VwGH vom 17.11.2011, 2010/21/0451
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des D, vertreten durch Dr. Josef Habersack, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Roseggerkai 5/III, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom , Zl. FA7C-2-9.U/570-2009, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, gelangte am nach Österreich und brachte in der Folge einen Asylantrag ein, der im Instanzenzug mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom rechtskräftig abgewiesen wurde. Während des Asylverfahrens verfügte der Beschwerdeführer über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung.
Am stellte der Beschwerdeführer sodann den gegenständlichen Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" gemäß § 44 Abs. 4 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), der mit dem angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark (der belangten Behörde) vom unter Bezugnahme auf § 44 Abs. 4 iVm § 11 Abs. 2 Z 1 (offenbar gemeint: Z 4) NAG abgewiesen wurde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Vorauszuschicken ist zunächst, dass die vorliegende Beschwerde unter dem Gesichtspunkt der Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges zulässig ist, weil nach § 3 Abs. 2 zweiter Satz NAG gegen Entscheidungen über Anträge auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" gemäß § 44 Abs. 4 NAG eine Berufung nicht zulässig ist.
Die genannte Bestimmung und § 11 NAG lauten in der hier maßgeblichen Fassung vor dem FrÄG 2011 (auszugsweise):
"Niederlassungsbewilligung - beschränkt
§ 44.
(4) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß § 11 Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine quotenfreie 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' erteilt werden, wenn
1. der Drittstaatsangehörige nachweislich seit dem durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist und
2. mindestens die Hälfte des Zeitraumes des festgestellten durchgängigen Aufenthalts im Bundesgebiet rechtmäßig gewesen ist.
Die Behörde hat dabei den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der Deutschen Sprache, zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 2 bis 4 kann auch durch Vorlage einer Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 18) erbracht werden. ...
Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel
§ 11. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn
…
(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn
…
4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;
…
(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. ..."
Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid von dem einleitend wiedergegebenen Sachverhalt aus und folgerte daraus, es lägen im gegenständlichen Fall "die erforderlichen Aufenthaltszeiten gem. § 44 Abs. 4 NAG" vor. Es zeige sich jedoch im Hinblick auf die wirtschaftliche Situation und Selbsterhaltungsfähigkeit des Beschwerdeführers kein Bild einer entsprechenden umfassenden Integration. Dabei bezog sich die belangte Behörde auf die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer einen Mietvertrag über eine "Einzimmerwohnung" und Honorarnachweise für seine Tätigkeit als Zeitungszusteller vorgelegt habe, und zwar bei einem Unternehmen für den Zeitraum Dezember 2009 bis Februar 2010 über durchschnittlich ca. EUR 675,- und für den Zeitraum Juni 2010 bis August 2010 über jeweils etwa EUR 515,- sowie bei einem anderen Unternehmen für den Zeitraum Jänner bis August 2010 über insgesamt EUR 3.339,82, was einem Monatsdurchschnitt von ca. EUR 415,-
entspricht. Dazu hielt die belangte Behörde fest, bei Berücksichtigung einer "allfälligen Versicherungs- und Steuerquote" könne nicht von einem festen und regelmäßigen Einkommen in der entsprechenden Richtsatzhöhe (EUR 783,99) ausgegangen werden. Im Übrigen könne auch die weiters vorgelegte Einstellungszusage einer "E. I." mit Sitz in Lieboch "nicht zuletzt auch" aufgrund der dort vorgenommenen handschriftlichen Ausbesserungen "als nicht glaubwürdig" qualifiziert werden. Überdies sei der Beschwerdeführer im Laufe seines nunmehr achtjährigen Aufenthalts nicht in der Lage gewesen, ein entsprechendes "Deutschzeugnis auf dem Niveau A 2" vorzulegen.
In einer Gesamtbetrachtung des Falles zeige sich, dass eine besondere Berücksichtigungswürdigkeit und auch die entsprechende Selbsterhaltungsfähigkeit im Sinne des § 44 Abs. 4 NAG nicht vorlägen, sodass der Antrag abzuweisen sei.
