VwGH vom 24.02.2016, 2013/08/0125

VwGH vom 24.02.2016, 2013/08/0125

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten, den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätinnen Dr. Julcher und Mag. Rossmeisel sowie den Hofrat Dr. Pürgy als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Gruber, über die Beschwerde des Landes Tirol, vertreten durch Univ.-Doz. Dr. Thomas Walzel von Wiesentreu, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schöpfstraße 6b, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom , Zl. GES-SV-1013-4/30/2-2012, betreffend Überweisungsbetrag nach § 308 ASVG (mitbeteiligte Partei: Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1 1. Mit Bescheid der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt vom wurde dem Antrag der beschwerdeführenden Partei stattgegeben und der Überweisungsbetrag gemäß § 308 ASVG für eine Bedienstete, die mit Wirkung vom in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis zur beschwerdeführenden Partei aufgenommen worden war, mit EUR 29.115,24 festgelegt.

2 2. Die belangte Behörde wies den dagegen von der beschwerdeführenden Partei erhobenen und gegen die Höhe des Überweisungsbetrages gerichteten Einspruch mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab.

3 In der Begründung führte die belangte Behörde aus, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung im Sinne der Bestimmungen der Richtlinie 2006/54/EG eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechts, insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand, untersage.

§ 308 Abs. 1 und 6 ASVG lege die Höhe des Betrages fest, den die Pensionsversicherungsanstalt an den Dienstgeber eines Versicherten, der in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis aufgenommen werde, überweise. Es handle sich dabei um einen Pauschalbetrag, der bei Männern und Frauen unterschiedlich berechnet werde. In dieser unterschiedlichen Berechnung sehe die beschwerdeführende Partei eine mittelbare Diskriminierung von Frauen im Sinne der Richtlinie 2006/54/EG. Nach Ansicht der belangten Behörde liege keine solche Diskriminierung vor, weil § 308 ASVG keine Bedingungen für den Zugang zur Aufnahme in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis enthalte, sondern nur die Art der Abrechnung zwischen dem Pensionsversicherungsträger und dem Dienstgeber nach Aufnahme in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis regle. Die Richtlinie 76/207/EWG bzw. die Richtlinie 2006/54/EG seien in Tirol für alle in einem öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Dienstverhältnis oder in einem Ausbildungsverhältnis zum Land Tirol stehenden Bediensteten durch das Landes-Gleichbehandlungsgesetz 2005 (L-GlBG 2005) umgesetzt worden. Nach § 4 L-GlBG 2005 dürfe niemand auf Grund des Geschlechts, insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- und Familienstand, unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht bei der Begründung des Dienst- oder Ausbildungsverhältnisses, bei der Festsetzung des Entgelts, bei der Gewährung freiwilliger Sozialleistungen, die kein Entgelt darstellen, bei Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung, beim beruflichen Aufstieg, insbesondere bei Beförderungen und der Zuweisung höher entlohnter Verwendungen (Funktionen), bei den sonstigen Arbeitsbedingungen und bei der Beendigung des Dienst- oder Ausbildungsverhältnisses. Die beschwerdeführende Partei dürfe daher bei der Auswahl, wer in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis aufgenommen werde, nicht diskriminierend vorgehen. Insofern könne durch § 308 Abs. 6 ASVG auch kein Verstoß gegen die Richtlinie 2006/54/EG ins Treffen geführt werden. Es liege auch weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Diskriminierung im Sinne der Richtlinie 79/7/EWG vor, weil Frauen durch die Auszahlung eines niedrigeren Überweisungsbetrages an den Dienstgeber überhaupt keinen Nachteil erleiden würden. Die Höhe des Überweisungsbetrages, der an den Dienstgeber ausbezahlt werde, wirke sich nämlich nicht auf die Höhe des Ruhegenusses aus und habe auch sonst keine Auswirkungen für die Dienstnehmerinnen. Es sei ein solcher Nachteil für Frauen durch die Anwendung des § 308 Abs. 1 und 6 ASVG auch nicht behauptet worden.

Auch das von der beschwerdeführenden Partei ins Treffen geführte , könne daran nichts ändern. Diese Entscheidung setze sich lediglich mit der in Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2004/113/EG vorgesehenen Ausnahme von der Gleichbehandlung für Männer und Frauen von Prämien und Leistungen im Bereich des Versicherungswesens auseinander. Die genannte Richtlinie sei für das vorliegende Verfahren jedoch nicht von Bedeutung. Bei unterschiedlichen Versicherungsprämien für Männer und Frauen liege zwar ein Nachteil durch eine höhere Versicherungsprämie für Männer bzw. Frauen vor. Im hier zu prüfenden Fall bedeute die Anwendung des § 308 Abs. 6 ASVG aber eben keinen finanziellen Nachteil für die Frau. Es werde daher in der Anwendung des § 308 Abs. 6 ASVG - zumindest im hier zu prüfenden Verfahren in Zusammenhang mit § 308 Abs. 1 ASVG - kein Verstoß gegen europarechtliche Vorschriften gesehen.

