VwGH vom 21.12.2010, 2010/21/0456
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde der G, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom , Zl. St 48/08, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen die aus dem Kosovo stammende Beschwerdeführerin gemäß §§ 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, 63 und 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.
Begründend führte die belangte Behörde unter ausdrücklichem Verweis auf die im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Ausführungen der in erster Instanz entscheidenden Bezirkshauptmannschaft Eferding aus, der Beschwerdeführerin sei am zwecks Familienzusammenführung mit ihrem die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Vater eine bis gültige Niederlassungsbewilligung als begünstigte Drittstaatsangehörige (nach dem Fremdengesetz 1997) erteilt worden. Dieser Aufenthaltstitel sei mehrfach, zuletzt am mit Gültigkeit bis , verlängert worden. Seit In-Kraft-Treten des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes () gelte dieser Aufenthaltstitel als "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt" weiter. Am habe die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Verlängerung ihrer Niederlassungsbewilligung eingebracht.
Die Beschwerdeführerin sei mit Urteil des Landesgerichts Linz vom wegen des Verbrechens des Einbruchsdiebstahls rechtskräftig zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden. Dem sei zu Grunde gelegen, dass die Beschwerdeführerin am in Traun Mitarbeitern eines näher genannten Unternehmens durch Aufbrechen einer für den Einwurf von Kaffeegeld bestimmten Sparbüchse das darin befindliche Bargeld mit dem Vorsatz, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen habe.
Am sei die Beschwerdeführerin vom Landesgericht Linz wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Diese Verurteilung sei erfolgt, weil die Beschwerdeführerin - in mehrfachen näher dargestellten Angriffen - in der Zeit von Ende Mai 2006 bis Ende Juni 2006 anderen Personen in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung gleichartiger Diebstähle eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Bargeld und Zigaretten weggenommen habe, um sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.
Die Beschwerdeführerin sei sohin mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden. Der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG sei daher erfüllt.
Bei der nach § 60 Abs. 1 FPG gebotenen Wertung sei - so die einen integrierenden Bestandteil des angefochtenen Bescheides bildenden Ausführungen im Bescheid erster Instanz - zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin kurz nach ihrer ersten strafrechtlichen Verurteilung, die im März 2006 erfolgt sei, bereits im Mai 2006 rückfällig geworden sei und zudem mehrere Diebstähle begegangen habe. Im Hinblick darauf könne ein seit der letzten Verurteilung gezeigtes Wohlverhalten nicht als entscheidend angesehen werden. Das Fehlverhalten liege nämlich noch nicht solange zurück, dass auf Grund des seitdem verstrichenen Zeitraums eine zuverlässige Prognose über ein zukünftiges Wohlverhalten der Beschwerdeführerin abgegeben werden könnte.
Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes - so die Begründung des angefochtenen Bescheides weiter - sei aber auch im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG dringend erforderlich, weil die Beschwerdeführerin zum einen rasch rückfällig geworden sei, zum anderen mehrfache Tathandlungen gesetzt habe, um sich durch die wiederkehrende Begehung gleichartiger Diebstähle eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.
In Anbetracht der Dauer des bisherigen Aufenthalts der Beschwerdeführerin sei ihr eine entsprechende Integration zuzubilligen. Dabei sei insbesondere zu beachten, dass ihr Vater österreichischer Staatsbürger sei und sie ab über Niederlassungsbewilligungen verfügt habe. Weiters sei zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin mit ihren Eltern, ihren beiden Brüdern und ihrer Schwester im gemeinsamen Haushalt lebe und in ihrem Heimatland keine verwandtschaftlichen Beziehungen mehr habe. Sämtliche Familienangehörige der Beschwerdeführerin lebten in Österreich, Deutschland oder in der Schweiz. Des Weiteren gehe die Beschwerdeführerin seit etwa zwei Jahren einer geregelten Beschäftigung nach und bringe bei einer Reinigungsfirma etwa netto EUR 500,-- ins Verdienen.
Die daraus resultierende Integration sei jedoch in ihrer sozialen Komponente durch das den Verurteilungen zugrunde liegende Fehlverhalten in erheblichem und entscheidendem Ausmaß gemindert. Weder die bereits einmal erfolgte Verurteilung noch das Leben im Familienverband habe die Beschwerdeführerin davon abhalten können, strafrechtlich zu ahndende Handlungen zu setzen. Es sei daher davon auszugehen, dass die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer wögen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die persönliche Lebenssituation der Beschwerdeführerin, zumal sie die Eigentumsdelikte auch in der Absicht verwirklicht habe, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.
Angesichts der im Verfahren hervorgekommenen Sachverhalte sei auch vom nach § 60 Abs. 1 FPG eingeräumten Ermessen zu Lasten der Beschwerdeführerin Gebrauch zu machen. Insbesondere seien dabei der rasche Rückfall und die mehrfachen Tatwiederholungen als maßgeblich anzusehen. Besondere Umstände, die eine Ermessensübung zu Gunsten der Beschwerdeführerin gebieten würden, könnten nicht erblickt werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Eingangs ist festzuhalten, dass die belangte Behörde zur Beurteilung, ob gegen die Beschwerdeführerin ein Aufenthaltsverbot erlassen werden darf, zutreffend den in § 60 Abs. 1 FPG festgelegten Gefährdungsmaßstab heranzog. Den verfassungsrechtlichen Bedenken zum in § 87 FPG festgelegten Adressatenkreis (Familienangehörige im Sinn des § 2 Abs. 4 Z 12 FPG) hinsichtlich der Anwendbarkeit der in § 86 Abs. 1 FPG ausgedrückten Gefährdung auf Angehörige von (u.a.) Österreichern, die ihr (unionsrechtlich begründetes) Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen haben, ist der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , G 284/09 ua., nicht gefolgt.
Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 FPG insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.
Angesichts der von der Beschwerdeführerin nicht in Abrede gestellten rechtskräftigen Verurteilungen erweist sich die Beurteilung der belangten Behörde, der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 vierter Fall FPG sei erfüllt, als unbedenklich.
Die Beschwerdeführerin tritt allerdings den Ausführungen der belangten Behörde, es sei auch die Annahme einer Gefährdung im Sinn des § 60 Abs. 1 FPG gerechtfertigt, entgegen. Die Beschwerdeführerin bringt in diesem Zusammenhang vor, dass für die Prognose nicht allein das Vorliegen rechtskräftiger Verurteilungen maßgeblich sein dürfe. Es sei auf die Art und Schwere der diesen zugrunde liegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen, was die belangte Behörde nicht getan habe.
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin beruht die Einschätzung der belangten Behörde im gegenständlichen Fall nicht bloß allein auf der Tatsache der Verurteilungen. Ausdrücklich wurde im angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Tathandlungen auf die - im Bescheid auch wiedergegebenen - Feststellungen der Behörde erster Instanz verwiesen und diese, "um Wiederholungen zu vermeiden, zum integrierenden Bestandteil des gegenständlichen Bescheides erhoben". Diese Vorgangsweise begegnet keinen Bedenken. Der von der belangten Behörde ihrer Entscheidung derart zugrunde gelegte Sachverhalt tritt im vorliegenden Fall klar zutage. Darüber hinaus nahm die belangte Behörde in ihrer Begründung auch mehrfach auf die rasche Rückfälligkeit der Beschwerdeführerin sowie die gewerbsmäßigen Tatbegehungen Bezug.
Wenn die Beschwerdeführerin meint, dass jeweils "bloß" bedingte Freiheitsstrafen ausgesprochen worden seien und sich daraus das Fehlen einer Gefährdung ergebe, ist dem entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend darauf hingewiesen hat, dass die hier anzustellende Gefährdungsprognose allein aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts vorzunehmen ist und die Erwägungen des zuständigen Strafgerichts insoweit nicht als ausschlaggebend angesehen werden können (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0204, mwN). Insbesondere ist der seit der letzten Verurteilung verstrichene Zeitraum des Wohlverhaltens - bis zum hier für die Beurteilung relevanten Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - noch zu kurz, um verlässlich vom Wegfall oder einer wesentlichen Minderung der von der Beschwerdeführerin hervorgerufenen Gefahr ausgehen zu können.
In diesem Zusammenhang führt die Beschwerdeführerin aber auch nicht aus, welche Feststellungen die belangte Behörde nach Einsichtnahme in die Strafakten hätte treffen können. Insofern legt die Beschwerdeführerin nicht dar, weshalb das von ihr als Verfahrensfehler gerügte Unterbleiben der Beischaffung dieser Akten Relevanz für den Verfahrensausgang hätte haben können.
Soweit die Beschwerdeführerin versucht, die von der belangten Behörde angestellte Gefährdungsprognose unter Hinweis auf ihre familiären Bindungen im Bundesgebiet zu erschüttern, so wurde bereits im angefochtenen Bescheid zu Recht darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin sich schon durch das bisherige Leben im Familienverband nicht von der Begehung der strafbaren Handlungen hat abhalten lassen.
Zusammengefasst ist es nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs nicht zu beanstanden, wenn die belangte Behörde mit Blick auf die von ihr ins Treffen geführte rasche Rückfälligkeit der Beschwerdeführerin, der mehrfachen Tatbegehungen und dem von der Beschwerdeführerin mit den strafbaren Handlungen verfolgten Ziel, sich durch deren Begehungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, die in § 60 Abs. 1 FPG genannte Gefährdung bejaht hat.
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin kann aber auch nicht davon ausgegangen werden, die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf ihr Privat- und Familienleben seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Die Bindungen im Bundesgebiet zu ihren Familienangehörigen und das Fehlen verwandtschaftlicher Beziehungen in ihrem Heimatland hat die belangte Behörde in ihre Erwägungen miteinbezogen; ebenso ihre seit etwa zwei Jahren aufrechte Beschäftigung.
Angesichts dessen, dass das öffentlichen Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen wie der hier in Rede stehenden als hoch zu veranschlagen ist und die Beschwerdeführerin durch die von ihr gesetzten Diebstähle, die zum überwiegenden Teil gewerbsmäßig begangen wurden, dagegen in hohem Maß verstoßen hat, kann es nicht als rechtswidrig angesehen werden, wenn die belangte Behörde den persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin am Verbleib im Bundesgebiet gegenüber den öffentlichen Interessen den Vorrang eingeräumt hat. Die von ihr behaupteten Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in ihr Heimatland hat sie ebenso wie die Trennung von ihren Familienangehörigen im öffentlichen Interesse hinzunehmen. Dass die Beschwerdeführerin, die im Übrigen trotz ihres bisherigen Aufenthalts im Bundesgebiet ihren eigenen Angaben im Verwaltungsverfahren zufolge der deutschen Sprache nicht mächtig ist, in ihrem Heimatland als gänzlich entwurzelt anzusehen wäre, hat sie nicht vorgebracht. Davon kann fallbezogen mit Blick darauf, dass die im Jahr 1984 geborene Beschwerdeführerin bis November 2003 in ihrem Heimatland gelebt hat aber auch nicht ausgegangen werden.
Anders als die Beschwerdeführerin meint, sind auch keine ausreichenden Gründe dafür vorhanden, dass im Rahmen der Ermessensübung von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes hätte Abstand genommen werden müssen.
Da sohin die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
DAAAE-81695