VwGH vom 22.03.2021, Ra 2019/05/0303

VwGH vom 22.03.2021, Ra 2019/05/0303

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bayjones und den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak, Dr. Leonhartsberger und Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision der H GmbH in I, vertreten durch Dr. Burghard Seyr, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 23, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom , LVwG-2019/26/1273-5, betreffend Aufträge nach § 62 Abs. 7 AWG 2002 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Tirol), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz wird abgewiesen.

Begründung

1Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurden der revisionswerbenden Partei betreffend eine näher bezeichnete Abfallbehandlungsanlage in der KG W. mehrere Aufträge gemäß § 62 Abs. 7 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), insbesondere auch zur Entfernung sämtlicher Abfälle aus dieser Anlage binnen näher bezeichneter Frist, erteilt.

2In der dagegen an das Landesverwaltungsgericht Tirol (in der Folge: LVwG) erhobenen Beschwerde führte die revisionswerbende Partei, soweit vorliegend relevant, aus, nicht Anlageninhaberin im Sinne des § 62 Abs. 7 AWG 2002 zu sein. Ihr fehle (nunmehr) sowohl die rechtliche als auch die faktische Möglichkeit zur Benutzung der Grundstücke, auf denen sich die Abfallbehandlungsanlage befinde, weil die Bestandverhältnisse zwischen ihrer Vermieterin bzw. Untervermieterin (HRT GmbH) und der Grundstückseigentümerin bzw. -mieterin (DB GmbH) aufgelöst worden seien, ohne eine Vereinbarung über die Räumung der Liegenschaft zu treffen. Es sei der revisionswerbenden Partei daher nicht möglich gewesen, die ihr zuzuordnenden Abfälle zu entsorgen. Mit Schreiben vom habe sie der belangten Behörde die Einstellung des Betriebes der Abfallbehandlungsanlage mitgeteilt. Das AWG 2002 sehe keine gesetzliche Definition des „Anlageninhabers“ vor. Dies sei in erster Linie der Betreiber einer Anlage; werde diese nicht betrieben, sei es die Person, die die Sachherrschaft habe; nach dieser Definition sei die revisionswerbende Partei nicht Anlageninhaberin und daher nicht die richtige Bescheidadressatin.

3Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das LVwG die Beschwerde mit der Maßgabe der Neufestsetzung der Leistungsfristen und einer weiteren, für die Behandlung der Revision nicht relevanten Spruchänderung, als unbegründet ab (1.) und sprach aus, dass eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG gegen dieses Erkenntnis nicht zulässig sei (2.).

4Begründend führte das LVwG dazu zusammengefasst aus, die revisionswerbende Partei habe die Abfallbehandlungsanlage seit dem und bis zur Betriebseinstellung betrieben; nach ihr sei die Anlage von keiner anderen Rechtsperson betrieben worden. Die DB GmbH sei grundbücherliche Eigentümerin zweier Grundstücke und Mieterin dreier weiterer Grundstücke der KG W., auf denen sich die gegenständliche Anlage befinde. Die DB GmbH habe alle diese Grundstücke an die HRT GmbH vermietet bzw. untervermietet gehabt, die HRT GmbH wiederum habe die Rechte zur Grundstücksbenutzung und zur Betreibung der Abfallbehandlungsanlage an die revisionswerbende Partei übertragen. Mit Auflösungsvereinbarung vom sei der Bestandvertrag zwischen der DB GmbH und der HRT GmbH einvernehmlich zum aufgelöst und kurz darauf die gesamte Schließanlage für die Abfallbehandlungsanlage ausgetauscht worden. Im Frühjahr 2019 seien sämtliche mobilen Behandlungsanlagen sowie die Elektrik der stationären Anlagen von der Abfallbehandlungsanlage entfernt worden und somit ein Betrieb der Abfallbehandlungsanlage nicht mehr möglich gewesen. Mit Eingabe vom habe die revisionswerbende Partei die Einstellung des Betriebes der Abfallbehandlungsanlage bekannt gegeben. Seit dem Austausch der Schließanlage seien seitens der revisionswerbenden Partei keine Materialbewegungen am Betriebsgelände durchgeführt worden. Auf dem Betriebsgelände der Abfallbehandlungsanlage würden sich aber noch größere Mengen an Abfällen befinden. Die DB GmbH sei bereit, der revisionswerbenden Partei den Zugang zur Abfallbehandlungsanlage zum Zwecke der Räumung derselben zu gestatten und somit das Entfernen der Abfälle zu ermöglichen.

