VwGH vom 12.04.2021, Ra 2019/06/0118
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber BA, über die Revision des A L in G, vertreten durch Dr. Michael Battlogg, Rechtsanwalt in 6780 Schruns, Gerichtsweg 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom , LVwG-318-4/2019-R3, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevertretung der Gemeinde G, vertreten durch die Thurnher Wittwer Pfefferkorn & Partner Rechtsanwälte GmbH in 6850 Dornbirn, Messestraße 11; weitere Partei: Vorarlberger Landesregierung),
I. zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird hinsichtlich seines Spruchteiles „und die Errichtung eines Nebenraumes“ wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Gemeinde Gaschurn hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Begründung
1Mit Schreiben des Bürgermeisters der Gemeinde G. vom wurde dem Revisionswerber als Bauherrn mitgeteilt, dass bei dem Maisäßgebäude auf einem näher bezeichneten Grundstück der KG G. Umbauten durchgeführt worden seien, für die keine Baubewilligung erteilt worden sei. Der Revisionswerber wurde dazu aufgefordert, binnen eines Monats einen bewilligungsfähigen Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung mit entsprechenden Plan- und Beschreibungsunterlagen bei der Baubehörde einzureichen, und darauf hingewiesen, dass die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes gemäß § 40 Abs. 3 des Vorarlberger Baugesetzes (in der Folge: Baugesetz) verfügt werde, sofern er dieser Aufforderung nicht nachkomme.
2Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde G. vom wurde gegenüber dem Revisionswerber gemäß § 40 Abs. 1 lit. b Baugesetz die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes des Stallgebäudes auf dem betreffenden Grundstück binnen drei Monaten in der Form verfügt, dass „das Stallgebäude in seinen ursprünglichen Zustand versetzt wird und somit ausschließlich als Stallgebäude genutzt werden kann“. Innerhalb des Gebäudes seien Umbauten erfolgt. Auf der Talseite sei eine Satellitenschüssel angebracht worden, im Bereich des früheren „Fanills“ sei ein Eingangsbereich mit einem Stiegenaufgang, der ins Obergeschoss führe, geschaffen worden. Im Obergeschoss sei eine Schlafmöglichkeit eingerichtet, im Tennenbereich eine Sitzmöglichkeit errichtet und der Tennenbereich teilweise zur Stube ausgebaut worden. Zudem „gibt [es] noch einen kleineren Nebenraum“. Das Stallgebäude verfüge nicht über einen Wohnteil und habe auch in der Vergangenheit nicht über einen solchen verfügt; die Erteilung einer Bewilligung gemäß § 16 Abs. 4 lit. d des Vorarlberger Raumplanungsgesetzes (in der Folge: Raumplanungsgesetz) sei daher nicht möglich. Es sei nicht absehbar, dass auch bei Einbringen eines vollständigen Bauantrages „die Grundlagen für eine positive Beurteilung und Erteilung der Baubewilligung aussichtsreich“ seien bzw. „in naher Zukunft geschaffen werden“ könnten.
3Die vom Revisionswerber gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies die Gemeindevertretung der Gemeinde G. mit Bescheid vom als unbegründet ab und führte dazu im Wesentlichen aus, ohne eine Bewilligung nach § 16 Abs. 4 lit. d Raumplanungsgesetz, welche für ein reines Stallgebäude nicht erteilt werden könne, würden die raumplanungsrechtlichen Vorschriften nicht eingehalten und könne eine Baubewilligung nach § 28 Abs. 2 Baugesetz nicht erteilt werden.
4Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (in der Folge: LVwG) der dagegen vom Revisionswerber erhobenen Beschwerde mit der Maßgabe keine Folge, dass dem Revisionswerber gemäß § 40 Abs. 2 Baugesetz aufgetragen wurde, „bis die Satellitenschüssel zu entfernen, den Stiegenaufgang und das Schlafzimmer im Fanill zu entfernen sowie den Ausbau der Heulege zur Stube und die Errichtung eines Nebenraumes rückgängig zu machen“. Gleichzeitig sprach das LVwG aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
5Begründend führte es dazu aus, die Anbringung einer Satellitenschüssel, die Errichtung des Stiegenaufganges und des Schlafzimmers im Fanill, der Ausbau der Heulege zur Stube und die Errichtung eines Nebenraumes stellten einen bewilligungspflichtigen Umbau dar. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass für den Wohnteil ein vermuteter Baukonsens vorliege (Verweis auf die wörtliche Wiedergabe eines Auszuges aus einer näher bezeichneten Publikation „Die Maisäße auf T.[...]“ aus dem Jahr 2003 über den Baubestand der Maisäßhütten und -ställe im bezeichneten Gebiet). Die Raumwidmung sei in einer solchen Weise geändert worden, dass „die betreffenden Gebäudeteile (Fanill, Heulege)“ als Wohnteil anzusehen seien. Da die nunmehrige Verwendung nicht von der bewilligten Benutzungsart „Stallscheune“ umfasst sei, liege - auch - eine Verwendungsänderung vor. Diese sei wesentlich, da sich dadurch andere Anforderungen unter anderem hinsichtlich des Brandschutzes ergeben könnten. Eine wesentliche Verwendungsänderung stelle ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben gemäß § 1 Abs. 1 lit. b (gemeint wohl § 18 Abs. 1 lit. b) Baugesetz dar. Der Revisionswerber habe die Umbaumaßnahmen ohne Baubewilligung durchgeführt und sei mit Schreiben vom aufgefordert worden, innerhalb eines Monats einen Bauantrag zu stellen. Da der Revisionswerber keinen Bauantrag gestellt habe, würden die Voraussetzungen für die Verfügung der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes nach § 40 Abs. 2 Vlbg. BauG vorliegen.
