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VwGH vom 26.01.2012, 2010/21/0484

VwGH vom 26.01.2012, 2010/21/0484

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des G in I, vertreten durch MMag. Salih Sunar, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Salurnerstraße 14/1. Stock, gegen den Bescheid der Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Innsbruck vom , Zl. AufG-41772-1, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein georgischer Staatsangehöriger, gelangte am nach Österreich und brachte in der Folge einen Asylantrag ein, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom abgewiesen wurde. Unter einem wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Georgien für zulässig erklärt. Dieser Bescheid ist infolge Zurückziehung der dagegen erhobenen Berufung in der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof am in Rechtskraft erwachsen. Während des Asylverfahrens verfügte der Beschwerdeführer über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung.

Am stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" gemäß § 44 Abs. 4 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) idF BGBl. I Nr. 122/2009, der mit dem angefochtenen, im Namen des Landeshauptmannes von Tirol erlassenen Bescheid der Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Innsbruck (der belangten Behörde) vom unter Bezugnahme auf § 44 Abs. 4 iVm § 11 Abs. 2 NAG abgewiesen wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Vorauszuschicken ist zunächst, dass die vorliegende Beschwerde unter dem Gesichtspunkt der Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges zulässig ist, weil nach § 3 Abs. 2 zweiter Satz NAG gegen Entscheidungen über Anträge auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" gemäß § 44 Abs. 4 NAG eine Berufung nicht zulässig ist.

Die zuletzt erwähnte Bestimmung und § 11 NAG lauten in der hier maßgeblichen Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 122/2009 (auszugsweise):

"Niederlassungsbewilligung - beschränkt

§ 44.

(4) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß § 11 Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine quotenfreie 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' erteilt werden, wenn

1. der Drittstaatsangehörige nachweislich seit dem durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist und

2. mindestens die Hälfte des Zeitraumes des festgestellten durchgängigen Aufenthalts im Bundesgebiet rechtmäßig gewesen ist.

Die Behörde hat dabei den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der Deutschen Sprache, zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 2 bis 4 kann auch durch Vorlage einer Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 18) erbracht werden. ...

Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel

§ 11. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn

(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn

1. der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;

2. der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

3. der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

(4) Der Aufenthalt eines Fremden widerstreitet dem öffentlichen Interesse (Abs. 2 Z 1), wenn

1. sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde oder

2. …

(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. ..."

Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid von dem einleitend wiedergegebenen Sachverhalt aus und stellte ergänzend fest, der Beschwerdeführer weise zwei rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen auf, nämlich vom wegen Ladendiebstahls zu einer teilbedingten Geldstrafe und vom wegen Unterschlagung eines Mobiltelefons zu einer Geldstrafe. Er lebe in Innsbruck in einer 30 m2 großen Einzimmerwohnung und bezahle dafür monatlich EUR 300,-- Miete, wovon EUR 200,-- durch Mietzinsbeihilfe gedeckt seien. Zugunsten des Beschwerdeführers bestehe kein alle Risken abdeckender Krankenversicherungsschutz; er sei nur in der Zeit vom bis versichert gewesen. Der Beschwerdeführer sei in Österreich keiner Arbeit nachgegangen, habe aber vom bis einen KFZ-Werkstatthelfer-Kurs besucht. Eine "Arbeitsbewilligung" könne er nicht vorweisen und "laufende" Bemühungen um eine Arbeitsstelle seien nicht ersichtlich. Es sei zwar von einem näher genannten bosnischen Staatsangehörigen eine Patenschaftserklärung abgegeben worden, doch sei deren Tragfähigkeit nicht geklärt, weil keine Einkommensnachweise des "Paten" vorgelegt worden seien. Der Beschwerdeführer habe zwar einen Deutschkurs für Anfänger absolviert, doch habe er keine "A 2-Prüfung" abgelegt und spreche nur mäßig Deutsch. Er sei ledig und verfüge über keine familiären Bindungen in Österreich. Seine Mutter lebe in Georgien, sein Vater sei verstorben, Geschwister habe er keine.

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der maßgeblichen Gesetzesstellen (zum Teil wiederholend) aus, der Beschwerdeführer sei nicht selbsterhaltungsfähig, die Tragfähigkeit der Patenschaftserklärung sei nicht geklärt, am Arbeitsmarkt sei der Beschwerdeführer nicht integriert, sein Lebensunterhalt werde einerseits durch die öffentliche Hand (Bezug von Sozialhilfe in den Jahren 2004 und 2005 sowie monatliche Mietzinsbeihilfe), andererseits von Freunden finanziert. Eine "Arbeitsbewilligung" besitze der Beschwerdeführer nicht, ein Krankenversicherungsschutz bestehe seit auch nicht mehr. Weiters sei der Beschwerdeführer strafrechtlich nicht unbescholten. Vor dem Asylgerichtshof habe der Beschwerdeführer angegeben, sein Heimatland aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Situation verlassen zu haben, politisch werde er nicht verfolgt und er habe vor, sobald es ihm besser gehe, in seine Heimat zurückzukehren und dort eine Familie zu gründen. Unter Berücksichtigung der genannten Umstände kam die belangte Behörde sodann abschließend zu dem Ergebnis, im vorliegenden Fall würden die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung nicht überwiegen. Der Antrag sei daher abzuweisen.

