle X erschlossen würden. Vor dem Hintergrund, dass der Revisionswerber beabsichtige, auf seinen Grundstücken Bodenproben vorzunehmen und dies ebenso wie der Abtransport des gewonnenen Materials die Zufahrt entsprechender Fahrzeuge bedinge, habe er einen Antrag auf Feststellung, dass der Ausschluss des öffentlichen Verkehrs auf der St.-straße, dem L.-weg, dem S.-weg und dem über die Grundparzelle X verlaufenden Straßenstück unzulässig sei, weil es sich bei diesem Straßenverlauf um eine Privatstraße gemäß § 40 LStG handle, gestellt.
5Die St.-straße, der L.-weg, der S.-weg sowie die Wegparzelle X befänden sich im Privateigentum mehrerer Grundeigentümer und bildeten zusammen eine Bringungsanlage im Sinne des Salzburger Güter- und Seilwegegesetzes 1970 (GSG). Als Mitglied der Bringungsgemeinschaft St. sei der Revisionswerber berechtigt, die Bringungsanlage zu land- und forstwirtschaftlichen Zwecken zu nutzen.
6In diesem Zusammenhang führte das LVwG ferner aus, mit Bescheid der Agrarbehörde vom im Zusammenhalt mit den agrarbehördlichen Bescheiden vom und vom sei - unter anderem - zugunsten der Liegenschaften des Revisionswerbers ein zeitlich unbeschränktes land- und forstwirtschaftliches Bringungsrecht an näher angeführten Liegenschaften eingeräumt worden. Im Bescheid vom sei überdies festgehalten worden, dass das Bringungsrecht darin bestehe, den bestehenden St.-weg zu erhalten, zu verwalten und zu benützen und die Benützung in einem Geh-, Fahrt- und Viehtriebsrecht bestehe.
7Der Revisionswerber benütze die antragsgegenständlichen Wegparzellen, wenn er zu land- und forstwirtschaftlichen Zwecken zu seinen Liegenschaften zufahre, ebenso (unter Verweis auf ein in der am vor der belangten Behörde abgehaltenen mündlichen Verhandlung erstattetes Vorbringen des Vertreters des Revisionswerbers) wenn er seine Liegenschaften zu Erholungszwecken und als Ausgangspunkt für Wanderungen aufsuche. Darüber hinaus wolle der Revisionswerber künftig auch Bodenproben von seinem Grundstück entnehmen. Eine darüberhinausgehende faktische Nutzung habe nicht festgestellt werden können.
8In seinen rechtlichen Erwägungen hielt das LVwG fest, in § 40 Abs. 2 LStG werde abschließend geregelt, wem die Berechtigung zukomme, einen Antrag auf Feststellung über Zulässigkeit und Umfang der Ausschließung des öffentlichen Verkehrs auf einer Privatstraße gemäß § 40 Abs. 1 LStG zu stellen. Im konkreten Fall stütze der Revisionswerber seine Antragslegitimation auf § 40 Abs. 2 Z 3 LStG. Bei den (oben genannten) Grundstücken des Revisionswerbers handle es sich um Wälder bzw. landwirtschaftlich genutzte Grundflächen. Unbestritten verfüge der Revisionswerber als Mitglied der Bringungsgemeinschaft St. über ein bescheidmäßig eingeräumtes Bringungsrecht, welches ihn berechtige, die St.-straße, den L.-weg, den S.-weg und das über das Grundstück X führende Wegstück zu land- und forstwirtschaftlichen Zwecken zu benützen. Demnach seien Nutzungen im Zusammenhang mit der Land- und Forstwirtschaft vom eingeräumten Bringungsrecht gedeckt.
9Im Erkenntnis vom , 2001/07/0009, habe der Verwaltungsgerichtshof die vom Revisionswerber beabsichtigte Benutzung der verfahrensgegenständlichen Wegstücke zum Zweck des An- und Abtransportes einer Bohrmaschine sowie zum Abtransport von oberflächennahem Gestein auf Basis des GSG beurteilt und ausgeführt, dass land- und forstwirtschaftliche Bringungsrechte ausschließlich dem Interesse an der Erhaltung und Stärkung einer leistungsfähigen Landwirtschaft dienten und landwirtschaftsfremden Interessen nicht dienstbar gemacht werden dürften. Die Zielsetzung des GSG bestehe allein in der Förderung der Land- und Forstwirtschaft. Da die vom Revisionswerber beabsichtigten Vorbereitungshandlungen zum Abbau der eigenen Bodensubstanz von dem vom Revisionswerber betriebenen Unternehmen geplant und durchgeführt werden sollten, somit kein Zusammenhang zur Land- und Forstwirtschaft bestehe, sei eine Benutzung der Bringungsanlage zu diesem Zweck nicht vom eingeräumten Bringungsrecht umfasst.