6Dagegen richtet sich die gegenständliche außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorbringt, weder dem Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde G. noch dem Berufungsbescheid der Gemeindevertretung seien die rückgängig zu machenden bautechnischen Maßnahmen zu entnehmen. Das LVwG sei nicht berechtigt, die Präzisierung des baupolizeilichen Auftrages nachzuholen, weil es hiedurch zu einer Verkürzung des Instanzenzuges komme.
7Darüber hinaus sei unklar, welche Verwendungsänderung stattgefunden habe, wenn anstelle einer Leiter, wie immer man eine solche definieren möge, nunmehr ein Stiegenaufgang errichtet worden sei. Auf Seite 8 (des angefochtenen Erkenntnisses) sei „vom Fanillinen Stall“ ebenfalls bereits eine Stiege eingezeichnet. Auch habe das LVwG nicht festgestellt, inwiefern zwischen einer Leiter und einem Stiegenaufgang ein bautechnischer Unterschied bestehe. Durch die Erneuerung einer Leiter werde kein Tatbestand des Baugesetzes verwirklicht, der eine Bewilligungspflicht begründe. Hinsichtlich des „kleinen Nebenraumes“ lasse sich nicht ableiten, welcher Bewilligungstatbestand nach dem Baugesetz verwirklicht sein solle; der Zubau sei bereits auf dem historischen Grundriss auf S. 7 der Entscheidungsbegründung angeführt.
8Die belangte Behörde erstattete in dem vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurückweisung in eventu die Abweisung der Revision beantragt.
9Die Vorarlberger Landesregierung teilte mit, auf eine Revisionsbeantwortung zu verzichten.
10Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
11Die Revision ist - bis auf die Bekämpfung des baupolizeilichen Auftrages im Hinblick auf den im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses angeführten „Nebenraum“ (dazu siehe unten Rzlen 22 bis 24) - unzulässig.
12Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
13Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
14Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
15Nach den insoweit übereinstimmenden Ausführungen in der Zulässigkeitsbegründung und dem Revisionspunkt wendet sich der Revisionswerber hinsichtlich der konkret aufgetragenen Maßnahmen in der vorliegenden Revision nur (mehr) gegen den baupolizeilichen Auftrag betreffend der Entfernung des Stiegenaufganges und die Rückgängigmachung der Errichtung des Nebenraumes.
16Festzuhalten ist zunächst, dass die Revision mit ihrem Vorbringen, wonach es dem LVwG verwehrt sei, die fehlende Präzisierung des Bescheides der belangten Behörde zu sanieren, weil es dadurch zu einer Verkürzung des Instanzenzuges komme, nicht im Recht ist.
17Ein baupolizeilicher Auftrag muss so bestimmt sein, dass er Gegenstand eines Vollstreckungsverfahrens sein kann. Bei einem Beseitigungsauftrag darf daher kein Zweifel darüber bestehen, was im Detail beseitigt werden soll, und es muss aus ihm unmittelbar zu entnehmen sein, welche Bauteile abzubrechen sind. Hiebei genügt es, dass dies ein Fachkundiger dem Spruch des Bescheides entnehmen kann (vgl. bis 0120).
18Wesentliche Voraussetzung für einen pflichtenbegründenden Bescheid, wie dies ein baupolizeilicher Auftrag darstellt, ist die für die allfällige Vollstreckung erforderliche Bestimmtheit des Auftrages. Es ist jedoch keineswegs zwingend, dass diesem Bestimmtheitserfordernis dadurch Rechnung getragen wird, dass sich dies allein aus dem Spruch ergibt. Vielmehr ist es ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass Spruch und Begründung eine Einheit bilden. In diesem Sinn ist die Begründung zur Auslegung eines unklaren Spruches heranzuziehen. Sofern sich demnach aus dem Spruch in Verbindung mit der Begründung in ausreichendem Maß ergibt, welche Maßnahmen in einem allfälligen Vollstreckungsverfahren zu setzen sind, also der baupolizeiliche Auftrag in diesem Sinn als Titel einer Vollstreckungsverfügung in Betracht zu ziehen ist, ist den Bestimmtheitserfordernissen Rechnung getragen (vgl. bereits sowie aus der jüngeren Rechtsprechung etwa ).