4 Hinsichtlich des geltend gemachten Verstoßes gegen den Gleichheitssatz gemäß Art. 7 B-VG verweist die belangte Behörde auf die Gesetzesmaterialien sowie die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes zu § 308 Abs. 6 ASVG. Soweit von der beschwerdeführenden Partei vorgebracht werde, die darin zugrunde gelegten Berechnungen hätten keine Gültigkeit mehr, sei auszuführen, dass immer noch große Unterschiede bei den Einkommen bestünden. Nach den Daten der Statistik Austria verdienten unselbständig beschäftigte Frauen nach Vergleich der Bruttojahreseinkommen von Frauen und Männern auf Basis der Lohnsteuer in den Jahren 1997 bis 2010 um rund 40 % weniger als Männer. Bei Berücksichtigung der Unterschiede im Beschäftigungsausmaß und bei Beschränkung des Vergleichs auf ganzjährig Vollzeitbeschäftigte lägen die Bruttojahreseinkommen der Frauen immer noch rund 20 % unter jenen der Männer. Insofern könne auch dem Argument, die Anwendung des § 308 Abs. 6 ASVG sei gleichheitswidrig, nicht gefolgt werden.

5 3. Die beschwerdeführende Partei hat gegen diesen Bescheid zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der mit Beschluss vom , B 774/12-11, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

6 4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7 1.1. Gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 sind, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

8 1.2. § 308 ASVG in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 62/2010 lautet (auszugsweise) wie folgt:

" Überweisungsbetrag und Beitragserstattung

§ 308. (1) Wird ein Versicherter in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis (Abs. 2) aufgenommen und rechnet der Dienstgeber nach den für ihn geltenden dienstrechtlichen Vorschriften

a) Beitragsmonate nach diesem Bundesgesetz, Ersatzmonate nach § 229, § 228 Abs. 1 Z 1 und 4 bis 6, § 227 Abs. 1 Z 1, soweit sie leistungswirksam sind, Z 2, 3 und 7 bis 9 dieses Bundesgesetzes,

b) Beitragsmonate nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz, Ersatzmonate nach § 116 Abs. 1 Z 1 und 2 des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes,

c) Beitragsmonate nach dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz, Ersatzmonate nach § 107 Abs. 1 Z 1 und 2 des Bauern Sozialversicherungsgesetzes,

für die Begründung des Anspruches auf einen Ruhe(Versorgungs)genuß bedingt oder unbedingt an, so hat der nach Abs. 5 zuständige Versicherungsträger auf Antrag dem Dienstgeber einen Überweisungsbetrag in der Höhe von je 7 v. H. der Berechnungsgrundlage nach Abs. 6 für jeden in der Pensionsversorgung bedingt oder unbedingt angerechneten Beitragsmonat und von je 1 v. H. dieser Berechnungsgrundlage für jeden in der Pensionsversorgung bedingt oder unbedingt angerechneten Ersatzmonat zu leisten. Zur Stellung des Antrages ist sowohl der Dienstgeber als auch der Dienstnehmer berechtigt.

(1a) Wird eine versicherte Person nach dem in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis (Abs. 2) aufgenommen und hat der Dienstgeber nach den dienstrechtlichen Vorschriften dieses Bundesgesetz oder das APG anzuwenden, so hat der Versicherungsträger abweichend von Abs. 1 für alle bis zur Aufnahme in das pensionsversicherungsfreie Dienstverhältnis erworbenen Versicherungsmonate (Beitrags- und Ersatzmonate) einen Überweisungsbetrag zu leisten. Dies gilt auch für Bedienstete des Bundes, die nach § 136b des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis aufgenommen wurden. In den Fällen des § 8 Abs. 1a sind der erste und zweite Satz nicht anzuwenden.

(2) (...)

(3) Ist ein Überweisungsbetrag nach Abs. 1 zu leisten, so hat der zuständige Versicherungsträger dem (der) Versicherten auf Antrag folgende Beiträge, aufgewertet mit dem für das Jahr ihrer Entrichtung geltenden Aufwertungsfaktor, zu erstatten:

2. Beiträge zur Höherversicherung nach diesem Bundesgesetz oder dem GSVG oder dem BSVG, die für Zeiten entrichtet wurden, die vor dem Stichtag nach Abs. 7 liegen, soweit sie nicht nur nach den §§ 70 und 249 als entrichtet gelten;

3. Beiträge nach § 227 Abs. 3 dieses Bundesgesetzes oder nach § 116 GSVG oder nach § 107 BSVG, die für Zeiten entrichtet wurden, die vor dem Stichtag nach Abs. 7 liegen.

