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VwGH vom 01.07.2020, Ra 2019/06/0002

VwGH vom 01.07.2020, Ra 2019/06/0002

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Rehak, Hofrat Mag. Haunold und Hofrätin Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, BA, über die Revision des Stadtmagistrates der Landeshauptstadt Innsbruck gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom , LvwG-2018/38/2262-1, betreffend die Versagung der Verlängerung einer Baubewilligung gemäß § 53 Abs. 4 Tiroler Bauordnung 2018 (weitere Partei: Tiroler Landesregierung; mitbeteiligte Partei: M GmbH in V, vertreten durch die Altenweisl Wallnöfer Watschinger Zimmermann Rechtsanwälte GmbH in 6020 Innsbruck, Fallmerayerstraße 8), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1Mit Bescheid vom erteilte die revisionswerbende Partei der mitbeteiligten Partei gemäß § 46 Tiroler Bauordnung 2011 die Baubewilligung für eine bauliche Anlage vorübergehenden Bestandes, befristet auf fünf Jahre ab Rechtskraft der Bewilligung. Gegenstand war die Errichtung eines Kundenparkplatzes auf einem näher bezeichneten Grundstück der KG A. Dieser Bescheid wurde der mitbeteiligten Partei am zugestellt.

2Mit dem nun gegenständlichen Antrag vom ersuchte die mitbeteiligte Partei um Verlängerung dieser Bewilligung um weitere zwei Jahre, nunmehr gemäß § 53 Abs. 4 Tiroler Bauordnung 2018 (TBO 2018) und verwies dabei auf das Vorliegen aller notwendigen Voraussetzungen.

3Mit Bescheid vom wies die revisionswerbende Partei den Antrag der mitbeteiligten Partei gemäß § 53 Abs. 4 TBO 2018 ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass bereits zum Zeitpunkt der Erteilung der ursprünglichen Bewilligung der besondere Verwendungszweck nicht gegeben gewesen sei und in Ermangelung eines solchen auch die Verlängerung der Bewilligung nicht zu gewähren sei.

4Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Tirol der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde der mitbeteiligten Partei statt, genehmigte den Antrag auf Erstreckung der mit Bescheid vom erteilten befristeten Baubewilligung für die Errichtung eines Kundenparkplatzes und erstreckte die Frist um weitere zwei Jahre ab Erteilung der ersten Bewilligung. Begründend führte das Landesverwaltungsgericht aus, die Errichtung eines Kundenparkplatzes erfülle zwar nicht die Voraussetzungen für eine Privilegierung gemäß § 53 TBO 2018, die ursprüngliche Genehmigung hätte nicht erteilt werden dürfen. Im gegenständlichen Verfahren gehe es aber nicht um die Frage der Erteilung einer Genehmigung für eine bauliche Anlage, sondern darum, ob die Frist um höchstens zwei Jahre erstreckt werden könne. Aus dem Gesetzeswortlaut des § 53 Abs. 3 TBO 2018 ergäben sich zwei Voraussetzungen für die Verlängerung, wonach von den bau- und raumordnungsrechtlichen Vorschriften weiterhin abgesehen werden könne, wenn einerseits sichergestellt sei, dass den maßgebenden bautechnischen Erfordernissen und andererseits den durch diese Vorschriften geschützten Interessen, insbesondere dem Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen und der Sicherheit von Sachen, durch anderweitige Vorkehrungen hinreichend entsprochen werden könne. Die revisionswerbende Partei habe sowohl ein Gutachten der Bau- und Feuerpolizei eingeholt, aus dem sich keine Bedenken gegen die Verlängerung ergäben, als auch eine raumordnungsrechtliche Stellungnahme, die ebenfalls die Unbedenklichkeit bestätige. Die Voraussetzungen des Abs. 3 leg.cit. lägen weiterhin vor. Der Bedarf nach einem Kundenparkplatz sei weiterhin gegeben. Hätte der Lebensmittelmarkt der mitbeteiligten Partei keine Kundenparkplätze mehr, müsse mit entsprechenden Benützungsuntersagungen vorgegangen werden. Kernfrage sei, ob aus der Formulierung des § 53 Abs. 4 TBO 2018 tatsächlich geschlossen werden könne, dass im Fall eines Verlängerungsansuchens der Verwendungszweck ebenfalls einer erneuten Überprüfung unterzogen werden dürfe. Einerseits sei aus dem Gesetzestext eine Trennung zwischen den Verfahren erkennbar, da der Kreis der Parteien im Verlängerungsverfahren erheblich eingeschränkt sei. Auch verlange der Wortlaut des Abs. 4 leg.cit. keine Überprüfung des Verwendungszwecks, sondern lediglich die Überprüfung der Notwendigkeit und des Vorliegens der Einhaltung der Schutzbestimmungen des § 53 Abs. 3 TBO 2018. Die revisionswerbende Partei hätte also den Verwendungszweck nicht überprüfen dürfen. Auch wenn für den gegenständlichen Kundenparkplatz nie eine Genehmigung als bauliche Anlage vorübergehenden Bestandes hätte erteilt werden dürfen, sei es der revisionswerbenden Partei im Verlängerungsverfahren verwehrt, einen offensichtlichen Irrtum aufzugreifen und die Fristverlängerung zu versagen. Aus der Systematik des § 53 TBO 2018 ergebe sich, dass die Frist hätte verlängert werden müssen. Der Beschwerde sei deswegen stattzugeben und die Bewilligung zu erteilen gewesen. Die Revision sei nicht zulässig.

5Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Amtsrevision.

6Im vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahren erstattete die mitbeteiligte Partei eine Revisionsbeantwortung und beantragte die Zurückweisung, hilfsweise die Abweisung der Revision. Ebenso erstattete die Tiroler Landesregierung eine Revisionsbeantwortung, in der sie sich der Rechtsauffassung des Landesverwaltungsgerichtes anschloss.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7Die Revision erweist sich angesichts des Fehlens von Rechtsprechung zur Auslegung des § 53 TBO 2018 als zulässig. Sie ist im Ergebnis auch berechtigt.

8§ 53 Abs. 1, 2, 3, 4 und 5 TBO 2018, die inhaltlich identen Nachfolgebestimmungen des § 46 Tiroler Bauordnung 2011, lauten in der mit LGBl. Nr. 28/2018 wiederverlautbarten Fassung wie folgt:

§ 53

Bauliche Anlagen vorübergehenden Bestandes

(1) Für bauliche Anlagen, die aufgrund ihres besonderen Verwendungszweckes nur für einen vorübergehenden Bestand bestimmt sind, kann anstelle eines Bauansuchens nach § 29 oder einer Bauanzeige nach § 30 um die Erteilung einer befristeten Bewilligung angesucht werden.

(2) Um die Erteilung der Bewilligung nach Abs. 1 ist bei der Behörde schriftlich anzusuchen. Im Ansuchen sind der vorgesehene Verwendungszweck und die Dauer, für die die betreffende bauliche Anlage errichtet werden soll, anzugeben. Dem Ansuchen sind weiters die im § 29 Abs. 2 genannten Unterlagen und eine technische Beschreibung des Bauvorhabens, erforderlichenfalls ergänzt durch entsprechende planliche Darstellungen, in zweifacher Ausfertigung anzuschließen.

(3) Bei der Erteilung der Bewilligung nach Abs. 1 kann die Behörde unter Bedachtnahme insbesondere auf die Lage und den Verwendungszweck der betreffenden baulichen Anlage von der Einhaltung bestimmter bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften absehen, wenn sichergestellt ist, dass

a)den maßgebenden bautechnischen Erfordernissen und

b)den durch diese Vorschriften geschützten Interessen, insbesondere dem Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen und der Sicherheit von Sachen,

durch anderweitige Vorkehrungen hinreichend entsprochen wird. Zu diesem Zweck kann die Bewilligung weiters mit Auflagen oder unter Bedingungen erteilt werden, soweit das Bauvorhaben dadurch nicht in seinem Wesen verändert wird. Im Übrigen gilt § 34 Abs. 7 zweiter Satz und 8 bis 14 sinngemäß.

(4) Die Bewilligung ist befristet auf einen Zeitraum, der dem voraussichtlichen Bedarf an der betreffenden baulichen Anlage entspricht, längstens jedoch auf die Dauer von fünf Jahren ab dem Eintritt der Rechtskraft der Bewilligung zu erteilen. Auf Antrag des Inhabers der Bewilligung kann diese einmal um höchstens zwei Jahre erstreckt werden, wenn die betreffende bauliche Anlage weiter benötigt wird und die Voraussetzungen nach Abs. 3 weiterhin vorliegen. Um die Erstreckung der Bewilligung ist vor ihrem Ablauf bei der Behörde schriftlich anzusuchen. Durch die rechtzeitige Einbringung des Ansuchens wird der Ablauf der Frist bis zur Entscheidung der Behörde gehemmt.

(5) Parteien im Verfahren um die Erteilung einer Bewilligung nach Abs. 1 sind der Antragsteller, die Nachbarn im Sinn des § 33 Abs. 2 und 6 sowie der Straßenverwalter. Die Nachbarn und der Straßenverwalter sind berechtigt, das Fehlen der Voraussetzung nach Abs. 1 geltend zu machen. § 33 Abs. 8 und 9 gilt sinngemäß.