10In weiterer Folge habe der Revisionswerber den verfahrensgegenständlichen Antrag vom (Anmerkung: richtig ) nach dem LStG gestellt. Nach dem im ersten Rechtsgang erlassenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2006/06/0107, komme dem Umstand, dass eine Benützung der Straße auf Grund besonderer Rechtstitel (hier: eines Bringungsrechtes) des Privatrechtes oder des öffentlichen Rechtes erfolge, für die Frage, ob ein dringendes Verkehrsbedürfnis vorliege, keine Bedeutung zu. Dies bedeute, dass der Revisionswerber, soweit er die verfahrensgegenständliche Privatstraße im Umfang seines Bringungsrechtes, somit zu land- und forstwirtschaftlichen Zwecken nutze, kein dringendes Verkehrsbedürfnis gemäß § 40 Abs. 2 Z 3 LStG geltend machen könne. Maßgeblich für die Antragslegitimation gemäß § 40 Abs. 2 Z 3 LStG sei vielmehr, ob der Revisionswerber die Privatstraße auch noch zu anderen als zu land- und forstwirtschaftlichen Zwecken nutze. Entsprechend den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes im zitierten Erkenntnis 2006/06/0107 sei daher zu erheben gewesen, ob durch den Revisionswerber eine „weitergehende Benützung faktisch erfolgt“. Insoweit der Revisionswerber in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen habe, die Straßenanlage nicht ausschließlich zu land- und forstwirtschaftlichen Zwecken zu benutzen, sondern auch dann, wenn er seine Liegenschaften zu Erholungszwecken aufsuche bzw. um wandern zu gehen, könne im Lichte des oben angeführten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom kein Widerspruch zu den Zielsetzungen des GSG erkannt werden. In Anbetracht dessen, dass der Beschwerdeführer die Bringungsanlage vorwiegend zur Ausübung seiner Land- und Forstwirtschaft benutze, sein Bringungsrecht somit entsprechend den Vorgaben des GSG ausübe, seien auch Fahrten, die letztlich Erholungszwecken dienten, vom Bringungsrecht gedeckt.
11Der Verwaltungsgerichtshof habe überdies klargestellt, dass im Hinblick auf die Kriterien des § 40 Abs. 2 Z 3 LStG eine tatsächliche Benützung von Bedeutung sei. Im konkreten Fall habe der Revisionswerber sein dringendes Verkehrsbedürfnis an der Wegbenützung mit den von ihm zukünftig beabsichtigten Probebohrungen begründet. Im Verfahren hätten sich keine Anhaltspunkte ergeben, dass gegenwärtig ein nicht durch das Bringungsrecht gedecktes dringendes Verkehrsbedürfnis bestehe. Die Antragslegitimation gemäß § 40 Abs. 2 Z 3 LStG setze aber voraus, dass das dringende Verkehrsbedürfnis bereits vorhanden sei. Für Konstellationen, die auf die Befriedigung eines zukünftigen Verkehrsbedürfnis gerichtet seien, biete § 40 Abs. 2 Z 3 LStG demgegenüber keine Rechtsgrundlage zur Antragstellung. Diese Auslegung erschließe sich nicht zuletzt aus dem Wortlaut der Bestimmung, wonach der Antrag nur von einer die Privatstraße benutzenden (Hervorhebung im Original) Person - die Benutzung müsse also bereits tatsächlich erfolgen - gestellt werden könne. Inwieweit das dringende Verkehrsbedürfnis der sonstigen Nutzer des verfahrensgegenständlichen Straßenverlaufes rechtlich Deckung finde, sei für die Frage der Antragslegitimation des Revisionswerbers irrelevant.
12In Anbetracht dieses Verfahrensergebnisses habe die belangte Behörde den Antrag des Revisionswerbers zu Unrecht einer inhaltlichen Erledigung zugeführt. Dementsprechend sei der Spruch des angefochtenen Bescheides zu ändern, im Übrigen die Beschwerde spruchgemäß abzuweisen gewesen.
13Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts.
14Die belangte Behörde beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung die kostenpflichtige Zurückweisung, in eventu Abweisung der Revision.
15Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
16§ 40 Salzburger Landesstraßengesetz 1972 lautet:
„Von den dem öffentlichen Verkehr dienenden Privatstraßen
§ 40
(1) Eine Privatstraße dient dann dem öffentlichen Verkehr, wenn sie nicht durch äußere Kennzeichen (Abschrankungen, ausdrückliches Benützungsverbot usw.) diesen Verkehr ausschließt. Eine solche Ausschließung darf soweit nicht erfolgen, als
a)die Privatstraße durch den Grundeigentümer für den allgemeinen Verkehr dauernd gewidmet wurde,
b)die Privatstraße in zumindest zwanzigjähriger Übung auf Grund eines dringenden Verkehrsbedürfnisses allgemein und ungehindert benutzt wurde.