Dieser Begründung hält die Beschwerde (zum Teil mit gegen eine hier nicht gegenständliche Ausweisung gerichteten Ausführungen) im Wesentlichen entgegen, der Beschwerdeführer befinde sich seit fast acht Jahren in Österreich, sei hier vollkommen integriert und habe jeglichen Kontakt zu seiner Heimat verloren. Die belangte Behörde sei auf den Integrationsgrad nicht ausreichend eingegangen, zumal der Beschwerdeführer die deutsche Sprache durch Besuch eines Kurses und im Selbststudium gut erlernt habe und zudem einen Kurs für KFZ-Werkstatthelfer absolviert habe. Hätte die belangte Behörde den Beschwerdeführer persönlich angehört, so hätte sie diese Umstände "unmittelbar erfahren". Es sei auch nicht ausreichend berücksichtigt worden, dass für den Beschwerdeführer eine Patenschaftserklärung von einer Person abgegeben worden sei, die in Österreich legal aufhältig sei und einer Beschäftigung nachgehe. Dadurch sei gewährleistet, dass der Beschwerdeführer der öffentlichen Hand nicht zur Last fallen werde. In Bezug auf die nicht geklärte Tragfähigkeit der Patenschaftserklärung sei der belangten Behörde vorzuwerfen, dass sie den Beschwerdeführer dazu nicht persönlich gehört habe und ihn auch nicht aufgefordert habe, diesbezügliche Nachweise vorzulegen. Insoweit habe sie die sie treffende Ermittlungspflicht verletzt.

Die lange Dauer des Asylverfahrens sei dem Beschwerdeführer nicht anzulasten, sodass die Nichterteilung des beantragten Aufenthaltstitels schon deshalb unverhältnismäßig sei, zumal der Beschwerdeführer nach zwei bis drei Jahren nicht mehr damit gerechnet habe, dass er noch ausgewiesen werden könne. In dieser Zeit habe er in Österreich eine wirtschaftliche Existenz aufgebaut und (mit Ausnahme von seiner Mutter) ausschließlich hier seinen Freundes- und Bekanntenkreis. Demnach hätte die belangte Behörde unter Berücksichtigung des hohen Integrationsgrades sowie aufgrund der Tatsache, dass ein "Pate" für seinen Unterhalt aufkomme, davon ausgehen müssen, dass das private Interesse des Beschwerdeführers an seinem weiteren Verbleib das öffentliche Interesse an einem Verlassen des Bundesgebietes bei Weitem überwiege.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid der Sache nach offenbar auf das Fehlen der in § 11 Abs. 2 Z 3 und 4 NAG enthaltenen allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen abgestellt und darüber hinaus erkennbar auch das Vorliegen besonders berücksichtigungswürdiger Gründe iSd § 44 Abs. 4 NAG verneint.

Das Fehlen der genannten Erteilungsvoraussetzungen kann zwar nach § 44 Abs. 4 NAG durch eine Patenschaftserklärung substituiert werden. Im vorliegenden Fall kann es aber dahinstehen, ob die Verfahrensrüge des Beschwerdeführers in Bezug auf die Frage der Tragfähigkeit der Patenschaftserklärung berechtigt ist, obwohl sich aus einem handschriftlichen Vermerk im Akt ergibt, dass die Vorlage von diesbezüglichen Nachweisen bei der Antragstellung in Aussicht gestellt worden sei.

Es ist nämlich jedenfalls die weitere Bescheidbegründung, dass in Bezug auf den Beschwerdeführer keine ausreichende Integration vorliege und damit keine besonders berücksichtigungswürdigen Gründe im Sinne des § 44 Abs. 4 NAG gegeben seien, im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer ist unbestritten während seines (bis zur Bescheiderlassung) etwa siebenjährigen Aufenthalts in Österreich bisher keiner Berufstätigkeit nachgegangen, sodass zu Recht nicht nur vom Fehlen einer Beschäftigung, sondern auch von mangelnder Selbsterhaltungsfähigkeit ausgegangen wurde. Darüber hinaus weist der Beschwerdeführer - mögen die Straftaten auch mehrere Jahre zurückliegen - zwei strafrechtliche Verurteilungen auf, sodass auch keine Unbescholtenheit vorliegt. Selbst wenn man daher zugunsten des Beschwerdeführers ausreichende Deutschkenntnisse und das Bestehen eines Freundes- und Bekanntenkreises veranschlagt, so reicht das nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes unter Bedachtnahme auf die festgestellten Lebensverhältnisse des über keine familiären Bindungen in Österreich verfügenden Beschwerdeführers, der hier auch keine maßgeblich ins Gewicht fallende Aus- oder Weiterbildung absolviert hat, jedoch insgesamt noch nicht, um einen so hohen Integrationsgrad zu begründen, dass die belangte Behörde einen "besonders berücksichtigungswürdigen Fall" hätte annehmen müssen (vgl. zu ähnlichen Konstellationen die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2010/21/0442, und vom , Zl. 2009/21/0270).

Im Übrigen ist zur Mängelrüge in der Beschwerde noch anzumerken, dass die belangte Behörde den Beschwerdeführer ohnehin zu den Antragsgründen persönlich angehört und mit ihm (offenbar aus Anlass der Antragstellung) am eine Niederschrift aufgenommen hat; außerdem hat sie im Laufe des Verfahrens noch einmal die (auch wahrgenommene) Gelegenheit zu einer ergänzenden Äußerung zur beabsichtigten Antragsabweisung gegeben. Überdies kann nach den unbestritten gebliebenen Feststellungen der belangten Behörde keine Rede davon sein, dass der Beschwerdeführer in Österreich - wie es in der Beschwerde heißt - seine "wirtschaftliche Existenz aufgebaut" habe. Schließlich vermag die Beschwerde auch keine relevanten Umstände aufzuzeigen, die von der belangten Behörde nicht ohnehin berücksichtigt worden wären.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
WAAAE-81748