5In rechtlicher Hinsicht führte das LVwG - soweit für die Behandlung der vorliegenden Revision relevant - aus, die Regelung des § 62 Abs. 7 AWG 2002 sei mit jener des § 83 Abs. 3 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) vergleichbar, weshalb die hierzu ergangene Rechtsprechung auch im vorliegenden Fall herangezogen werden könne (wird näher ausgeführt). Als Anlageninhaber im Sinne des § 62 Abs. 7 AWG 2002 sei jene physische oder juristische Person zu verstehen, die bisher die Abfallbehandlungsanlage betrieben habe und bei der es zur Unterbrechung oder zur Einstellung des Anlagenbetriebes gekommen sei. Vor der Bekanntgabe der Betriebseinstellung seien die mobilen Behandlungsanlagen sowie die elektrischen Einrichtungen entfernt und solcherart eine Auflassungshandlung verwirklicht worden, da die verfahrensgegenständliche Abfallbehandlungsanlage nicht mehr betrieben werden könne. Die revisionswerbende Partei sei als „auflassende Anlageninhaberin“ im Sinne des § 62 Abs. 7 AWG 2002 anzusehen, und daher zutreffend als Bescheidadressatin der bekämpften behördlichen Aufträge betrachtet worden.

6Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

7Die belangte Behörde erstattete in dem vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurück- in eventu Abweisung der Revision beantragt.

8Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9Die Revision erweist sich in Anbetracht des Fehlens von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, wer im Falle der Einstellung des Betriebes als Anlageninhaber im Sinne des § 62 Abs. 7 AWG 2002 anzusehen ist, als zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

10In der Revision wird im Wesentlichen ausgeführt, das LVwG habe keine Feststellungen dazu getroffen, wer die mobilen Behandlungsanlagen vom Betriebsareal entfernt habe. Die rechtliche Schlussfolgerung im angefochtenen Erkenntnis, die revisionswerbende Partei als „auflassende Anlagenbetreiberin“ anzusehen, sei ohne entsprechende Feststellungen nicht zulässig. Das Hauptbestandverhältnis sei ohne Beteiligung der revisionswerbenden Partei aufgelöst worden; nach dessen Auflösung seien die Schlösser zur Betriebsanlage ausgetauscht worden. Mit der Beendigung des Hauptbestandverhältnisses habe die Berechtigung der revisionswerbenden Partei geendet, das Areal für ihren Betrieb zu benützen. Die revisionswerbende Partei habe selbst keine Auflösungshandlung gesetzt und sei nach der Rechtsprechung der Höchstgerichte auch nicht mehr als Inhaberin zu betrachten. Die Innehabung sei entweder auf die Unterbestandgeberin oder die Hauptbestandgeberin übergegangen; diese seien beide ebenfalls „in der Abfallwirtschaft“ tätig. Abweichend von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe das LVwG die revisionswerbende Partei als Anlageninhaberin qualifiziert, obwohl dieser über das betroffene Betriebsgelände weder eine rechtliche noch eine tatsächliche Sachherrschaft zukomme. Die Auflösung des Bestandverhältnisses und teilweise Räumung des Geländes durch Entfernung der mobilen Behandlungsanlagen seien nicht der revisionswerbenden Partei zuzurechnen. Die reine Möglichkeit, dass die Hauptbestandgeberin der revisionswerbenden Partei den Zugang zum Betriebsareal ermöglichen würde, räume dieser keine Sachherrschaft im Sinne der Judikatur der Höchstgerichte ein. Als „auflassende Anlageninhaberin“ sei nicht mehr die revisionswerbende Partei anzusehen, weshalb sie als Normadressatin eines bescheidmäßigen Auftrages zur Räumung der Abfallbehandlungsanlage nicht in Frage käme.

