VwGH vom 20.10.2011, 2008/18/0604
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des A B in W, vertreten durch Dr. Werner Zach, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 19, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-FRG/V/53/707/2007-19, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen rumänischen Staatsangehörigen, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.
Die belangte Behörde kam zum Ergebnis, der Beschwerdeführer beeinträchtige durch das Eingehen einer Aufenthaltsehe in gravierendem Ausmaß die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens. Es bedürfe daher eines geraumen, nicht zu gering anzusetzenden Zeitraumes der Beobachtung des Wohlverhaltens des Beschwerdeführers um sicherzustellen, dass er nicht neuerlich das von ihm gezeigte Verhalten im Bundesgebiet setzen werde, und gewährleistet sei, dass er keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung in Österreich mehr hervorrufen werde, sondern im Gegenteil nunmehr bereit sein werde, die für den Zuzug und Aufenthalt von Fremden in Österreich geltenden gesetzlichen Bestimmungen vollinhaltlich einzuhalten.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom , B 907/08, an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene und ergänzte Beschwerde mit dem Begehren, den Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer führt aus, dass ihm mit dem Beitritt Rumäniens zur Europäischen Union mit - sohin vor Erlassung des bekämpften Bescheides - ein gemeinschaftliches Niederlassungsrecht zukomme. Bei Kenntnis dieser Tatsache hätte die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers Folge geben und das Verwaltungsverfahren gegen ihn einstellen müssen, was die belangte Behörde jedoch nicht getan habe.
Der Beschwerdeführer folge der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. Beschluss vom , Zl. 2004/18/0241) "in folgendem eingeschränkten Umfang", dass er "durch den Beitritt Rumäniens durch den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde nicht mehr in Rechten verletzt" sei. Der Bescheid über die Verhängung des Aufenthaltsverbotes sei "daher weiterhin aufrecht und Bestand der Rechtsordnung". Dadurch sei der Beschwerdeführer "nach seiner Ansicht sohin weiterhin 'in seinen Rechten verletzt'".
2. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer ist gemäß § 86 Abs. 1 erster bis vierter Satz FPG nur zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind diese Voraussetzungen gegeben, wenn ein Fremder im Sinn des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG eine Ehe geschlossen und sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0818, mwN).
3. Bei der Beurteilung, ob die Annahme im Sinn des § 86 Abs. 1 erster bis vierter Satz FPG gerechtfertigt sei, dürfen Änderungen, die gegen den Fortbestand einer Gefährdungsprognose sprechen, nicht ausgeklammert werden. Vom Beschwerdeführer, der vor Erlassung des angefochtenen Bescheides als Unionsbürger freizügigkeitsberechtigt geworden ist, ist jedenfalls nicht mehr zu befürchten, dass er eine Ehe schließt, ohne ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK zu führen, um sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung auf diese Ehe zu berufen (vgl. das schon zitierte Erkenntnis vom , mwN).
Dadurch, dass die belangte Behörde dies verkannt und ihre Entscheidung - auch was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes gemäß § 63 FPG anlangt - unter anderem mit dem Erfordernis eines geraumen Zeitraumes der Beobachtung des Wohlverhaltens des Beschwerdeführers stützte um sicherzustellen, dass er nicht neuerlich das von ihm gezeigte Verhalten im Bundesgebiet setzen werde, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
4. Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
EAAAE-81702