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VwGH 04.09.2013, 2013/08/0119

VwGH 04.09.2013, 2013/08/0119

Entscheidungsart: Erkenntnis

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde der "O GmbH in W, vertreten durch DDr. Josef Anton Wieser, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Biberstraße 10, 2. Stock, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 40 - SR 22374/2013, betreffend Beitragspflicht nach dem ASVG und dem BMSVG (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse in 1100 Wien, Wienerbergstraße 15-19), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich Folgendes:

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid stellte die belangte Behörde fest, dass die beschwerdeführende Gesellschaft verpflichtet sei, für bestimmte namentlich genannte Dienstnehmer und Zeiten Beiträge und Umlagen nach dem ASVG sowie Beiträge nach dem Betrieblichen Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz - BMSVG in Höhe von insgesamt EUR 73.766,20 an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse zu entrichten.

Über den Prüfzeitraum Jänner 2007 bis Dezember 2009 habe eine gemeinsame Prüfung lohnabhängiger Abgaben stattgefunden, in deren Rahmen festgestellt worden sei, dass 28 Personen als "Subunternehmer" für die beschwerdeführende Gesellschaft (die ein Bauunternehmen betreibt) tätig gewesen seien, obwohl sie jeweils die Kriterien eines Dienstverhältnisses erfüllt hätten. Dies sei anhand eines Fragebogens zur Klärung der Einkunftsart erhoben worden. Im Wesentlichen hätten die Personen angegeben, nicht an fixe Arbeitszeiten gebunden gewesen zu sein und weder Urlaub noch Krankenstände melden zu müssen. Arbeitsmaterial sei von der beschwerdeführenden Gesellschaft bereitgestellt worden, Kleinwerkzeuge wie Spachteln, Leitern, Kübel etc. seien selbst beigebracht worden. Es sei angegeben worden, dass sich die Personen jederzeit hätten vertreten lassen können, tatsächlich sei es jedoch zu keinen Vertretungen gekommen. Die Höhe des nachverrechneten Entgelts habe sich aus den Honorarnoten ergeben.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, es sei als Vorfrage im Sinn des § 38 AVG zu beurteilen, ob versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse vorgelegen seien. Für den Fall, dass strittig sei, nach welchen Bestimmungen des ASVG eine Versicherungspflicht gegeben sei, sei in erster Linie zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit Abs. 2 vorlägen.

Im Hinblick auf die zahlreiche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf einfache manuelle Tätigkeiten im Allgemeinen sowie auf "Verspachtler" im Besonderen werde vom Vorliegen versicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse ausgegangen. Bei den im Beschwerdefall durchgeführten Arbeiten handle es sich um rein manuelle Tätigkeiten, die den typischen Charakter von Dienstleistungen aufwiesen. Bei einfachen manuellen Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten, die in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung und auf die Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum des Dienstnehmers erlaubten, könne nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG ohne weitwendige Untersuchungen vorausgesetzt werden.

Im vorliegenden Fall seien vereinbarungsgemäß die wesentlichen Betriebsmittel der beschwerdeführenden Gesellschaft verwendet worden. Die Dienstnehmer hätten ihre Arbeitskraft geleistet und mit dem von ihnen beigebrachten Kleinwerkzeug keine wesentlichen Betriebsmittel beigestellt. Auch seien auf derselben Baustelle regelmäßig auch andere Dienstnehmer, die über einen Gewerbeschein verfügt hätten, tätig gewesen. Ein konkretes "Werk" könne den einzelnen "Auftragnehmern" daher nicht zugeordnet werden, und es stehe eindeutig die Dienstleistung im Mittelpunkt des Vertragsverhältnisses. Abgerechnet worden sei nach Maßeinheiten mit EUR 1,18 je Quadratmeter.

Es sei nicht entscheidend, ob ein Vertrag als Werkvertrag, als freier Dienstvertrag oder als Dienstvertrag bezeichnet werde; entscheidend bleibe, ob bei der tatsächlichen Beschäftigung im Rahmen der Beurteilung des Gesamtbildes derselben die Kriterien persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit überwögen. Im gegenständlichen Fall sei kein schriftlicher Vertrag abgeschlossen worden, das tatsächliche Vertragsverhältnis habe jedoch eindeutig einem Dienstverhältnis entsprochen.

Im Einzelnen bejahte die belangte Behörde unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Weisungs- und Kontrollunterworfenheit der Dienstnehmer, die insbesondere in der vereinbarten Endabnahme und der Einteilung der Baustellen durch die beschwerdeführende Partei zum Ausdruck komme. Die für die persönliche Abhängigkeit charakteristische weitgehende Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit der Beschäftigten könne auch dann vorliegen, wenn der Beschäftigte Beginn und Dauer der täglichen Arbeitszeit weithin selbst bestimmen könne, solange diese Ungebundenheit ihre Grenze in der unterschiedlichen Dringlichkeit der zu besorgenden Angelegenheiten und den betrieblichen Erfordernissen habe und die Arbeitserbringung damit letztlich doch im Kern an den Bedürfnissen des Dienstgebers orientiert sei.