(...)“

9Die Revision führt aus, dass die Wortfolge „unter Bedachtnahme insbesondere auf die Lage und den Verwendungszweck“ in § 53 Abs. 3 erster Satz TBO 2018 die Behörde dazu ermächtige, im Falle eines Verlängerungsantrags erneut über das Vorliegen des besonderen Verwendungszwecks zu befinden, und wendet sich damit gegen die Ausführungen des Landesverwaltungsgerichts, nach denen der Bescheid vom in Rechtskraft erwachsen sei und im Verlängerungsverfahren lediglich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 53 Abs. 3 erster Satz und Abs. 4 zweiter Satz TBO 2018 zu prüfen seien. Die revisionswerbende Partei vermeint, dass die Wendung in § 53 Abs. 4 TBO 2018 „wenn die betreffende bauliche Anlage weiter benötigt wird“ weiters darauf hinweise, dass dies mit dem Vorliegen des besonderen Verwendungszwecks untrennbar verbunden sei und der besondere Verwendungszweck zwingend auch im Verlängerungsverfahren geprüft werden müsse. Es handle sich dabei um eine grundlegende Voraussetzung für die Verlängerung der Frist. Würde man nur die weitere Benötigung prüfen, so stehe die Verlängerung unter dem Erfordernis geringerer Voraussetzungen als die ursprüngliche Bewilligung. Im Falle des Wegfalls des besonderen Verwendungszwecks wäre dies dann unwesentlich. So könnten dann etwa Containerbauten im Rahmen einer Baustelle über die Vollendung der Baustelle hinaus bestehen bleiben und die Verlängerung wäre in so einem Falle zu gewähren, obwohl der Verwendungszweck weggefallen sei. § 53 TBO 2018 sei eine Ausnahmebestimmung und restriktiv auszulegen. Es sei außerdem unzutreffend, dass der besondere Verwendungszweck niemals vorgelegen habe, vielmehr sei das Fehlen dieses Verwendungszwecks als Bewilligungsvoraussetzung aufzugreifen und die Bewilligung für die Verlängerung zu untersagen. Aus der Bedachtnahme auf Lage und Verwendungszweck in § 53 Abs. 3 TBO 2018 ergebe sich keine Prüfungsbeschränkung, sondern es sei ein Absehen nur zulässig, wenn die Anlage aufgrund ihres besonderen Verwendungszwecks nur für den vorübergehenden Bestand bestimmt sei. Das Landesverwaltungsgericht irre auch in seiner Annahme, dass die Nachbarn im Verlängerungsverfahren keine Parteistellung hätten, dies könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden.

10Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits festgehalten, dass die Regelungen betreffend bauliche Anlagen vorübergehenden Bestandes gegenüber den sonstigen (inhaltlich vergleichbaren) Regelungen der TBO ein eigenes Regelungsregime bilden (vgl. zur TBO 2018 mit weiteren Verweisen zu den Rechtslagen nach der TBO 2001 , betreffend die Parteistellung des Nachbarn im Bauverfahren, bzw. nach der TBO 2011 , betreffend die Abweisung eines weiteren Antrages auf Verlängerung der Baubewilligung nach Ablauf der Bewilligung) und als Ausnahmetatbestand grundsätzlich restriktiv auszulegen ist.

11Aus dem Wortlaut des § 53 Abs. 4 zweiter Satz TBO 2018 ergibt sich, dass die Bewilligung auf Antrag des Inhabers der (rechtskräftigen) Bewilligung einmalig um zwei Jahre verlängert werden kann, wenn „die betreffende bauliche Anlage weiter benötigt wird und die Voraussetzungen nach Abs. 3 weiterhin vorliegen.“ Der Gesetzeswortlaut setzt den Beginn der Frist mit der Rechtskraft der ursprünglichen Bewilligung fest.

12Zwar erweist sich die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, der Bescheid vom sei nicht aufzugreifen, als zutreffend. § 53 TBO 2018 ist aber - unter Bedachtnahme auf seine Qualifikation als Ausnahmebestimmung - systematisch dahingehend zu interpretieren, dass bei einer Verlängerung gemäß Abs. 4 zweiter Satz leg.cit. aufgrund der Voraussetzung, „dass die bauliche Anlage weiterhin benötigt wird“, zu prüfen ist, ob die betreffende Anlage weiterhin als Anlage vorübergehenden Bestandes benötigt wird oder ob der Antragsteller bereits im Verlängerungsverfahren von einem dauerhaften Bestand der betreffenden baulichen Anlage auch nach Ablauf des Verlängerungszeitraumes ausgeht.

13Indem das Verwaltungsgericht diese Rechtslage verkannte und infolgedessen keine Feststellungen traf, ob diese Voraussetzung im Revisionsfall vorliegt, belastete es sein Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit.

14Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019060002.L00

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Fundstelle(n):
XAAAE-81697