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VwGH vom 20.10.2011, 2008/18/0602

VwGH vom 20.10.2011, 2008/18/0602

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des BK in W, vertreten durch Mag. Martin Nemec, Rechtsanwalt in 1210 Wien, Brünner Straße 37/5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/102997/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, ein auf § 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestütztes, auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am mit einem von bis gültigen Visum C in das Bundesgebiet eingereist. Am habe er einen Asylantrag gestellt, den das Bundesasylamt mit Bescheid vom in erster Instanz abgewiesen habe.

Am habe der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerin L geheiratet. Daraufhin habe er am die im Asylverfahren eingebrachte Berufung zurückgezogen. Am habe er unter Berufung auf die Ehe bei der Bundespolizeidirektion Wien (nach den Bestimmungen des damals geltenden Fremdengesetzes 1997 - FrG) die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta. - Ö., § 49 Abs. 1 FrG" beantragt.

Im Weiteren gelangte die belangte Behörde zur Auffassung, es handle sich bei der Ehe des Beschwerdeführers um eine Aufenthaltsehe. Dem legte sie im Rahmen ihrer beweiswürdigenden Überlegungen das Ergebnis der polizeilichen Erhebungen sowie die dazu im Widerspruch stehenden Angaben des Beschwerdeführers zugrunde. Der Beschwerdeführer habe zwar angegeben, es bestehe ein gemeinsamer Wohnsitz mit seiner Ehefrau. Er habe aber nicht schlüssig erklären können, warum sie an diesem Wohnsitz nicht gemeldet sei. Vielmehr sei sie seit im Zentralen Melderegister mit einer "Obdachlosenmeldung" registriert. Das sei nicht mit den Angaben des Beschwerdeführers über einen gemeinsamen Wohnsitz und einem aufrechten Eheleben in Einklang zu bringen. Das Verhalten des Beschwerdeführers und seines Bruders, das im Zuge einer Hauserhebung an der angeblichen ehelichen Wohnung festgestellt habe werden können, lasse ebenfalls den Schluss zu, dass ein Ehe- und Familienleben lediglich vorgetäuscht werden sollte. Der Beschwerdeführer habe den erhebenden Polizeibeamten, der ihn nicht gekannt habe, nämlich vorerst über seine Identität in Unkenntnis gelassen. Der Bruder des Beschwerdeführers habe wahrheitswidrig im Zuge der Erhebung angegeben, der Beschwerdeführer sei momentan nicht anwesend. Beim - aber tatsächlich anwesenden - Beschwerdeführer hätte es sich bloß um einen Bekannten gehandelt. Motiv für dieses Verhalten sei gewesen, dass der Beschwerdeführer schon zu dieser Zeit befürchtet habe, wegen des Aufdeckens der Aufenthaltsehe festgenommen zu werden. Den Erhebungen zufolge wohnten in der fraglichen Wohnung nur der Beschwerdeführer, sein Bruder, die Ehefrau seines Bruders sowie deren drei Kinder.

Es sei von der Behörde erster Instanz versucht worden, die Ehefrau des Beschwerdeführers zu vernehmen. Zu Beginn der Vernehmung habe sie allerdings die Amtsräume "fluchtartig" verlassen. Weitere Termine zur Befragung der Ehefrau habe diese nicht wahrgenommen.

Dem Beweisantrag auf Vernehmung weiterer Zeugen sei nicht nachzukommen gewesen, weil das Beweisthema unkonkret formuliert gewesen sei. Es sei nicht klar geworden, zu welchen konkreten Sachverhaltselementen die Zeugen Angaben hätten machen können.

Es sei sohin davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin die Ehe geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen, aber mit seiner Ehefrau ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt habe. Dieses Verhalten rechtfertige die Annahme, dass die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 86 Abs. 1 (erster und zweiter Satz) FPG gegeben seien.

Zur Interessenabwägung nach § 66 FPG führte die belangte Behörde aus, es liege zwar ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers vor. Dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens durch Verhinderung von Aufenthaltsehen, dringend geboten sei. Das Eingehen einer Aufenthaltsehe lasse die Geringschätzung maßgeblicher in Österreich gültiger Rechtsvorschriften durch den Beschwerdeführer erkennen. Diesen die Einreise und den Aufenthalt Fremder regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch die betreffenden Fremden komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu. Es bestehe ein hohes öffentliches Interesse an der Verhinderung von Aufenthaltsehen. Gegen dieses Interesse habe der Beschwerdeführer gravierend verstoßen. Seine durch den bisherigen Aufenthalt im Bundesgebiet erzielte Integration sei durch das Eingehen der Aufenthaltsehe als wesentlich gemindert anzusehen. Bei Abwägung der gegenläufigen Interessen ergebe sich, dass die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet keinesfalls schwerer wögen als das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers und an seinem Fernbleiben vom Bundesgebiet.