Diese Beiträge sind dem (der) Versicherten auf Antrag auch dann zu erstatten, wenn ein Überweisungsbetrag nach Abs. 1 nicht zu leisten ist, weil der Dienstgeber keinen Versicherungsmonat anrechnet. § 107a gilt entsprechend.

(4) bis (5) (...)

(6) Grundlage für die Berechnung des Überweisungsbetrages nach Abs. 1 und für die Erstattung der Beiträge nach Abs. 3 sind die nachstehend angeführten Hundertsätze der am Stichtag (Abs. 7) geltenden monatlichen Höchstbeitragsgrundlage in der Pensionsversicherung (Berechnungsgrundlage):


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Angestellte
Arbeiter
Träger der
männl.
weibl.
männl.
weibl.
Pensionsversicherung der Angestellten
55
40
--
--
Pensionsversicherung der Arbeiter
--
--
45
30
knappschaftlichen Pensionsversicherung
55
40
45
30

(7) bis (8) (...)"

9 1.3. Gemäß der Richtlinie 79/7/EWG zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männer und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit, ABl. L 6 vom , S. 24, beinhaltet der Grundsatz der Gleichbehandlung den Fortfall jeglicher unmittelbaren und mittelbaren Diskriminierung auf Grund des Geschlechts, insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- und Familienstand, und zwar im Besonderen betreffend den Anwendungsbereich der Systeme und die Bedingungen für den Zugang zu den Systemen, die Beitragspflicht und die Berechnung der Beiträge, die Berechnung der Leistungen, einschließlich der Zuschläge für den Ehegatten und für unterhaltsberechtigte Personen, sowie die Bedingungen betreffend die Geltungsdauer und die Aufrechterhaltung des Anspruches auf die Leistungen.

Nach Art. 2 lit. b) der Richtlinie 2006/54/EG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen, ABl. L 204 vom , S. 23, bezeichnet der Ausdruck "mittelbare Diskriminierung" eine Situation, in der dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen des einen Geschlechts in besonderer Weise gegenüber Personen des anderen Geschlechts benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. Gemäß Art. 4 der Richtlinie 2006/54/EG wird bei gleicher Arbeit oder bei einer Arbeit, die als gleichwertig anerkannt wird, mittelbare und unmittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechts in Bezug auf sämtliche Entgeltbestandteile und - bedingungen beseitigt. Insbesondere wenn zur Festlegung des Entgelts ein System beruflicher Einstufung verwendet wird, muss dieses System auf für männliche und weibliche Arbeitnehmer gemeinsamen Kriterien beruhen und so beschaffen sein, dass Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts ausgeschlossen werden. Art. 5 der Richtlinie 2006/54/EG ordnet an, dass es - unbeschadet des Artikels 4 - in betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechts geben darf, insbesondere hinsichtlich des Anwendungsbereichs solcher Systeme und die Bedingungen für den Zugang zu ihnen, der Beitragspflicht und der Berechnung der Beiträge, der Berechnung der Leistungen, einschließlich der Zuschläge für den Ehegatten und für unterhaltsberechtigte Personen, sowie der Bedingungen betreffend die Geltungsdauer und die Aufrechterhaltung des Leistungsanspruchs.

Nach Art. 14 der Richtlinie 2006/54/EG darf es im öffentlichen und privaten Sektor einschließlich öffentlicher Stellen unter anderem in Bezug auf die Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung oder zu abhängiger oder selbständiger Erwerbstätigkeit, die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich der Entlassungsbedingungen sowie das Arbeitsentgelt auf keinerlei unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechts geben.

10 2. Die Beschwerde bestreitet die Unionsrechtskonformität des § 308 Abs. 6 ASVG. Der Grundsatz der Gleichbehandlung im Sinne der Bestimmungen der Richtlinie 2006/54/EG beinhalte insbesondere auch das Verbot der unterschiedlichen sozialversicherungsrechtlichen Behandlung von Männern und Frauen außerhalb von betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit aus versicherungsmathematischen Erwägungen. Auch habe der EuGH dem Diskriminierungsverbot des Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 79/7/EG unmittelbare Wirkung zugesprochen, wodurch dieses unmittelbar vor den nationalen Gerichten geltend gemacht werden könne, um die Anwendung aller mit dem Diskriminierungsverbot unvereinbaren innerstaatlichen Vorschriften auszuschließen.

