VwGH vom 04.09.2013, 2013/08/0138
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde des K S in G, vertreten durch die Graf und Pitkowitz Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Marburger Kai 47, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl GS5-A-949/154-2013, betreffend Beitragsgrundlagen und Beitragspflicht nach dem GSVG (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in 1051 Wien, Hartmanngasse 2b), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde - durch Abweisung des Einspruchs des Beschwerdeführers gegen einen Bescheid der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt vom - gemäß § 410 ASVG in Verbindung mit § 194 GSVG die monatlichen Beitragsgrundlagen für den Beschwerdeführer für die Jahre 1998 und 1999 in der Pensionsversicherung sowie für die Jahre 2000, 2001 und 2002 in der Pensions- und Krankenversicherung sowie die vom Beschwerdeführer in diesen Zeiträumen zu entrichtenden monatlichen Beiträge festgestellt. Weiters hat die belangte Behörde ausgesprochen, dass die offene Beitragsschuld des Beschwerdeführers für den Zeitraum vom bis 29.123,18 EUR betrage und diesbezüglich gemäß § 156 Abs 4 Insolvenzordnung auch durch den Zahlungsplan vom (im Konkursverfahren 71 S 50/02h) keine teilweise Schuldbefreiung eingetreten sei. Die Forderung sei daher zu Recht in dieser Höhe im Insolvenzverfahren 10 S 99/12f vor dem LG Wiener Neustadt angemeldet worden.
Nach Darlegung des Verwaltungsgeschehens stellte die belangte Behörde fest, dass am vor dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien unter der Zl 71 S 50/02h das Schuldenregulierungsverfahren (über den Beschwerdeführer) eröffnet worden sei. In diesem Konkursverfahren habe die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt die Beiträge für den Zeitraum bis in Höhe von EUR 18.224,43 angemeldet. Das Schuldenregulierungsverfahren sei - nach Abschluss eines Zahlungsplanes mit - mit Beschluss vom aufgehoben worden.
Mit Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom , Zl 10 S 99/12f, sei über das Vermögen des Beschwerdeführers das Insolvenzverfahren eröffnet worden (Dieses sei mittlerweile aufgehoben worden). Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt habe in diesem Verfahren eine Forderung von insgesamt EUR 72.844,57 angemeldet. Die Forderung sei vom Beschwerdeführer bestritten worden, mit der Begründung, dass die Sozialversicherungsanstalt verpflichtet gewesen wäre, die Forderung für den Zeitraum bis schon im Konkursverfahren zur Zl 71 S 50/02h anzumelden, um die Quote laut dortigem Zahlungsplan zu erhalten.
Durch den gemäß § 229a GSVG vorgesehenen Datenaustausch seien der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt am Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1998 bis 2002, jeweils vom (mit - im angefochtenen Bescheid näher dargestellten - Einkünften aus Gewerbebetrieb) übermittelt worden. Im Jahr 1998 seien Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von EUR 6.205,46, im Jahr 1999 in der Höhe von EUR 523,54 vorgeschrieben worden.
In der Zeit vom bis habe ein nach ASVG sozialversicherungspflichtiges Dienstverhältnis des Beschwerdeführers bestanden. Die Einbeziehung in die Pflichtversicherung (nach dem GSVG) sei im 4. Quartal 2007 erfolgt.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, das Einspruchsbegehren lasse sich auf die Frage reduzieren, ob § 156 Abs 6 KO auf die seinerzeit im Konkursverfahren angemeldete Forderung anwendbar sei oder nicht. Der Beschwerdeführer habe diesbezüglich geltend gemacht, dass der Sozialversicherungsanstalt die Möglichkeit der Schätzung der Forderung offen gestanden sei. Dem sei jedoch nicht beizupflichten. Für die Beurteilung des Bestehens bzw. Nichtbestehens der Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG sei zur Feststellung der Pflichtversicherung und Beitragspflicht jedenfalls und unabdingbar die Kenntnis eines rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides und eine Versicherungserklärung erforderlich. "In Ermangelung dieser Kenntnis" könne daher auch keine Beitragspflicht festgestellt und keine Forderung im Schätzwege angemeldet werden. Der Beschwerdeführer habe gegen die ihn nach den §§ 18 ff GSVG treffende Meldeverpflichtung über das Vorliegen der Voraussetzungen der GSVG-Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung verstoßen. Die Nichtanmeldung der Forderung im Insolvenzverfahren gründe sich daher jedenfalls und ausschließlich auf das Verschulden des Beschwerdeführers. Damit habe die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt rechtmäßig die Beitragsnachforderung ausgesprochen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge gemäß § 42 Abs 3a VwGG in der Sache selbst entscheiden und aussprechen, dass für den Zeitraum bis keine Beitragsschuld (in eventu eine Beitragsschuld auf Grund der Wirkungen des Zahlungsplanes vom nur im Ausmaß von 10%) bei der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt bestehe, in eventu den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass die Voraussetzungen des § 156 Abs 6 der - im Zeitpunkt des Abschlusses bzw. Bestätigung des Zahlungsplanes noch geltenden - Konkursordnung aus mehreren Gründen nicht vorlägen. § 156 Abs 6 KO setze nämlich voraus, dass der Gläubiger mitsamt seiner Forderung nur aus Verschulden des Schuldners im Zahlungsplan unberücksichtigt geblieben sei. Es werde also vorausgesetzt, dass die Nichtberücksichtigung ausschließlich durch böse Absicht oder Fahrlässigkeit des Schuldners verursacht worden sei. Bereits leichtes Mitverschulden des Gläubigers schließe die Anwendung des § 156 Abs 6 KO aus.