11§ 62 Abs. 4 und 7 AWG 2002, BGBl. I Nr. 102/2002 in der im Revisionsfall maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 71/2019, lautet:

Überwachung von Behandlungsanlagen und Maßnahmen für die Betriebs- und Abschlussphase

§ 62.

[...]

(4) Bei Gefahr im Verzug hat die Behörde die geeigneten Maßnahmen unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Inhaber der Behandlungsanlage nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen.

[...]

(7) Werden vom Anlageninhaber bei einer Unterbrechung oder bei der Einstellung des Betriebs nicht die zur Vermeidung der Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen erforderlichen Maßnahmen gesetzt, hat die zuständige Behörde diese bescheidmäßig aufzutragen. Der Bescheid ist sofort vollstreckbar.

[...]“

12In den Materialien zur Novelle des AWG 2002, BGBl. I Nr. 43/2007, mit der diese Bestimmung in das Gesetz eingeführt wurde (RV 89 BlgNR 23. GP, S. 15) wird dazu ausgeführt:

„Es wird die Möglichkeit geschaffen, seitens der Behörde einzugreifen, wenn die erforderlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit einer Unterbrechung oder die erforderlichen Auflassungsmaßnahmen nicht getroffen werden.“

13In den Materialien zur Stammfassung des AWG 2002, BGBl. I Nr. 102/2002 (RV 984 BlgNR 21. GP, S. 87 und S. 103) heißt es „Zu Art. 1 § 2“ wie folgt:

„Der Begriff ‚Inhaber‘ wird im Gesetz durchgängig für diejenige Person, welche die Sachherrschaft über [die] Sache hat, verwendet; als Inhaber einer Anlage gilt in erster Linie der Betreiber der Anlage, sofern diese nicht betrieben wird die Person, welche die Sachherrschaft hat.“

und „Zu Art. 1 § 64“ folgendermaßen:

„Zum Begriff ‚Inhaber‘ vgl. die Erläuterungen zu § 2 (Abfallbesitzer).“

14§ 83 GewO 1994, BGBl. Nr. 194/1994 in der Fassung BGBl. I Nr. 63/1997 lautet:

§ 83. (1) Beabsichtigt der Inhaber einer Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 die Auflassung seiner Anlage oder eines Teiles seiner Anlage, so hat er die notwendigen Vorkehrungen zur Vermeidung einer von der in Auflassung begriffenen oder aufgelassenen Anlage oder von dem in Auflassung begriffenen oder aufgelassenen Anlagenteil ausgehenden Gefährdung, Belästigung, Beeinträchtigung oder nachteiligen Einwirkung im Sinne des § 74 Abs. 2 zu treffen.

(2) Der Anlageninhaber hat den Beginn der Auflassung und seine Vorkehrungen anläßlich der Auflassung der zur Genehmigung der Anlage zuständigen Behörde (Genehmigungsbehörde) vorher anzuzeigen.

(3) Reichen die vom Anlageninhaber gemäß Abs. 2 angezeigten Vorkehrungen nicht aus, um den Schutz der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen zu gewährleisten, oder hat der jeweilige Inhaber der in Auflassung begriffenen Anlage oder der Anlage mit dem in Auflassung begriffenen Anlagenteil (auflassender Anlageninhaber) die zur Erreichung dieses Schutzes notwendigen Vorkehrungen nicht oder nur unvollständig getroffen, so hat ihm die Genehmigungsbehörde die notwendigen Vorkehrungen mit Bescheid aufzutragen.

(4) Durch einen Wechsel in der Person des auflassenden Anlageninhabers wird die Wirksamkeit des bescheidmäßigen Auftrages gemäß Abs. 3 nicht berührt.

(5) Der auflassende Anlageninhaber hat der Genehmigungsbehörde anzuzeigen, dass er die gemäß Abs. 2 angezeigten und bzw. oder die von der Genehmigungsbehörde gemäß Abs. 3 aufgetragenen Vorkehrungen getroffen hat.