Es seien auch keine besonderen Umstände gegeben, die es geboten erscheinen hätten lassen, im Rahmen der Ermessensübung von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand nehmen zu müssen.

Im Hinblick auf das hohe öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens durch Bekämpfung der Aufenthaltsehen habe der Gesetzgeber des FPG die Möglichkeit eingeräumt, ein Aufenthaltsverbot auf bis zu zehn Jahre zu befristen. In Anbetracht des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers könne ein Wegfall des für die Erlassung der Maßnahme maßgeblichen Grundes, nämlich der von ihm ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung, nicht vor Verstreichen des nunmehr mit zehn Jahre festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde und rügt in diesem Zusammenhang, es seien die von ihm beantragten Zeugen nicht vernommen worden. Es ist ihm allerdings entgegenzuhalten, dass er in keiner Weise darstellt, was die Zeugen im Falle ihrer Vernehmung hätten aussagen können, zu welchen konkreten Feststellungen die belangte Behörde anhand dieser Aussagen hätte gelangen können, und weshalb die belangte Behörde anhand dessen zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können. Sohin wird die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers nicht dargetan.

Vor dem Hintergrund der dem Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Beweiswürdigung bloß eingeschränkt zukommenden Überprüfungsbefugnis kann nicht gesagt werden, dass sich die beweiswürdigenden Überlegungen der belangten Behörde als unschlüssig darstellen.

Der Beschwerdeführer richtet sich auch gegen die von der belangten Behörde nach § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung. Er bringt vor, er sei Kurde und wegen einer "drohenden Verfolgung" nach Österreich gekommen. In seiner Heimat verfüge er über keinerlei Familienkontakte mehr. Er halte sich seit geraumer Zeit in Österreich auf. Dem hat die belangte Behörde allerdings zutreffend das Bestehen eines hohen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens entgegengehalten, das der Beschwerdeführer mit seinem Verhalten in maßgeblicher Weise beeinträchtigt hat. Es ist auch nicht zu beanstanden, wenn die belangte Behörde der bisher erlangten Integration des Beschwerdeführers kein maßgebliches Gewicht beigemessen hat, weil er diese lediglich infolge des Eingehens der Aufenthaltsehe erlangen konnte. Die von ihm im Asylverfahren eingebrachte Berufung hat er aus freien Stücken zurückgezogen. Im Übrigen ist die Frage einer allfälligen Verfolgung im Heimatland nicht im Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, sondern in den dafür eigens zur Verfügung stehenden Verfahren - das der Beschwerdeführer auch angestrengt hat - zu klären (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0405, mwN).

Im Ergebnis durfte die belangte Behörde sohin zutreffend davon ausgehen, dass § 66 FPG der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegensteht.

Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde eine Überschreitung des Ermessensspielraums vorwirft, zeigt er nicht auf, welche besonderen Umstände es geboten hätten, im Rahmen der Ermessensübung von der Erlassung der gegenständlichen Maßnahme Abstand zu nehmen.

Schließlich wendet sich der Beschwerdeführer auch gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Festlegung der Dauer des Aufenthaltsverbotes und bringt dazu vor, eine solche Dauer wäre vor dem In-Kraft-Treten des FPG nicht möglich gewesen. Zudem hätte die belangte Behörde die lange Verfahrensdauer und das lange Zurückliegen des Eingehens der Aufenthaltsehe berücksichtigen müssen. Dem ist zum einen zu entgegnen, dass - was der Beschwerdeführer ohnedies selbst erkannt hat - im gegenständlichen Fall die Vorschriften des FPG maßgeblich waren. Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer bis zuletzt (und so aber auch noch weiterhin in der vorliegenden Beschwerde) das Eingehen einer Aufenthaltsehe wahrheitswidrig bestritten hat. Die von der belangten Behörde vorgenommene Befristung des Aufenthaltsverbotes begegnet sohin keinen Bedenken.

Da somit die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
NAAAE-81696