Im Anlassfall liege kein Verschulden des Beschwerdeführers vor. Die den bescheidgegenständlichen Beiträgen zu Grunde liegenden Einkommensteuerbescheide der Jahre 1998 bis 2002 würden ausschließlich auf nachträgliche Schätzungen der Grundlagen für die Abgabenerhebung durch die Finanzbehörden zurückgehen und sie hätten vom Beschwerdeführer folglich gar keiner Meldung gemäß den §§ 18ff GSVG zu Grunde gelegt werden können. Den Beschwerdeführer könne schon aus diesem Grunde kein Verschulden im Sinne des § 156 Abs 6 KO treffen; dass im Nachhinein gewerbliche Einkünfte im Schätzungswege festgestellt worden seien, sei auf eine "vergleichsweise" Lösung mit den Finanzbehörden zurückzuführen. Die belangte Behörde habe es nicht für notwendig gehalten, den Beschwerdeführer dazu zu befragen, warum die bescheidgegenständlichen Einkommensteuerbescheide erst 2007 ergangen seien. Dass diese späteren Bescheide auf Grund der Abgabenschätzungen nicht in die Ingerenz des Beschwerdeführers fielen, hätte die belangte Behörde leicht durch eine Befragung feststellen können.
Weiters treffe die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt ein gravierendes und die Anwendung des § 156 Abs 6 KO ausschließendes Mitverschulden auf Grund völliger Inaktivität in der Verfolgung ihrer Interessen. Der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt habe die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens schon auf Grund der Bekanntmachung in der Insolvenzdatei am bekannt sein müssen. Die Sozialversicherungsanstalt habe die Insolvenzdatei zu überwachen und zu prüfen, ob der Schuldner aktuell bzw. in der Vergangenheit zum Kreis der versicherungspflichtigen Personen gehöre. Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt habe die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt auch Kenntnis vom Schuldenregulierungsverfahren gehabt, da sie in diesem Verfahren Forderungen über EUR 18.224,43 angemeldet habe. Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt habe es aber trotz der öffentlichen Bekanntmachung und des Umstandes, dass zumindest für die Jahre 1998 und 1999 noch Sozialversicherungsbeiträge vorgeschrieben worden waren, schuldhaft unterlassen zu prüfen, ob weitere Beitragsrückstände bestünden. Dass eine Prüfung möglich und notwendig gewesen wäre, zeige aber schon der Umstand, dass im angefochtenen Bescheid auch für die Jahre 1998 und 1999 - für die bereits Beiträge vorgeschrieben worden waren - Nachverrechnungen erfolgt seien. Der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt habe im Jahr 2003 auch bekannt sein müssen, dass ihr die Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1998 bis 2002 nicht vorgelegen waren, was im Zusammenhang mit den als Insolvenzforderungen angemeldeten Beitragsrückständen zwangsläufig zu einer Prüfung bzw. zu Erkundigungen hätte führen müssen.
2. Gemäß § 197 Abs 1 KO (nunmehr IO) haben Konkursgläubiger (Insolvenzgläubiger), die ihre Forderungen bei Abstimmung über den Zahlungsplan nicht angemeldet haben, Anspruch auf die nach dem Zahlungsplan zu zahlende Quote nur insoweit, als diese der Einkommens- und Vermögenslage des Schuldners entspricht. Nach Satz 2 dieser Bestimmung bleibt § 156 Abs 6 KO (nunmehr § 156 Abs 4 IO) unberührt.