(6) Reichen die getroffenen Vorkehrungen aus, um den Schutz der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen zu gewährleisten, und sind daher dem auflassenden Anlageninhaber keine weiteren Vorkehrungen im Sinne des Abs. 3 mit Bescheid aufzutragen, so hat die Genehmigungsbehörde dies mit Bescheid festzustellen. Dieser Feststellungsbescheid ist außer in begründeten Ausnahmefällen innerhalb von drei Monaten nach Erstattung der im Abs. 2 angeführten Anzeige bzw. nach Erlassung des im Abs. 3 angeführten Bescheides zu erlassen. Mit Eintritt der Rechtskraft dieses Feststellungsbescheides ist die Auflassung beendet und erlischt im Falle der gänzlichen Auflassung der Anlage die Anlagengenehmigung.“

15Zunächst ist festzuhalten, dass sich das Vorbringen der revisionswerbenden Partei der Sache nach darauf beschränkt, sie sei gegenständlich nicht als Normadressatin des § 62 Abs. 7 AWG 2002 anzusehen, da keine Feststellungen dazu getroffen worden seien, wer die mobilen Behandlungsanlagen und elektrischen Einrichtungen von der Betriebsanlage entfernt habe, und da ihr nach dem Austausch der Schlösser die faktische Möglichkeit zur Nutzung der Liegenschaft genommen worden sei und sie daher die Sachherrschaft über die Anlage nicht mehr habe. Die Feststellungen des LVwG, dass die revisionswerbende Partei die gegenständliche Anlage seit und bis zur Betriebseinstellung betrieben habe, dass ein Inhaberwechsel auf eine andere Rechtsperson, die die Anlage der revisionswerbenden Partei nachfolgend betrieben hätte, nicht erfolgt sei, sowie, dass die Grundstückseigentümerin bzw. Hauptbestandsgeberin DB GmbH bereit sei, der revisionswerbenden Gesellschaft den Zugang zur Anlage zwecks Räumung zu ermöglichen, werden in der Revision nicht bestritten. Auch, dass die in Rede stehenden abfallwirtschaftsrechtlichen Aufträge der Sache nach zu Unrecht erlassen worden seien oder nicht konkret genug wären, wird nicht behauptet.

16Wie das LVwG im angefochtenen Erkenntnis zutreffend ausführt, ist im AWG 2002 eine Legaldefinition des Begriffes „Anlageninhaber“ nicht enthalten. Durch Heranziehung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 83 GewO 1994 kam das LVwG fallbezogen jedoch mit näheren Feststellungen zu dem rechtlichen Ergebnis, die revisionswerbende Partei sei als „auflassende Anlageninhaberin“ im Sinne der letztgenannten Bestimmung anzusehen; diese sei mit der vorliegend maßgeblichen Bestimmung des § 62 Abs. 7 AWG 2002 vergleichbar.

17Dieser rechtlichen Auslegung des LVwG ist nicht beizupflichten:

18Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass im AWG 2002 vielfach Regelungen den ihnen korrespondierenden Bestimmungen der GewO 1994 nachgebildet sind, weshalb in diesen Fällen auf die Rechtsprechung zur GewO 1994 zurückgegriffen werden kann, während bei anderen Regelungen des AWG 2002 dies nicht der Fall und ein Rückgriff unzulässig ist. Entscheidend für die Heranziehung der Rechtsprechung der GewO 1994 zum Verständnis von Regelungen des AWG 2002 ist die Vergleichbarkeit der Regelungen (vgl. etwa ; , 2013/07/0174; , 2013/07/0137).

