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VwGH vom 25.11.2010, 2008/18/0611

VwGH vom 25.11.2010, 2008/18/0611

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des M S in W, geboren 1972, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/69.321/2008, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei am erstmalig illegal nach Österreich eingereist und habe in der Folge einen Asylantrag gestellt, der mit Bescheid vom rechtskräftig abgewiesen worden sei. Ein zweiter Asylantrag sei rechtskräftig zurückgewiesen worden. Seit sei der Beschwerdeführer durchgehend mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet.

Am habe der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und am - gestützt auf diese Ehe - einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung als begünstigter Drittstaatsangehöriger gemäß § 49 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 eingebracht. Trotz umfangreicher Erhebungen habe das Eingehen einer sogenannten "Scheinehe" nicht eindeutig nachgewiesen werden können. Der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sei dennoch (rechtskräftig mit ) abgewiesen worden. Einer dagegen eingebrachten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof sei die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt worden.

Der Beschwerdeführer sei von der Bundespolizeidirektion Wien mit gemäß § 31 Abs. 1 Z. 1 bis 4 iVm § 120 Abs. 1 Z. 2 FPG rechtskräftig bestraft worden.

Die Ehe des Beschwerdeführers mit der österreichischen Staatsbürgerin sei am rechtskräftig geschieden worden.

Auf den Beschwerdeführer - so die belangte Behörde weiter - seien auf Grund seiner rechtskräftigen Scheidung die Bestimmungen des 10. Hauptstückes des FPG 2005 nicht (mehr) anzuwenden. Da er sich ohne Aufenthaltstitel unerlaubt im Bundesgebiet aufhalte (wofür er auch rechtskräftig bestraft worden sei), lägen die Voraussetzungen zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 53 Abs. 1 FPG jedenfalls vor. Die Zuständigkeit des UVS sei nicht gegeben, weil der Beschwerdeführer keine Rechte aus dem Assoziationsabkommen EWG-Türkei ableiten könne.

Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 66 Abs. 1 FPG sei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer geschieden sei und keine Sorgepflichten habe. Angesichts seines Aufenthaltes seit August 2000, seiner selbständigen Erwerbstätigkeit und seiner sonstigen privaten Bindungen im Inland müsse von einem Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers ausgegangen werden. Die bloße Aufenthaltsdauer allein sei jedoch nicht maßgeblich, es sei zu klären, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt habe, sich sozial und beruflich zu integrieren.

Das behauptete Familienleben mit seiner geschiedenen Ehefrau, so dieses überhaupt je gegeben gewesen sei, sei zu einem Zeitpunkt begründet worden, als sich der Beschwerdeführer seines unsicheren Aufenthaltsstatus durchaus bewusst sein habe müssen. Dass der Beschwerdeführer in der Berufung vorgebracht habe, er gehe von einer Versöhnung und Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft aus, sei wohl von dem offenbaren Bemühen getragen, (weiterhin) ein gemeinsames Familienleben vorzutäuschen und damit verbundene Rechte wahren zu wollen. Sonstige behauptete Bindungen (vor allem zu Familienangehörigen im Inland) seien in ihrem Gewicht dadurch relativiert, dass der Beschwerdeführer nicht vorbringe, mit seinen "Verwandten" im gemeinsamen Haushalt zu leben oder der Betreuung, Fürsorge oä. durch seine Verwandten zu bedürfen. Der Beschwerdeführer habe auch nicht erwähnt, welche Familienangehörigen sich tatsächlich im Bundesgebiet befänden und worin die angeblich intensiven Bindungen bestünden. Normale familiäre Beziehungen, etwa zu weitschichtig verwandten Personen wie dem Cousin, welchem Asyl gewährt worden sei, seien nicht geeignet, das Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet maßgeblich zu stärken.

