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VwGH vom 20.03.2012, 2008/18/0620

VwGH vom 20.03.2012, 2008/18/0620

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des D D in W, vertreten durch die Mag. Wolfgang Auner Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft KG in 8700 Leoben, Parkstraße 1/I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/267995/2008, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, ein auf § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG gestütztes, unbefristetes Aufenthaltsverbot.

In ihrer Begründung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer halte sich seit seinem siebenten Lebensjahr in Österreich auf und besitze einen gültigen (unbefristeten) Aufenthaltstitel.

Am sei der Beschwerdeführer vom Geschworenengericht beim Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens des schweren Raubs nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs. 1, 143 erster Satz, zweiter Fall StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren rechtskräftig verurteilt worden, weil er am in W mit einem Fluchtfahrzeug vor einer Zweigstelle einer Bank gewartet habe, während sein Komplize eine Pistole gegen eine Bankangestellte gerichtet und ihr damit sowie mit der Aufforderung "Geld her, gemma, gemma" einen Bargeldbetrag in der Höhe von EUR 13.124,-- abgenötigt habe.

Ohne Zweifel sei auf Grund dieser Verurteilung der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt. Das Fehlverhalten des Beschwerdeführers rechtfertige die Annahme, dass sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit gefährde, sowie im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen, nämlich vor allem dem Schutz der körperlichen Integrität, der Verteidigung der Ordnung und des Eigentums anderer sowie allgemein der Verhinderung von strafbaren Handlungen zuwiderlaufe.

Eine positive Verhaltensprognose sei für den Beschwerdeführer im Hinblick auf die besondere Schwere der Tathandlung (Beihilfe zum Bankraub) und dem damit verbundenen überaus erheblichen Unrechtsgehalt - auch bezogen auf den wahrscheinlichen Zeitpunkt der Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbots - nicht möglich. Ein Erfolg einer allfälligen therapeutischen Behandlung der Spielsucht des Beschwerdeführers, für welche er keine Nachweise erbracht habe, sei in absehbarer Zeit nicht abschätzbar.

Zur Interessenabwägung nach § 66 FPG führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer weise wegen seiner in Österreich lebenden Eltern, wovon der Vater österreichischer Staatsbürger sei, und seiner hier aufhältigen Schwester eine starke familiäre, aber keine berufliche Bindung in Österreich auf. Er sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Seine Integration müsse als bedeutend anerkannt werden und es sei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers auszugehen, der jedoch zulässig sei. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit und Allgemeinschädlichkeit der Raubkriminalität sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbots zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie zum Schutz der Gesundheit und des Eigentums anderer) als dringend geboten zu erachten. Das geschilderte Fehlverhalten des Beschwerdeführers verdeutliche augenfällig seine Gefährlichkeit für das Eigentum im Bundesgebiet aufhältiger Menschen und die Rechtsordnung oder den Unwillen, die Rechtsvorschriften des Gastlandes einzuhalten.

Einer aus dem bisherigen Aufenthalt des Beschwerdeführers ableitbaren Integration komme insofern kein entscheidendes Gewicht zu, als die für jegliche Integration erforderliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigt werde. Daher hätten die privaten Interessen des Beschwerdeführers gegenüber den sehr hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen in den Hintergrund zu treten.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt sei, unbekämpft. In Anbetracht der unbestrittenen rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers vom zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren begegnet diese Beurteilung keinen Bedenken.

1.2. Gegen die von der belangten Behörde gemäß § 60 Abs. 1 FPG getroffene Gefährdungsannahme bringt der Beschwerdeführer vor, er sei zuvor unbescholten gewesen und habe entgegen der Ansicht der belangten Behörde keine unmittelbaren Tathandlungen gesetzt. Diese seien im Zusammenhang mit seiner Spielsucht zu sehen, um deren therapeutische Behandlung er bemüht sei. Dazu wäre die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich gewesen, und er habe nicht ausreichend Gelegenheit gehabt, diese Erkrankung und deren Konnex zur Tathandlung darzulegen. Der Beschwerdeführer befinde sich mittlerweile im gelockerten Vollzug, sodass von einer durchaus günstigen Zukunftsprognose auszugehen sei.