19Vorliegend ist den Bestimmungen des § 83 GewO 1994 und § 62 Abs. 7 AWG 2002 zwar gemeinsam, dass sie Regelungen für den Fall der Auflassung der betreffenden Anlage (§ 83 GewO 1994) bzw. der Betriebseinstellung (§ 62 Abs. 7 AWG 2002) treffen. Während die GewO 1994 dabei jedoch in der genannten Bestimmung detaillierte Regelungen für die Auflassung (und nur für die Auflassung) einer Betriebsanlage für den Fall vorsieht, dass „der Inhaber einer Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 die Auflassung seiner Anlage oder eines Teiles seiner Anlage“ beabsichtigt, die von einer Anordnung an diesen „auflassenden Anlageninhaber“ hinsichtlich der für diesen Fall zu treffenden Vorkehrungen (Abs. 1) über eine Anzeige der Auflassung (Abs. 2) bis zur Erlassung eines Feststellungsbescheides, dass die getroffenen Vorkehrungen ausreichend sind (Abs. 6), reichen, enthält das AWG 2002 ein vergleichbares Verfahren nicht (vgl. dazu Berl/Forster, Abfallwirtschaftsrecht2 [2020] Rz 300); daran ändert auch nichts, dass auch das AWG 2002 eine Anzeige der Auflassung vorsieht (§ 51 Abs. 2 iVm § 37 Abs. 4 Z 7 leg. cit.). Insbesondere wird, wie das LVwG insofern zutreffend erkannt hat, in der in sich geschlossenen Bestimmung des § 83 GewO 1994 jeweils explizit der „auflassende Anlageninhaber“ angesprochen und normiert diese Bestimmung darüber hinaus ausdrücklich, dass im Falle von von diesem nicht oder nur unvollständig getroffenen Vorkehrungen ihm die notwendigen Vorkehrungen mit Bescheid aufzutragen sind (vgl. § 83 Abs. 3 leg. cit.). Die für den Fall sowohl einer Betriebseinstellung als auch einer Betriebsunterbrechung anwendbare Bestimmung des § 62 Abs. 7 AWG 2002 kennt demgegenüber weder die Tatbestandsmerkmale des § 83 GewO 1994 noch den Begriff des „auflassenden Anlageninhabers“; dass es in diesem Zusammenhang auf eine Auflassungshandlung im Sinne der Rechtsprechung ankäme (vgl. dazu etwa , 0187), kann schon im Hinblick darauf, dass § 62 Abs. 7 AWG 2002 auch den Fall der bloßen Betriebsunterbrechung regelt, nicht zutreffen. Dazu kommt, dass diese Bestimmung, anders als § 83 Abs. 3 GewO 1994, auch nicht ausdrücklich vorsieht, wem im Falle des Nicht-Setzens der erforderlichen Maßnahmen ein entsprechender behördlicher Auftrag zu erteilen ist. Dass die vorliegend in Rede stehende Bestimmung des § 62 Abs. 7 AWG 2002 der Regelung des § 83 GewO 1994 also derart nachgebildet sei, dass die zu der letzteren Bestimmung ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darauf übertragbar wäre, kann daher nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht gesagt werden; auch die oben wiedergegebenen Gesetzesmaterialien zu § 62 Abs. 7 AWG 2002 geben keinen derartigen Hinweis.

20Dem Vorbringen der revisionswerbenden Partei, sie sei gegenständlich zu Unrecht als Normadressatin des § 62 Abs. 7 AWG 2002 herangezogen worden, ist jedoch aus folgenden Gründen trotzdem nicht zu folgen:

21Soweit sie ausführt, es stehe nicht fest, wer die mobilen Behandlungsanlagen und elektrischen Einrichtungen von der Anlage entfernt habe, weshalb das Entfernen der Anlagenteile nicht als Auflassungshandlung, welche die revisionswerbende Partei gesetzt habe, angesehen werden könne, ist dem zu entgegnen, dass es darauf nach dem oben Gesagten mangels Vergleichbarkeit mit § 83 GewO 1994 nicht ankommt. § 62 Abs. 7 AWG 2002 stellt auf eine konkrete Auflassungshandlung nicht ab; dass im gegenständlichen Fall der Betrieb der Abfallbehandlungsanlage eingestellt wurde, bestreitet die revisionswerbende Partei nicht.

22Die revisionswerbende Partei argumentiert weiters damit, sie sei in die Auflösung des zugrundeliegenden Bestandverhältnisses nicht eingebunden gewesen und habe seit dem Austausch der Schließanlage keine Sachherrschaft mehr über die Anlage gehabt, weshalb nicht sie, sondern die Hauptbestandgeberin DB GmbH oder die Unterbestandgeberin HRT GmbH als Anlageninhaberin im Sinne des § 62 Abs. 7 AWG 2002 anzusehen gewesen wären.