19In beiden gemeindebehördlichen Bescheiden wurden die nunmehr im Spruch des angefochtenen Erkenntisses genannten und nach Ansicht der Baubehörden konsenslos vorgenommenen Umbauarbeiten angeführt. Damit ergeben sich aus dem Spruch im Zusammenhalt mit der Begründung des vor dem LVwG angefochtenen Bescheides bereits jene Umbaumaßnahmen, von denen das LVwG nunmehr in seinem Spruch aussprach, dass sie rückgängig zu machen seien.
20Ausgehend davon kann keine Rede davon sein, das LVwG hätte, indem es die Maßnahmen nunmehr in seinem Spruch präzisierte, den Instanzenzug verkürzt und die Sache des Beschwerdeverfahrens überschritten. Vielmehr war das LVwG zur Korrektur des Spruches nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet (vgl. , 0063 und sinngemäß zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 ).
21Zu den Zulässigkeitsausführungen der Revision in Bezug auf den errichteten Stiegenaufgang ist darüber hinaus festzuhalten, dass - abgesehen davon, dass die Revision dies auch gar nicht behauptet - das Ersetzen einer Leiter durch einen Stiegenaufgang nicht als Erhaltungs- bzw. Instandsetzungsarbeit im Sinne des § 20 Baugesetz anzusehen ist und daher insoweit fallbezogen eine zumindest anzeigepflichtige Maßnahme vorliegt. Dass gegenständlich ein neuer Stiegenaufgang errichtet wurde, bestreit die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung nicht. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG wird daher betreffend den für den Stiegenaufgang nach § 40 Abs. 2 Baugesetz erteilten baupolizeilichen Auftrag nicht aufgezeigt.
22Soweit die Revision weiters jedoch eine fehlende Bestimmtheit des angefochtenen Erkenntnisses rügt, was den baupolizeilichen Auftrag hinsichtlich des im Spruch genannten „Nebenraumes“ betrifft, erweist sie sich als zulässig und im Ergebnis auch als begründet.
23Ein Auftrag gemäß § 40 Baugesetz, den rechtmäßigen Zustand aufgrund einer fehlenden Baubewilligung oder einer von dieser abweichenden Ausführung herzustellen, setzt einerseits voraus, dass die Bewilligungspflicht sowohl im Zeitpunkt der Errichtung des Bauwerkes als auch im Zeitpunkt der Erteilung des Auftrages zu bejahen ist, und andererseits, dass eine Baubewilligung nicht vorliegt oder ein Vorhaben abweichend von dieser errichtet wurde (vgl. zur vergleichbaren Rechtslage nach der Kärntner Bauordnung 1996 etwa , mwN).
24Fallbezogen führte das LVwG in seiner rechtlichen Beurteilung zwar aus, der Revisionswerber habe bewilligungspflichtige Umbaumaßnahmen durchgeführt, weil er Teile der Stallscheune in einen Wohnteil umgebaut habe, was eine wesentliche - bewilligungspflichtige - Verwendungsänderung darstelle; diese Begründung greift jedoch insofern zu kurz, als auch mit dem Hinweis auf den in die Erkenntnisbegründung aufgenommenen Grundriss nicht nachvollziehbar ist, um welchen Bauteil es sich in Bezug auf den „Nebenraum“ handeln soll, bzw. ob es (nur) darum geht, dass ein ursprünglich bereits existierender Teil des Gebäudes „ausgebaut“ worden sei. Auch wenn den Bestimmtheitserfordernissen eines baupolizeilichen Auftrages Rechnung getragen ist, wenn sich aus dem Spruch in Verbindung mit der Begründung in ausreichendem Maß ergibt, welche Maßnahmen durch den Adressaten des Auftrages zu setzen sind (s. oben Rz 18), ist gegenständlich in Bezug auf den „Nebenraum“ der Inhalt des Auftrages nicht als geklärt anzusehen, zumal das LVwG im neu gefassten Spruch des angefochtenen Erkenntnisses sowohl den „Ausbau der Heulege zur Stube als auch, unabhängig davon, die „Errichtung eines Nebenraumes“ als vom Bauauftrag erfasst anführt.
25Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
26Von der beantragten mündlichen Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG Abstand zu nehmen.
27Der Kostenausspruch gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das auf Ersatz der Umsatzsteuer gerichtete Mehrbegehren des Revisionswerbers war abzuweisen, weil in dem in der genannten Verordnung vorgesehenen Pauschalbetrag die Umsatzsteuer bereits mitenthalten ist (vgl. etwa , 0118, mwN).
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019060118.L00 |
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