VwGH vom 22.03.2011, 2010/21/0465

VwGH vom 22.03.2011, 2010/21/0465

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde der N, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom , Zl. E1/11016/2009, betreffend gelinderes Mittel, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit ihrem gegenüber der Beschwerdeführerin erlassenen Bescheid vom "über Anordnung des gelinderen Mittels" sprach die Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn (BH) Folgendes aus:

"Die Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn nimmt von der Verhängung der Schubhaft gegen Sie Abstand und ordnet mit sofortiger Wirkung, um Ihre Abschiebung, Zurückschiebung, Durchbeförderung oder das Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes zu sichern, das gelindere Mittel an.

Sie haben daher


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1.
in … Unterkunft zu nehmen und
2.
sich jeden Montag, Mittwoch und Freitag in der Zeit von 08:00 bis 10:00 Uhr bei der Polizeiinspektion … zu melden.
Die Kosten der Aufwendungen für den Einsatz gelinderer Mittel sind von Ihnen zu ersetzen.
Rechtsgrundlagen:
§§ 76 und 77 Abs. 1 bis 3, 113
Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Berufung. In der Folge erging mit Schreiben der BH vom an die Beschwerdeführerin die Information, dass sie mit Übernahme dieses Schreibens, spätestens am , aus dem gelinderen Mittel entlassen werde.
Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom wies die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (die belangte Behörde) die Berufung der Beschwerdeführerin hierauf als unzulässig zurück. Das begründete sie im Wesentlichen damit, dass die BH durch ihre Verfahrensanordnung vom "in analoger Anwendung der Bestimmungen über die Aufhebung der Schubhaft" (§ 81 Abs. 1 FPG) das mit Bescheid vom angeordnete gelindere Mittel formlos aufgehoben habe. Damit gelte im Sinn des § 81 Abs. 2 FPG der dem gelinderen Mittel zugrunde liegende Bescheid als widerrufen. Die Berufung der Beschwerdeführerin richte sich somit gegen einen nicht mehr dem Rechtsbestand angehörenden Bescheid. Mangels gesetzlicher Ermächtigung zu einer nachprüfenden Kontrolle sei daher die gegen den nicht existierenden Bescheid gerichtete Berufung als unzulässig zurückzuweisen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde erwogen:

Es kann hier dahingestellt bleiben, ob der Bescheid der BH über die Anordnung des gelinderen Mittels vom im Sinn der Überlegungen der belangten Behörde mit Ergehen der Mitteilung vom über die Entlassung der Beschwerdeführerin aus dem gelinderen Mittel als widerrufen galt. Jedenfalls unangetastet blieb nämlich der Ausspruch der BH, wonach die Beschwerdeführerin die aus dem Einsatz des gelinderen Mittels erwachsenen Kosten zu ersetzen habe. Da die Kostenersatzpflicht ihrerseits aber untrennbar von der Frage der Rechtmäßigkeit des gelinderen Mittels abhängt (vgl. sinngemäß zur Schubhaft das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0458, wonach der Ersatz von Kosten der Vollziehung der Schubhaft nicht für einen Zeitraum vorgeschrieben werden darf, für den durch einen Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates die Rechtswidrigkeit der Schubhaft festgestellt wurde), kann es dann aber, bei welcher Sichtweise immer, nicht zutreffen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde das angeordnete gelindere Mittel keine Rechtswirkungen mehr entfaltete und somit keine Rechtsverletzungsmöglichkeit mehr vorlag. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von jenem, der dem von der belangten Behörde ins Treffen geführten hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/05/0242, zugrunde lag. Auch aus dem jüngst ergangenen hg. Beschluss vom , Zl. 2009/21/0163, wobei Kosten nach § 113 Abs. 1 FPG von vornherein nicht zur Debatte standen, lässt sich für die belangte Behörde nichts gewinnen. Sie hätte vielmehr wegen der aufgezeigten Kostenkonsequenzen eine meritorische Erledigung der Berufung gegen die Anordnung des gelinderen Mittels - der jedenfalls wegen der unter einem erfolgten Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung nicht bloß punktueller Charakter zukommt - vornehmen und die Berufung entweder (ganz oder teilweise) abweisen oder den erstinstanzlichen Bescheid (ganz oder teilweise) ersatzlos beheben müssen. Da sie dies in Verkennung der Rechtslage nicht getan hat, war ihr Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am