11 Nach § 308 Abs. 6 ASVG sei die Grundlage für die Berechnung des Überweisungsbetrages für Männer und Frauen unterschiedlich zu ermitteln, wobei entgegen den tatsächlichen Verhältnissen der Überweisungsbetrag bei weiblichen Angestellten allein von Gesetzes wegen immer niedriger als bei Männern in vergleichbaren Positionen und mit einem identen Einkommen bzw. Versicherungsverlauf sei. Für den Dienstgeber sei es insofern aber attraktiver, lediglich bzw. zum überwiegenden Anteil Männer in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis zu ernennen, weil männliche Angestellte einen höheren Überweisungsbetrag erhielten als weibliche Angestellte. Die belangte Behörde habe die Frage nach einer möglichen Diskriminierung von Frauen nicht aus der Regelung selbst heraus, sondern ausschließlich in Zusammenhang mit dem Zugang von Frauen zur Pragmatisierung beantwortet. Diese Begründung sei entschieden zu kurz gegriffen und werde insbesondere nicht den unionsrechtlichen Vorgaben gerecht. § 308 Abs. 6 ASVG müsse für sich genommen, also unabhängig von einem "erschwerten" Zugang von Frauen zur Pragmatisierung, auf ihre Übereinstimmung mit unmittelbar anwendbarem Unionsrecht überprüft werden. Die Frage habe zu lauten, ob die in § 308 Abs. 6 ASVG vorgesehenen unterschiedlichen Prozentsätze bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage als solche unionskonform seien oder nicht. Diese Frage sei zweifelsfrei zu verneinen.

12 Die Richtlinie 2006/54/EG enthalte keine ausdrückliche Ausnahme, nach der eine unterschiedliche Berechnung des Überweisungsbetrages für Männer und Frauen erlaubt wäre. Bestimmungen, die sich unmittelbar oder mittelbar auf das Geschlecht stützten, wie dies bei § 308 Abs. 6 ASVG der Fall sei, widersprächen insofern dem unionsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz sowie der Richtlinie 2006/54/EG. Im Schrifttum werde vertreten, dass auch dem Einwand statistischer belegter Unterschiede in der Situation von Männer und Frauen in Österreich keine Relevanz zukomme. Die Richtlinie 79/7/EWG lasse nämlich keine Ermächtigung zu einer unterschiedlichen Behandlung von Frauen und Männern aus versicherungsmathematischen Erwägungen zu.

13 Es stehe als Motiv hinter der Richtlinie 2006/54/EG die Beseitigung aller faktischen Umstände, vor allem in Zusammenhang mit einer Erwerbstätigkeit. Tatsächlich führe die in § 308 Abs. 6 ASVG vorgenommene Differenzierung des Berechnungsprozentsatzes im Ergebnis dazu, dass hinsichtlich der angestellten Männer bei absoluter Betrachtung ein um 37,5 % höherer Überweisungsbetrag zugesprochen werde als bei Frauen.

14 Eine mittelbare Diskriminierung liege bereits dann vor, wenn eine nationale Maßnahme zwar neutral formuliert sei, in ihrer Anwendung aber wesentlich mehr Frauen als Männer benachteilige. Gerade eine solche Benachteiligung von Frauen (und zwar ausschließlich von Frauen) resultiere aus der praktischen Anwendung des § 308 Abs. 6 ASVG, weil es sich bei derzeitige Rechtslage rein aus finanzieller Sicht betrachtet für den öffentlichen Dienstgeber durchaus als attraktiver darstelle, lediglich bzw. zum überwiegenden Anteil Männer in ein öffentlichrechtliches Dienstverhältnis zu ernennen, zumal Männer und Frauen im öffentlichen Dienst in vergleichbaren Positionen ein identes Einkommen erhielten. Bei der Pragmatisierung weiblicher Bediensteter erwachse dem nunmehr pensionsversicherungspflichtigen Dienstgeber ein deutlicher finanzieller Nachteil.

15 § 308 Abs. 6 ASVG wäre daher seitens der belangten Behörde richtlinienkonform zu interpretieren gewesen. Dies bedeute, dass die unterschiedliche Berechnung des Überweisungsbetrages, insoweit sie für angestellte Frauen lediglich einen Wert von 40 % der am Stichtag geltenden monatlichen Höchstbeitragsgrundlage in der Pensionsversicherung vorsehe, unangewendet zu bleiben gehabt hätte. Stattdessen wäre bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage unterschiedslos und in nicht diskriminierender Weise der Wert von 55 % heranzuziehen gewesen.