23Dieser Ansicht sind zunächst die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom , B 1702/07, sowie vom , B 508/09, entgegenzuhalten, wonach der Liegenschaftseigentümer, dem der Wille zum Betrieb der Anlage gefehlt hat, nach einvernehmlicher Auflösung des Bestandvertrages nicht bereits auf Grund der Rechtsposition als Liegenschaftseigentümer und Vermieter des Betriebsareals eo ipso zum Inhaber der Anlage und damit zum Normadressaten des § 62 Abs. 4 AWG 2002 geworden sein kann. Eine derartige Sichtweise sei vor dem Hintergrund des (geschlossenen) Haftungssystems des AWG 2002 erforderlich, weil für die Verpflichtung des Liegenschaftseigentümers nach § 74 AWG 2002 kein Raum bliebe, wenn der bloße Wegfall des Anlagenbetreibers den Eigentümer des Betriebsgrundstückes bereits ohne Weiteres zum Anlageninhaber machen (und damit dessen Haftung nach § 62 AWG 2002 begründen) würde. Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich diesen Überlegungen des Verfassungsgerichtshofes, die gleichermaßen für eine Inanspruchnahme der Liegenschaftseigentümerin bzw. Bestandgeberin nach § 62 Abs. 7 AWG 2002 gelten müssen, an. Dass fallbezogen die DB GmbH oder die HRT GmbH zu irgendeinem Zeitpunkt nach der Übernahme der Anlage durch die revisionswerbende Partei am den Willen zu deren Betrieb gehabt hätten, ist nach den unbestritten gebliebenen Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis weder ersichtlich, noch wird dies in der Revision behauptet.

24Des Weiteren stellt § 62 Abs. 7 AWG 2002 nicht darauf ab, aus welchen Gründen es zu einer Betriebseinstellung gekommen ist; das Vorbringen, die revisionswerbende Partei sei in die Auflösung des Bestandverhältnisses nicht eingebunden gewesen, geht daher ins Leere. Es bleibt einem Betroffenen zwar unbenommen, allfällige aus dieser behaupteten Tatsache entstandene Schäden im Zivilrechtsweg geltend zu machen; für die verwaltungsrechtliche Verantwortung, die erforderlichen Maßnahmen nach der in Rede stehenden Gesetzesbestimmung zu treffen, hat dieser Umstand jedoch keine Bedeutung, zumal diese kein Verschulden des Anlageninhabers an der unterlassenen Ergreifung der erforderlichen Maßnahmen voraussetzt.

25Soweit die revisionswerbende Partei vorbringt, sie habe seit dem Austausch der Schließanlage keine Sachherrschaft mehr über die Anlage gehabt und sei deshalb nicht als Anlageninhaberin im Sinne des § 62 Abs. 7 AWG 2002 anzusehen, zielt sie damit offenbar auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach dieser unter Hinweis auf die bereits oben genannten Materialien zum AWG 2002 (RV 984 BlgNR 21. GP 87) ausgeführt hat, es werde in diesem Gesetz der Begriff „Inhaber“ für diejenige Person verwendet, welche die Sachherrschaft über die Sache hat, und es gelte als Inhaber einer Anlage in erster Linie der Betreiber einer Anlage und, sofern diese nicht betrieben wird, die Person, welche die Sachherrschaft hat (; , 2011/07/0235, 0246; , 2006/07/0084).