(2) Über die Zulässigkeit und den Umfang der Ausschließung des öffentlichen Verkehrs entscheidet auf Antrag oder von Amts wegen die Straßenrechtsbehörde nach einer mündlichen Verhandlung, die durch zweiwöchigen Anschlag an der Amtstafel bekannt zu machen ist. Ein solcher Antrag kann gestellt werden:
1.vom Eigentümer der Privatstraße;
2.vom Straßenerhalter, wenn dieser nicht der Eigentümer der Straße ist;
3.von jeder die Privatstraße auf Grund eines dringenden Verkehrsbedürfnisses benutzenden Person und
4.von der Agrarbehörde, wenn es sich bei der Straße um eine Bringungsanlage nach § 3 des Salzburger Güter- und Seilwegegesetzes 1970 handelt.
Partei im Verfahren ist außer dem Antragsteller der Eigentümer der Privatstraße und der Straßenerhalter sowie die Agrarbehörde, wenn es sich bei der Straße um eine Bringungsanlage nach § 3 des Salzburger Güter- und Seilwegegesetzes 1970 handelt.
(...)“
17Vorauszuschicken ist, dass aufgrund der Entscheidung des LVwG die hier maßgebliche Frage jene der Antragslegitimation des Revisionswerbers (gemäß § 40 Abs. 2 Z 3 LStG) und nicht die Beurteilung einer Feststellung ist, ob gegebenenfalls gemäß § 40 Abs. 1 LStG der öffentliche Verkehr auf den in Rede stehenden Privatstraßen ausgeschlossen werden darf.
18Die Revision erweist sich aufgrund des Vorbringens, mit dem sie sich gegen die Rechtsansicht des LVwG, die (vom Revisionswerber im Verfahren ebenso geltend gemachte) Nutzung der Straßen, um seine Liegenschaften zu Erholungszwecken aufzusuchen bzw. um wandern zu gehen, sei vom erwähnten Bringungsrecht gedeckt, wendet, als zulässig und berechtigt.
19Nach den im angefochtenen Erkenntnis getroffenen Feststellungen sei mit agrarbehördlichen Bescheiden (unter anderem) zugunsten der Liegenschaften des Revisionswerbers ein zeitlich unbeschränktes land- und forstwirtschaftliches Bringungsrecht an näher angeführten Liegenschaften eingeräumt worden. Hinsichtlich des St.-weg bestehe das Bringungsrecht darin, diesen Weg zu erhalten, zu verwalten und zu benützen, wobei die Benützung in einem Geh-, Fahrt- und Viehtriebsrecht bestehe.
20Auf dem Boden dieser Feststellungen ist jedoch davon auszugehen, dass die Mitgliedschaft an einer Bringungsgemeinschaft und die damit verbundene Berechtigung der Benützung der Bringungsanlage inhaltlich darauf beschränkt ist, die Bringungsanlage zu land- und forstwirtschaftlichen Zwecken zu benutzen. Die Einbeziehung als berechtigtes Grundstück vermittelt lediglich das Recht der Bringung der für die landwirtschaftliche Bewirtschaftung erforderlichen Personen oder Sachen und der gewonnenen Erzeugnisse; die Nutzung der Bringungsanlage z.B. zu touristischen Zwecken entspricht hingegen nicht dem Gesetz (vgl. und 0015, zum Tiroler GSLG) und Zufahrten zu Erholungszwecken sind vom Bringungsrecht nicht gedeckt (vgl. , zum Salzburger GSG).
21Es war daher rechtswidrig, bereits aus diesem Grund dem Revisionswerber eine Antragslegitimation gemäß § 40 Abs. 2 Z 3 LStG abzusprechen. Ohne Feststellung, dass die vom LVwG zugestandene faktische Benutzung nicht aufgrund eines dringenden Verkehrsbedürfnisses erfolgt sei, durfte das LVwG nämlich die Antragslegitimation des Revisionswerbers nicht verneinen.
22Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
23Hingegen zeigt die Revision hinsichtlich der Argumentation des LVwG, erst zukünftig beabsichtigte Probebohrungen zeigten kein dringendes Verkehrsbedürfnis des Revisionswerbers an der Wegbenützung im Sinne des § 40 Abs. 2 Z 3 LStG, keine Rechtswidrigkeit auf (vgl. den Wortlaut der genannten Bestimmung: „von jeder die Privatstraße ... benutzenden Person“, sowie ). Der hier maßgebliche § 40 Abs. 2 Z 3 LStG stellt auf die Benutzung der Privatstraße durch den potentiellen Antragsteller ab. § 40 LStG verfolgt aber nicht den Zweck, die rechtlichen Voraussetzungen für eine erst zukünftige, bisher jedoch rechtlich unzulässige Benützung einer Privatstraße zu schaffen (vgl. in diesem Zusammenhang auch § 40 Abs. 1 lit. b LStG, der auf eine allgemeine und ungehinderte Benutzung in zumindest zwanzigjähriger Übung abstellt).
24Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019060145.L00 |
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