Der aus dem Aufenthalt und der (selbständigen) Erwerbstätigkeit allenfalls ableitbaren Integration stehe interessenmindernd gegenüber, dass der Beschwerdeführer illegal nach Österreich gelangt sei, sein Aufenthalt jahrelang nach den Bestimmungen des Asylgesetzes lediglich geduldet worden sei und er sich nunmehr schon längere Zeit unerlaubt im Bundesgebiet aufhalte. Dafür sei er am rechtskräftig bestraft worden. Alle für eine allfällige Integration maßgeblichen Umstände, die während eines unrechtmäßigen Aufenthaltes verwirklicht worden seien, fielen deutlich weniger ins Gewicht, wenngleich diese nicht unbeachtlich seien. Ein Teil des Aufenthaltes des Beschwerdeführers erweise sich als rechtswidrig.

Die Beziehung des Beschwerdeführers zu seiner Heimat möge emotional erschüttert sein, er habe jedoch den allergrößten Teil seines Lebens in der Türkei (jedenfalls nicht in Österreich) verbracht und dort seine Schulausbildung absolviert; ergänzende Schul- oder Berufsausbildungen in Österreich seien nicht vorgebracht worden.

Der Beschwerdeführer sei nunmehr unbeschränkt haftender Gesellschafter der M. S. KEG. Zum Vorbringen, er sichere mit dem Fortbestand dieses Unternehmens inländische Arbeitsplätze, werde angemerkt, dass laut Auskunft der Wiener Gebietskrankenkasse lediglich drei geringfügig beschäftigte Dienstnehmer zur Teilversicherung in der Unfallversicherung angemeldet seien, was diese Angabe relativiere.

Der Befolgung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der geordneten Abwicklung des Fremdenwesens (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Angesichts der Tatsache, dass der Beschwerdeführer illegal nach Österreich gelangt sei und sich nunmehr schon längere Zeit ohne Aufenthaltstitel unerlaubt im Bundesgebiet aufhalte, missachte er diese Regelungen in gravierender Weise. Die allenfalls vorhandenen privaten und familiären Interessen seien nicht höher zu bewerten als das öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens. Diesem öffentlichen Interesse laufe es auch grob zuwider, wenn ein Fremder bloß auf Grund von Tatsachen, die von ihm geschaffen worden seien (Nichtausreise trotz fehlendem Aufenthaltstitel), den tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer erzwingen könnte. Die Erlassung der Ausweisung sei somit dringend geboten und zulässig im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG. Mit der Ausweisung werde nicht darüber abgesprochen, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder (allenfalls) abgeschoben werde. Etwaige Gefahren im Herkunftsland seien zudem nicht im Ausweisungsverfahren zu prüfen.

Besondere Umstände, die eine Ermessensübung zulassen würden, könnten weder erkannt werden noch seien sie vorgebracht worden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Auf dem Boden der Feststellungen der belangten Behörde, dass der im August 2000 illegal eingereiste Beschwerdeführer während seines inländischen Aufenthaltes lediglich auf Grund eines Asylantrages über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung verfügt habe, dieser Asylantrag im November 2004 rechtskräftig abgewiesen und ein zweiter Asylantrag rechtskräftig zurückgewiesen und dem Beschwerdeführer auch kein Aufenthaltstitel erteilt worden sei, begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und die Tatbestandsvoraussetzung des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

Soweit die Beschwerde bestreitet, dass sich der Beschwerdeführer längere Zeit unerlaubt im Bundesgebiet aufhalte, weil gegen den erstinstanzlichen Ausweisungsbescheid ein Rechtsmittel ergriffen worden sei, verkennt sie die Rechtslage. Ein gegen einen Ausweisungsbescheid eingebrachtes Rechtsmittel kann einem Fremden nicht zu einem rechtmäßigen Aufenthalt verhelfen. Dass die Ehefrau des Beschwerdeführers ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen hätte oder dieser etwa aus dem Assoziationsabkommen EWG-Türkei ein Aufenthaltsrecht ableiten könnte, wurde in der Beschwerde nicht vorgebracht.

2. Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 66 Abs. 1 FPG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers, seine selbständige Erwerbstätigkeit und behauptete familiäre Beziehungen zu "Verwandten" berücksichtigt. Die aus der Dauer seines inländischen Aufenthaltes ableitbare Integration wird in ihrem Gewicht jedoch dadurch entscheidend gemindert, dass sein Aufenthalt zuerst nur auf Grund asylrechtlicher Bestimmungen vorläufig erlaubt und seither unrechtmäßig war. Im Hinblick darauf kommt auch der von ihm vorgebrachten selbständigen Erwerbstätigkeit keine wesentliche Bedeutung zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0414). Das Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde habe das gesamte berufliche Umfeld des Beschwerdeführers unberücksichtigt gelassen, steht mit der Bescheidbegründung nicht im Einklang. Im Übrigen sind im Rahmen der Interessenabwägung nach § 66 FPG zu Gunsten eines Fremden nur die den privaten und familiären Bereich betreffenden Umstände, nicht jedoch öffentliche Interessen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0765, mwN) wie beispielsweise die Anzahl der Beschäftigten zu berücksichtigen.

Das Gewicht der familiären Beziehungen zu den nicht näher bezeichneten Verwandten wird dadurch relativiert, dass der - volljährige - Beschwerdeführer mit diesen nicht im gemeinsamen Haushalt lebt und auch keine Betreuungs- oder Fürsorgepflichten geltend gemacht hat.

Da die belangte Behörde ihrer Entscheidung nicht das Vorliegen einer sogenannten "Scheinehe" zu Grunde gelegt hat und auch in der Beschwerde nicht vorgebracht wird, dass der Beschwerdeführer mit seiner geschiedenen Ehefrau zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides zusammengelebt habe, sind die weiteren Beschwerdeausführungen über ein allenfalls in der Vergangenheit geführtes gemeinsames Familienleben mit der geschiedenen Ehefrau nicht entscheidungsrelevant. Die diesbezüglich geltend gemachten Verfahrensrügen gehen somit ins Leere.

Den nicht besonders ausgeprägten Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht gegenüber, dass der Beschwerdeführer durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt seit Beendigung des Asylverfahrens, den er auch nach der rechtskräftigen Abweisung seines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels mit und sogar noch nach der rechtskräftigen Bestrafung wegen seines unrechtmäßigen Aufenthaltes mit fortgesetzt hat, das maßgebliche öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt, gravierend beeinträchtigt hat. Im Hinblick darauf ist die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und gemäß § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei, nicht zu beanstanden.

3. Soweit die Beschwerde vorbringt, die Behörde habe das ihr zustehende Ermessen bei weitem überschritten, weil sie unter Berücksichtigung der familiären und auch der beruflichen Beziehungen des Beschwerdeführers von der Erlassung einer Ausweisung hätte Abstand nehmen müssen, ist ihr entgegenzuhalten, dass besondere Umstände, aus denen die belangte Behörde bei ihrer Ermessensentscheidung gehalten gewesen wäre, von der Ausweisung Abstand zu nehmen, aus der Aktenlage nicht ersichtlich sind. Entgegen der Beschwerdemeinung kann darin, dass der Beschwerdeführer während seines knapp acht Jahre dauernden Aufenthaltes, der auf letztlich unbegründete Asylanträge zurückzuführen war und seit Beendigung des Asylverfahrens im November 2004 unrechtmäßig ist, private und berufliche Bindungen aufgebaut hat, kein Umstand erblickt werden, der eine Rechtswidrigkeit der Ermessensentscheidung aufzeigt. Dazu sei beispielsweise auf die Entscheidung des EGMR vom , Nr. 61292/00 (Useinov gegen die Niederlande), hingewiesen, der ein Fall zu Grunde lag, in dem ein Fremder ausgewiesen wurde, der mit einer Inländerin zwei gemeinsame minderjährige Kinder hatte und bereits mehrere Jahre lang in den Niederlanden lebte, aber nicht damit rechnen durfte, sich auf Dauer in diesem Staat niederlassen zu dürfen; in dieser Entscheidung erachtete der EGMR die Bestimmung des Art. 8 EMRK als durch die Ausweisung des Fremden nicht verletzt (vgl. zu dieser Entscheidung auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0319, mwN).

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

Fundstelle(n):
BAAAE-81716

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