Gemäß § 156 Abs 6 KO (nunmehr § 156 Abs 4 IO) können Gläubiger, deren Forderungen nur aus Verschulden des Gemeinschuldners (Schuldners) im Ausgleiche (Sanierungsplan) unberücksichtigt geblieben sind, nach Aufhebung des Konkurses (Insolvenzverfahrens) die Bezahlung ihrer Forderungen im vollen Betrag vom Schuldner verlangen.
§ 156 Abs 6 KO setzt voraus, dass die Nichtberücksichtigung ausschließlich durch ein zumindest fahrlässiges Verhalten des Schuldners verursacht wurde. Bereits leichtes Mitverschulden des Gläubigers schließt die Anwendung aus (vgl etwa den ; RIS-Justiz RS0052293; Lovrek in Konecny/Schubert, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen, § 156 Rz 140).
Von Sozialversicherungsträgern ist zwar eine Organisation zu verlangen, die eine zuverlässige und rasche Information über die Konkurseröffnung von Beitragsschuldnern gewährleistet. Meldet aber ein (Sozialversicherungsträger als) Gläubiger seine Forderung im Insolvenzverfahren deshalb nicht an, weil er (ohne sein Verschulden) über die Existenz der Forderung nicht Bescheid weiß, und ist diese Unkenntnis auf ein zumindest fahrlässiges Verhalten des Schuldners zurückzuführen, so liegt ein Fall des § 156 Abs 6 KO vor (vgl Lovrek , aaO Rz 141).
3. Zunächst ist festzuhalten, dass nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheides, die von der Beschwerde auch nicht in Zweifel gezogen werden, die Einbeziehung in die Pflichtversicherung erst (nach Vorliegen der Einkommensteuerbescheide vom ) im 4. Quartal 2007 erfolgte. Der Beschwerdeführer hat auch nicht bestritten, dass er das Vorliegen der Voraussetzungen für die Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG nicht rechtzeitig gemeldet hatte und er macht insbesondere auch nicht geltend, dass eine derartige Meldung noch vor dem Abschluss des Schuldenregulierungsverfahrens erfolgt wäre.
Damit gleicht der Beschwerdefall in den maßgeblichen Sach- und Rechtsfragen jenem, der dem hg Erkenntnis vom , Zl 2009/08/0011, zugrunde lag. Auf die nähere Begründung dieses Erkenntnisses wird daher gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.
Der Beschwerdeführer legt auch nicht dar, dass der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt bekannt sein musste, dass er in den Jahren 1998 bis 2002 (neuerlich oder weiterhin) selbständig erwerbstätig gewesen und der Pflichtversicherung unterlegen sei.
Auch dem Umstand, dass die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt im Schuldenregulierungsverfahren Forderungen angemeldet hatte, kommt schon deswegen keine Bedeutung zu, weil sich diese Forderungen auf Beiträge für den Zeitraum vom bis zum bezogen und der Beschwerdeführer - wie erwähnt - auch nicht darlegt, dass der Sozialversicherungsanstalt die weitere Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers in den hier gegenständlichen Jahren 1998 bis 2002 hätte bekannt sein müssen.
4. Soweit der Beschwerdeführer unter Hinweis auf § 197 Abs 3 KO ausführt, dass zugunsten eines Konkursgläubigers, der seine Forderung nicht angemeldet hat, die Exekution nur soweit stattfinden könne, als ein Beschluss nach § 197 Abs 2 KO ergangen sei, genügt der Hinweis, dass im Beschwerdefall über die Beitragsgrundlagen, die Beitragshöhe und die Verpflichtung zur Entrichtung von Beiträgen, nicht aber über die Zulässigkeit der Exekution abgesprochen wurde.
5. Der Beschwerdeführer macht schließlich geltend, dass durch die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens im Jahr 2003 und die Entziehung der Eigenverwaltung die Verantwortung für die Einreichung der Einkommensteuererklärung bzw. die Meldepflichten an die Sozialversicherungsanstalt auf den bestellten Masseverwalter übergegangen seien. Auf diese Argumente sei die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid überhaupt nicht eingegangen.
Dazu genügt es, auf das hg Erkenntnis vom , Zl 2008/08/0259, hinzuweisen, wonach die Verpflichtung zur Meldung gemäß § 18 GSVG den Gewerbetreibenden höchstpersönlich trifft und von einem Konkursverfahren grundsätzlich unberührt bleibt; auf dieses Erkenntnis hat auch die belangte Behörde - entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers - bereits im angefochtenen Bescheid ausdrücklich hingewiesen.
6. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am