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VwGH vom 29.04.2015, 2013/08/0141

VwGH vom 29.04.2015, 2013/08/0141

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten sowie die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Pürgy als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde der S GmbH in G, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom , Zl. Abt11-A6126z 118/2013-6, betreffend Beitragszuschlag nach dem ASVG (mitbeteiligte Partei:

Steiermärkische Gebietskrankenkasse in 8010 Graz, Josef-Pongratz-Platz 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom wurde der beschwerdeführenden Partei gemäß § 113 Abs. 1 iVm Abs. 2 ASVG ein Beitragszuschlag in der Höhe von EUR 2.800,-- vorgeschrieben, da im Zuge einer Überprüfung am um 8:45 Uhr auf einer Baustelle durch Organe der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse festgestellt worden sei, dass für die Dienstnehmer T.G., D.D., T.G. und D.P. keine Anmeldungen zur Sozialversicherung vor Arbeitsantritt erstattet worden seien.

1.2. Dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch gab die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom keine Folge.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, es stehe außer Streit, dass die vier genannten Personen für die beschwerdeführende Partei am auf der näher bezeichneten Baustelle tätig gewesen seien. Zudem sei unstrittig, dass die Anmeldung der vier Personen zur Pflichtversicherung in der gesetzlichen Sozialversicherung nach dem ASVG an diesem Tag um 8:54 Uhr durch eine von der beschwerdeführenden Partei beauftragte Wirtschaftstreuhand- und Steuerberatungsgesellschaft vorgenommen worden sei. Mit dieser Anmeldung habe die beschwerdeführende Partei zum Ausdruck gebracht, dass sie die Versicherungspflicht bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse als gegeben erachte.

Wie aus den Ausführungen der beschwerdeführenden Partei im Einspruch hervorgehe, hätten sich die für die Baustelle vorgesehenen Dienstnehmer um 7:00 Uhr an einer Tankstelle getroffen. Diese Angabe decke sich mit den Aussagen der Dienstnehmer D.D. und T.G., die beide übereinstimmend als Dienstbeginn 7:00 Uhr angegeben hätten. Laut Angabe der beschwerdeführenden Partei seien die Dienstnehmer um circa 7:40 Uhr auf der Baustelle angekommen und hätten sich dann umgezogen, sodass sich ein Arbeitsbeginn von 8:30 Uhr ergebe. Die Anmeldung der vier Dienstnehmer sei nach dem tatsächlichen Arbeitsbeginn um 8:54 Uhr erfolgt. Die belangte Behörde stütze ihre Erkenntnisse auf die höhere Authentizität der Erstaussage der beschwerdeführenden Partei in ihrem Einspruch gegenüber der später getätigten Aussage des bevollmächtigten Rechtsanwaltes bezüglich des Vorlageberichtes der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse.

Was die Höhe des gegenständlichen Beitragszuschlages betreffe, müsse für eine Reduzierung gemäß § 113 Abs. 2 vierter und fünfter Satz ASVG ein kumulatives Vorliegen der Voraussetzungen, nämlich eine erstmalige verspätete Anmeldung und unbedeutende Folgen, gegeben sein. Da bei einer verspäteten Anmeldung von zwei oder mehreren Dienstnehmern nicht mehr von unbedeutenden Folgen gesprochen werden könne, sei die belangte Behörde in ihrer freien Beweiswürdigung zur Ansicht gelangt, dass eine Reduzierung des Beitragszuschlages im gegenständlichen Fall nicht gerechtfertigt erscheine.

1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

1.4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

2.1. Gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 sind, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 31/2007 haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

§ 113 ASVG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 31/2007 hat

auszugsweise folgenden Wortlaut:

"Beitragszuschläge

§ 113. (1) Den in § 111 Abs. 1 genannten Personen (Stellen) können Beitragszuschläge vorgeschrieben werden, wenn

1. die Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet wurde oder

2. die vollständige Anmeldung zur Pflichtversicherung nach § 33 Abs. 1a Z 2 nicht oder verspätet erstattet wurde oder


Tabelle in neuem Fenster öffnen
3.
das Entgelt nicht oder verspätet gemeldet wurde oder
4.
ein zu niedriges Entgelt gemeldet wurde.

(2) Im Fall des Abs. 1 Z 1 setzt sich der Beitragszuschlag nach einer unmittelbaren Betretung im Sinne des § 111a aus zwei Teilbeträgen zusammen, mit denen die Kosten für die gesonderte Bearbeitung und für den Prüfeinsatz pauschal abgegolten werden. Der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung beläuft sich auf 500 EUR je nicht vor Arbeitsantritt angemeldeter Person; der Teilbetrag für den Prüfeinsatz beläuft sich auf 800 EUR. Bei erstmaliger verspäteter Anmeldung mit unbedeutenden Folgen kann der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung entfallen und der Teilbetrag für den Prüfeinsatz bis auf 400 EUR herabgesetzt werden. In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann auch der Teilbetrag für den Prüfeinsatz entfallen.