26Dazu ist zum einen zu sagen, dass § 62 Abs. 7 AWG 2002 in der genannten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht behandelt wurde; zum anderen irrt die revisionswerbende Partei, wenn sie offenbar meint, es komme auf die Betreibereigenschaft bzw. auf die Sachherrschaft zum Zeitpunkt der Erlassung des verwaltungspolizeilichen Auftrages an: Nach dem Wortlaut der Bestimmung („werden vom Anlageninhaber bei einer Unterbrechung oder bei einer Einstellung“) stellt der Gesetzgeber nämlich entscheidend auf die Inhaberschaft im Zeitpunkt der Einstellung (bzw. der Unterbrechung) des Betriebes ab; jene Rechtsperson, die im Zeitpunkt der Betriebseinstellung bzw. -unterbrechung Inhaber der Anlage war, d.h. nach der oben genannten Rechtsprechung die Anlage betrieb bzw. die Sachherrschaft darüber hatte, ist nach der in Rede stehenden Bestimmung in der Verantwortung, die zur Vermeidung der Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen erforderlichen Maßnahmen von sich aus zu setzen; nur wenn dieser Verpflichtung nicht nachgekommen wird, hat die Behörde demgemäß dem bereits ex lege Verpflichteten die Setzung der erforderlichen Maßnahmen bescheidmäßig aufzutragen. Demgegenüber hätte das Abstellen auf die Inhaberschaft im Zeitpunkt der Bescheiderlassung, wie es die revisionswerbende Partei offenbar vor Augen hat, nach dem bisher Gesagten in bestimmten Konstellationen zur Folge, dass der Auftrag nach § 62 Abs. 7 AWG 2002 niemandem mehr erteilt werden könnte. Ein solches Ergebnis kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden. Dass es dabei auf den Grund der Betriebseinstellung (bzw. -unterbrechung) ankäme, lässt sich, wie bereits gesagt, dem Gesetz nicht entnehmen; auch diesbezüglich bieten die Materialien zu der Gesetzesbestimmung keinen Anlass für eine andere Sichtweise.

27Sofern die revisionswerbende Partei schließlich vorbringt, sie sei nunmehr mangels Sachherrschaft über die Anlage nicht in der Lage, den an sie ergangenen Aufträgen nachzukommen, versagt diese Argumentation schon deshalb, weil sich die Revision dabei vom festgestellten Sachverhalt, wonach die DB GmbH dazu bereit sei, der revisionswerbenden Partei das Entfernen der Abfälle aus der Abfallbehandlungsanlage zu ermöglichen, also den Zugang dazu zwecks Erfüllung der verwaltungspolizeilichen Aufträge zu gestatten, entfernt. Der diesbezüglichen Beweiswürdigung ist die Revision in der Sache nicht entgegengetreten, weshalb vom festgestellten Sachverhalt auszugehen war (vgl. , mwN). Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass in einem verwaltungspolizeilichen Auftragsverfahren die Frage der zivilrechtlichen Durchsetzbarkeit des Auftrages irrelevant ist (vgl. zu baupolizeilichen Aufträgen sinngemäß etwa , oder auch bereits , 98/05/0081), sowie, dass allfällige Fragen der tatsächlichen Erbringbarkeit einer aufgetragenen Leistung (erst) im Vollstreckungsverfahren von Bedeutung sein können (vgl. dazu etwa , oder auch , 2009/10/0214, jeweils mwN).

28Zusammengefasst ergibt sich daher, dass die verfahrensgegenständlichen Aufträge gemäß § 62 Abs. 7 AWG 2002 zu Recht gegenüber der revisionswerbenden Partei erlassen wurden. Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

29Der Kostenersatzantrag der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht ist darauf gerichtet, die gemäß § 48 Abs. 2 Z 1 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 erwachsenen Kosten dem Land Tirol zu ersetzen. Gemäß § 47 Abs. 5 VwGG fließt jenem Rechtsträger, in dessen Namen die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verwaltungsverfahren gehandelt hat, der Aufwandersatz zu, der auf Grund des VwGG vom Revisionswerber zu leisten ist. Die Vollziehung des AWG 2002 erfolgt in mittelbarer Bundesverwaltung. Kostenersatzanspruch im Sinne des § 47 Abs. 5 VwGG hätte daher der Bund. Da daneben kein Kostenersatzanspruch eines anderen Rechtsträgers vorgesehen ist, war der auf Zuerkennung an das Land Tirol gerichtete Antrag der belangten Behörde abzuweisen (vgl. etwa , mwN).

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019050303.L00

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