16 3. Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerde nicht im Recht:

§ 308 ASVG dient dem Zweck, die gesetzliche Pensionsversicherung mit den Versorgungssystemen der öffentlich-rechtlichen Dienstgeber zu koordinieren (vgl. zB Frank in: Mosler/Müller/Pfeil (Hrsg.), Der SV-Komm, § 308 ASVG Rz. 1 (96. Lfg.)). Wird ein Versicherter in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis aufgenommen und rechnet der neue Dienstgeber dem Versicherten pensionsversicherungspflichtige Zeiten und Ersatzzeiten für sein Versorgungssystem an, so hat nach § 308 Abs. 1 ASVG der zuständige Pensionsversicherungsträger auf Antrag dem neuen Dienstgeber einen Überweisungsbetrag zu leisten.

Grundlage für die Berechnung des Überweisungsbetrages bilden die in § 308 Abs. 6 ASVG normierten Hundertsätze, die nach männlichen und weiblichen Angestellten und Arbeitern unterteilt sind. Die Festlegung der Hundertsätze erfolgte im Zuge der Neufassung der §§ 308 ff durch die 29. Novelle zum ASVG (BGBl. Nr. 31/1973) auf Basis damaliger tatsächlicher durchschnittlicher Beitragsgrundlagen, die man für jeden untersuchten Typ in ein Verhältnis zur jeweiligen Höchstbeitragsgrundlage gesetzt hat. Die damit für männliche und weibliche Angestellte in unterschiedlicher Höhe festgelegte Bemessungsgrundlage zur Ermittlung des Überweisungsbetrages entspricht nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes einer verfassungsrechtlich zulässigen Durchschnittsbetrachtung im Interesse einer vereinfachten Ermittlung des Überweisungsbetrages (vgl. VfSlg. 9908/1983). Nachdem das durchschnittliche Bruttojahreseinkommen weiblicher Angestellter immer noch weit unter dem durchschnittlichen Bruttoeinkommen männlicher Angestellter liegt (vgl. Statistisches Handbuch der österreichischen Sozialversicherungen 2012, Kapitel 1, 4), hat der Verfassungsgerichtshof gegenständlich auch keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des § 308 Abs. 6 ASVG gesehen (vgl. den zitierten Beschluss vom , B 774/12-11).

Dem Argument der revisionswerbenden Partei, wonach die in § 308 Abs. 6 ASVG für männliche und weibliche Angestellte in unterschiedlicher Höhe festgelegte Bemessungsgrundlage zur Ermittlung des Überweisungsbetrages den tatsächlichen Verhältnissen widerspreche, kann somit nicht gefolgt werden.

17 In Hinblick auf die vorgebrachten unionsrechtlichen Bedenken ist entscheidend, dass die Höhe des Überweisungsbetrages, der an neuen Dienstgeber geleistet wird, keine Auswirkungen auf die Höhe des Ruhegenusses der Dienstnehmer hat. § 308 ASVG regelt lediglich die Abrechnung zwischen dem Pensionsversicherungsträger und dem neuen Dienstgeber. Ein geringerer Überweisungsbetrag für weibliche Dienstgeber geht somit ausschließlich zu Lasten des neuen Dienstgebers. Der nach § 308 Abs. 6 ASVG für Frauen geltende niedrigere Hundertsatz kann daher schon aus diesem Grund zu keiner direkten Diskriminierung weiblicher Dienstnehmer führen.

18 Soweit die Beschwerde eine mittelbare Diskriminierung im Sinne des Art. 2 lit. b) der Richtlinie 2006/54/EG darin sieht, dass es für den Dienstgeber attraktiver wäre, lediglich bzw. zum überwiegenden Anteil Männer in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis zu ernennen, weil sie für männliche Angestellte einen höheren Überweisungsbetrag erhalten als für weibliche Angestellte, unterstellt sie dem neuen Dienstgeber (im vorliegenden Fall somit sich selbst) ein rechtswidriges Verhalten. Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nämlich zutreffend ausführt, darf die beschwerdeführende Partei gemäß § 4 Abs. 1 Tiroler Landes-Gleichbehandlungsgesetzes bei der Auswahl, wer in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis aufgenommen wird, nicht diskriminierend vorgehen. Der nach § 308 Abs. 6 ASVG für Frauen geltende niedrigere Hundertsatz könnte somit nur dann zu einer mittelbaren Diskriminierung weiblicher Dienstnehmer führen, wenn der neue Dienstgeber gegen das Tiroler Landes-Gleichbehandlungsgesetz verstoßen würde.

19 4. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am