1.3. Damit zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids auf.

Die Feststellungen im angefochtenen Bescheid über das Fehlverhalten des Beschwerdeführers, nämlich das Warten in einem Fluchtfahrzeug, geben den Sachverhalt ausreichend präzise wieder, um den Tatbeitrag des Beschwerdeführers erkennen zu können. Eine unmittelbare Täterschaft lastet die belangte Behörde dem Beschwerdeführer nicht an, beschreibt sie doch seine Tathandlung als "Beihilfe zum Bankraub". Die vom Beschwerdeführer als Ursache für die Straftat aufgezeigte Spielsucht ist nicht geeignet, die durch sein gravierendes Fehlverhalten gegebene Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu relativieren. Auch im Fall eines Therapiebedarfs wäre deren erfolgreiche Absolvierung, von welcher hier wegen des Vorbringens, um eine solche bemüht zu sein, nicht ausgegangen werden kann, neben einer entsprechend längeren Zeit des Wohlverhaltens erforderlich (vgl. etwa das zur Suchtmitteltherapie ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/18/0466). Daher kann der belangten Behörde das Unterbleiben der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage, ob der Beschwerdeführer eine therapeutische Hilfeleistung benötigt, nicht als Verfahrensfehler angelastet werden. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe keine ausreichende Möglichkeit gehabt darzulegen, dass er an krankhafter Spielsucht leide, ist entgegenzuhalten, dass er bereits im Rahmen der Berufung Gelegenheit hatte, seinen Standpunkt darzustellen und Vorbringen zu erstatten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0271, mwN). Abgesehen von der durch die Fremdenpolizeibehörde eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts und unabhängig von den Erwägungen der Strafvollzugsbehörde zu treffenden Beurteilung des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0758, mwN), stellt sein Hinweis auf eine günstige Zukunftsprognose wegen des mittlerweile "gelockerten Vollzugs" eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung dar (§ 41 Abs. 1 VwGG), weil ein dahingehendes Vorbringen bislang nicht erstattet wurde.

Der belangten Behörde ist bei ihrer rechtlichen Beurteilung zwar mit Blick darauf, dass der Beschwerdeführer den Feststellungen zufolge zum unbefristeten Aufenthalt in Österreich berechtigt ist, dahingehend ein Fehler unterlaufen, dass sie das Verhalten des Beschwerdeführers nicht am in § 56 FPG enthaltenen Maßstab gemessen hat (vgl. des Näheren zum im FPG enthaltenen System der abgestuften Gefährdungsprognosen und zu den Voraussetzungen der Anwendbarkeit des § 56 FPG das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0603). Dies führt aber fallbezogen nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, weil im Hinblick auf die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen eines Verbrechens der (eine Gefährdung im Sinn des § 56 Abs. 1 FPG indizierende) Tatbestand des § 56 Abs. 2 Z 1 erster Fall FPG erfüllt ist und in Anbetracht des oben dargestellten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers die Annahme gerechtfertigt ist, von ihm gehe eine (gegenwärtige, hinreichend) schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Sinn des § 56 Abs. 1 FPG aus.

2.1. Hinsichtlich der von der belangten Behörde durchgeführten Interessenabwägung verweist der Beschwerdeführer darauf, bis zur Verurteilung unbescholten gewesen zu sein und erstmals das Haftübel verspürt zu haben. Er sei der serbischen Sprache nicht hinreichend mächtig und könne in seinem Heimatstaat keine Lebensgrundlage mehr finden. Sein gesamter Familien- und Freundeskreis befinde sich in Österreich und er erhalte Hilfestellung von seinen Angehörigen.

2.2. Dem ist zu entgegnen, dass die belangte Behörde im Rahmen ihrer Beurteilung die Integration des Beschwerdeführers in Österreich als bedeutend berücksichtigte. Es ist aber nicht zu beanstanden, wenn sie die soziale Komponente der Integration des Beschwerdeführers auf Grund seines strafbaren Verhaltens als erheblich beeinträchtigt beurteilte. Zutreffend ging die belangte Behörde auch von einer mangelnden beruflichen Bindung des Beschwerdeführers in Österreich aus. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei nur einmal strafgerichtlich verurteilt worden, kann seine persönlichen Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet nicht verstärken, liegt seiner Verurteilung doch das dargestellte gravierende Fehlverhalten zugrunde; auch war er im Zeitpunkt der Begehung der Straftat bereits volljährig. Die mit der Wiedereingliederung in sein Heimatland allfällig verbundenen Schwierigkeiten hat der Beschwerdeführer ebenso wie die Trennung von seiner Familie im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen.

Im Ergebnis maß die belangte Behörde somit zu Recht der durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers bewirkten Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbots kein geringeres Gewicht bei als den angeführten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers. Das Ergebnis der behördlichen Interessenabwägung ist nicht zu beanstanden.

3. Die Rüge des Beschwerdeführers, niemals persönlich von der belangten Behörde gehört worden zu sein, lässt offen, welche konkreten Feststellungen auf Grund welcher im Fall seiner mündlichen Vernehmung gemachter Aussagen zu treffen gewesen wären. Überdies besteht im fremdenrechtlichen Administrativverfahren vor der Sicherheitsdirektion kein Recht darauf, von der Behörde mündlich gehört zu werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0567, mwN).

4. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
EAAAE-81741