Ein generelles Vertretungsrecht der Dienstnehmer sei zwar behauptet worden, es sei jedoch tatsächlich zu keinen Vertretungshandlungen gekommen, sodass von einer persönlichen Arbeitspflicht ausgegangen werde.

Die wirtschaftliche Abhängigkeit sei bei entgeltlichen Arbeitsverhältnissen die Folge der persönlichen Abhängigkeit. Es sei nicht entscheidend, ob der Dienstnehmer allenfalls auch ohne Einholung einer Genehmigung für andere tätig werden dürfe oder andere Einnahmequellen zur Verfügung habe.

Die Höhe der vorgeschriebenen Beiträge sei nicht bestritten worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerde wendet sich gegen die Beurteilung der belangten Behörde, dass die Personen, für die mit dem angefochtenen Bescheid Beiträge nachverrechnet wurden, im Sinn des § 4 Abs. 1 Z 1 iVm. Abs. 2 ASVG in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit für die beschwerdeführende Gesellschaft tätig gewesen seien. Sie rügt, dass die belangte Behörde umfangreich Gesetzestexte und Entscheidungen des Verwaltungsgerichthofes zitiere, jedoch nicht anhand des Einzelfalles zu konkretisieren vermöge, weshalb die Gesetzesbestimmungen auf diesen anwendbar seien. Wie die belangte Behörde zu der Feststellung gelange, dass im Gesamtbild der Tätigkeit die Merkmale einer unselbständigen Beschäftigung in einem echten Dienstverhältnis vorlägen, werde nicht nachvollziehbar und schlüssig dargetan.

Es ist zwar einzuräumen, dass sich der angefochtene Bescheid über weite Strecken mit der Wiedergabe der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes begnügt, ohne sie konkret zum vorliegenden Fall in Bezug zu setzen. Die belangte Behörde hat aber zu Recht darauf hingewiesen, dass bei einfachen manuellen Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten - wie den hier zu beurteilenden Bauhilfstätigkeiten -, die in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung und auf die Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum des Dienstnehmers erlauben, bei einer Integration des Beschäftigten in den Betrieb des Beschäftigers - in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte - das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG ohne weitwendige Untersuchungen vorausgesetzt werden kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/08/0089, mwN).

Solche gegenläufigen Anhaltspunkte werden in der Beschwerde nicht aufgezeigt, und es wird auch nicht behauptet, dass dies - entgegen der Darstellung im angefochtenen Bescheid - im Verwaltungsverfahren erfolgt sei. Es wird lediglich darauf hingewiesen, dass die beschwerdeführende Gesellschaft einen "nicht unerheblichen Beschäftigtenstand" habe und die "Subunternehmer" nicht durchgehend, sondern nur zum Ausgleich in Spitzenzeiten beschäftigt worden seien; weshalb dies aber der Qualifikation als Beschäftigungsverhältnisse in persönlicher Abhängigkeit entgegenstehen sollte, ist nicht ersichtlich. Ebenso wenig legt die Beschwerde dar, inwieweit die - nicht näher beschriebenen - "wirtschaftlichen Hintergründe" dafür maßgeblich wären.

Ein (ausdrücklich) vereinbartes generelles Vertretungsrecht würde zwar die persönliche Abhängigkeit der Dienstnehmer ausschließen, dies aber nur dann, wenn diese Befugnis entweder in der Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses auch tatsächlich gelebt wurde oder wenn die Parteien bei Vertragsabschluss nach den Umständen des Einzelfalls zumindest ernsthaft damit rechnen konnten, dass von dieser Vertretungsbefugnis auch tatsächlich Gebrauch gemacht werden wird und die Einräumung der Vertretungsbefugnis nicht mit anderen vertraglichen Vereinbarungen in Widerspruch steht. Selbst ein ausdrücklich vereinbartes generelles Vertretungsrecht steht nämlich im Verdacht, ein "Scheingeschäft" zu sein, wenn eine solche Vereinbarung mit den objektiven Anforderungen der Unternehmensorganisation nicht in Einklang zu bringen wäre (§§ 539 und 539a ASVG; vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/08/0025, mwN). Im Hinblick darauf, dass schriftliche Vereinbarungen einer generellen Vertretungsbefugnis im Beschwerdefall nicht vorlagen und es - auch von der Beschwerde unbestritten - tatsächlich nie zu einer Vertretung gekommen ist, war es daher nicht unschlüssig, wenn die belangte Behörde von einer persönlichen Arbeitspflicht ausgegangen ist.

Die rechnerische Richtigkeit der vorgeschriebenen Beiträge wird von der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen.

Da somit der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
Schlagworte
Dienstnehmer Begriff Persönliche Abhängigkeit
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2013:2013080119.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
RAAAE-81673