Dieser Begründung hält die Beschwerde im Wesentlichen entgegen, der Beschwerdeführer befinde sich seit achteinhalb Jahren in Österreich, wo er alle seine Freunde und Bekannten habe. Er habe sich bemüht, hier eine geregelte Existenz aufzubauen. Der Beschwerdeführer sei - soweit wie möglich - einer geregelten Beschäftigung nachgegangen und habe entgegen der Ansicht der belangten Behörde ausreichende Deutschkenntnisse auf Basis des Moduls A 2. Die diesbezügliche, mit der Beschwerde vorgelegte Bestätigung datiere zwar vom , doch habe der Beschwerdeführer schon im Verwaltungsverfahren auf den Besuch von Deutschkursen hingewiesen. Überdies sei der Beschwerdeführer Mitglied einer näher genannten Kirchengemeinschaft, dort als Pastor tätig und erhalte dafür eine monatliche Unterstützung von EUR 300,-. Im Übrigen verwies der Beschwerdeführer auf sein als Zeitungszusteller erzieltes Einkommen, das er auch versteuere, und auf die (schriftlich bestätigte) Zusage einer Einstellung mit einem monatlichen Nettoverdienst von ca. EUR 1.000,-. Er sei somit - anders als die belangte Behörde meine - selbsterhaltungsfähig. Wenn die belangte Behörde die Einstellungszusage "einfach" als nicht glaubwürdig ansehe, hätte sie dazu "den Dienstgeber" und den Beschwerdeführer befragen müssen. Außerdem sei der Beschwerdeführer aufrecht sozialversichert, habe einen österreichischen Führerschein und sei strafrechtlich unbescholten. Es lägen demnach sämtliche geforderten Merkmale "für eine positive Behandlung" des Antrages des Beschwerdeführers vor.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid der Sache nach auf das Fehlen der in § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG enthaltenen allgemeinen Erteilungsvoraussetzung abgestellt und darüber hinaus das Vorliegen besonders berücksichtigungswürdiger Gründe iSd § 44 Abs. 4 NAG verneint.
In Bezug auf die genannte Erteilungsvoraussetzung kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob das vom Beschwerdeführer damals erzielte Einkommen als Zeitungszusteller von insgesamt etwa EUR 930,- im Monatsdurchschnitt (bei der in der Beschwerde erstmals vorgetragenen Unterstützungsleistung von monatlich EUR 300,- handelt es sich um eine unzulässige Neuerung) nach Abzug "einer allfälligen Steuer- und Versicherungsquote" tatsächlich den nach § 11 Abs. 5 NAG maßgeblichen ASVG-Richtsatz von (damals) EUR 783,99 nicht erreicht hätte und ob der vorgelegten Einstellungszusage nur unter Hinweis auf handschriftliche Ausbesserungen im Briefkopf generell die inhaltliche Richtigkeit abgesprochen werden durfte.
Es ist nämlich jedenfalls die weitere Bescheidbegründung, dass in Bezug auf den Beschwerdeführer keine besonders berücksichtigungswürdigen Gründe im Sinne des § 44 Abs. 4 NAG gegeben seien, im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer ist - seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren zufolge - auf Werkvertragsbasis als Zeitungszusteller "seit dem Jahre 2005" tätig, wobei der belangten Behörde diesbezügliche (Honorar )Nachweise allerdings nur für die Zeit ab Dezember 2009 vorgelegt wurden. Dem im Akt befindlichen Sozialversicherungsdatenauszug lässt sich (demgegenüber) entnehmen, dass der Beschwerdeführer - mit kurzfristigen Unterbrechungen - im Zeitraum bis bei einem Personaldienstleistungsunternehmen als Arbeiter beschäftigt gewesen sei. Aus den genannten Daten ergibt sich somit - bezogen auf den Bescheiderlassungszeitpunkt - eine Beschäftigungsdauer von etwa fünf Jahren bei einer Gesamtaufenthaltsdauer von ca. achteinhalb Jahren. Auch wenn man überdies zugunsten des Beschwerdeführers ausreichende Deutschkenntnisse und das Bestehen eines Freundes- und Bekanntenkreises veranschlagt, so reicht das nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshof unter Bedachtnahme auf die Lebensverhältnisse des über keine familiären Bindungen in Österreich verfügenden Beschwerdeführers, der hier auch keine Aus- oder Weiterbildung absolviert hat, jedoch insgesamt noch nicht, um einen so hohen Integrationsgrad zu begründen, dass die belangte Behörde einen "besonders berücksichtigungswürdigen Fall" hätte annehmen müssen (vgl. das eine ähnliche Konstellation betreffende hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/22/0178).
Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang wiederholt das Fehlen von maßgeblichen Bindungen im Heimatstaat, Schwierigkeiten bei der Existenzgründung im Falle einer Rückkehr dorthin und die Gefahr einer Verfolgung in Nigeria aus den schon im Asylverfahren geltend gemachten Gründen anspricht, ist ihr - abgesehen vom negativen, auch die Zulässigkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria feststellenden Ergebnis des Asylverfahrens - entgegen zu halten, dass diesen Gesichtspunkten bei der Beurteilung eines Antrages nach § 44 Abs. 4 NAG, bei der nur auf die in Österreich erlangte Integration abzustellen ist, keine Bedeutung zukommt (vgl. etwa das schon genannte Erkenntnis).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der in der Beschwerde beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
LAAAE-81675