Abs. 3 bis 7 (...)"

2.2. Die beschwerdeführende Partei zieht nicht in Zweifel, dass die genannten Dienstnehmer entgegen § 33 Abs. 1 ASVG zum Zeitpunkt der Kontrolle am um 8:45 Uhr nicht zur Sozialversicherung gemeldet gewesen sind. Die belangte Behörde habe jedoch eine unrichtige rechtliche Beurteilung vorgenommen, weil diese fälschlicherweise zum Ergebnis gelangt sei, dass der Ausnahmetatbestand des § 113 Abs. 2 letzter (gemeint wohl: vorletzter) Satz ASVG auf den vorliegenden Fall nicht Anwendung finde. Die belangte Behörde reduziere das kumulative Erfordernis der unbedeutenden Folgen zu Unrecht auf die Anzahl der nicht gemeldeten Dienstnehmer. Der Gesetzgeber habe mit dieser Ausnahmebestimmung in § 113 Abs. 2 ASVG gerade atypischen Bildern eines Meldeverstoßes gerecht werden wollen. Die Anzahl der nicht gemeldeten Dienstnehmer sei dann von Relevanz und führe zum Schluss, dass unbedeutende Folgen gerade nicht vorlägen, wenn die Begleitumstände von einem typischen Bild eines Meldeverstoßes ausgingen. Dies liege jedoch im vorliegenden Fall nicht vor. Die beschwerdeführende Partei habe am - wie schon in der Vergangenheit - ein Telefax mit der Liste der Neuanmeldungen an die Wirtschaftstreuhand- und Steuerberatungsgesellschaft übermittelt, damit diese die Anmeldung bei der Gebietskrankenkasse durchführe. Sowohl die beschwerdeführende Partei als auch die Dienstnehmer seien daher wohlbegründet davon ausgegangen, dass auf Grund der getätigten Übermittlung die Anmeldung der Dienstnehmer rechtzeitig vor Arbeitsbeginn erfolge. Die verzögerte Anmeldung durch die beauftragte Gesellschaft sei der beschwerdeführenden Partei und den Dienstnehmern nicht bekannt gewesen. Folglich fehle das typische Bild des Meldeverstoßes. Wäre es nämlich nicht zur Kontrolle um 8:45 Uhr gekommen, so wäre dennoch eine Anmeldung um 8:54 Uhr erfolgt. Unter Bedachtnahme hierauf sei im Sinne des § 113 Abs. 2 letzter (vorletzter) Satz ASVG sowohl von einer erstmaligen verspäteten Anmeldung als auch von unbedeutenden Folgen auszugehen, sodass jedenfalls in richtiger rechtlicher Beurteilung ein Anwendungsfall dieser Ausnahmebestimmung vorliege.

2.3. Mit diesem Vorbringen zeigt die beschwerdeführende Partei keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde eine früher erfolgte Beanstandung der beschwerdeführenden Partei nicht festgestellt, sodass von einer erstmaligen verspäteten Anmeldung auszugehen ist. Der belangten Behörde kann jedoch nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Folgen des Meldeverstoßes nicht als unbedeutend einstuft, weil sich der Meldeverstoß auf vier Arbeitnehmer gleichzeitig ausgewirkt hat und weil die Meldungen zum Zeitpunkt der Kontrolle am um 8:45 Uhr noch immer nicht nachgeholt worden waren, sodass das typische Bild eines Meldeverstoßes vorliegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/08/0390, mwN).

Dabei kommt es entgegen der Ausfassung der beschwerdeführenden Partei weder darauf an, ob ihr die Verspätung der Anmeldung zum Zeitpunkt der Kontrolle bekannt war, noch ob die um 8:54 Uhr erfolgte Anmeldung in Unkenntnis der durchgeführten Kontrolle vorgenommen wurde. Es handelt sich bei einem Beitragszuschlag nämlich um keine Bestrafung, sondern bloß um eine wegen des durch die Säumigkeit des Meldepflichtigen verursachten Mehraufwandes in der Verwaltung sachlich gerechtfertigte weitere Sanktion für die Nichteinhaltung der Meldepflicht und damit um ein Sicherungsmittel für das ordnungsgemäße Funktionieren der Sozialversicherung. Für seine Vorschreibung ist demnach nicht das subjektive Verschulden des Dienstgebers maßgeblich, sondern nur der Umstand, dass objektiv ein Meldeverstoß verwirklicht wurde, gleichgültig aus welchen Gründen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Ro 2014/08/0008, mwN).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2.4. Von der in der Beschwerde beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien und die Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und dem auch Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegensteht (vgl. die Entscheidung des EGMR vom , Zl. 68.087/01 (Hofbauer/Österreich), wo der Gerichtshof unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt hat, dass die Anforderungen von Art. 6 EMRK auch bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung oder überhaupt jeglicher Anhörung (im Originaltext "any hearing at all") erfüllt sind, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "technische" Fragen betrifft, und in diesem Zusammenhang auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise verwiesen hat).

2.5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH -Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am