VwGH vom 08.03.2021, Ra 2019/05/0301
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bayjones und den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision 1. der Mag. C K und 2. des Dr. J K, beide in L und beide vertreten durch die K M R Rechtsanwaltssocietät Dr. Longin Josef Kempf und Dr. Josef Maier in 4722 Peuerbach, Steegenstraße 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom , LVwG-250159/2/Gf/RoK - 250160/2, betreffend Nichterteilung einer Auskunft nach dem Oö. Auskunftspflicht-, Datenschutz- und Informationsweiterverwendungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeisterin der Stadtgemeinde L, vertreten durch die Hengstschläger Lindner Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Am Winterhafen 11; weitere Partei: Oberösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird infolge Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Stadtgemeinde L hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1Mit Schriftsatz vom beantragten die revisionswerbenden Parteien bei der belangten Behörde Auskunft nach dem Oö. Auskunftspflicht-, Datenschutz- und Informationsweiterverwendungsgesetz (in der Folge: Oö. ADIG) zu einem bei dieser anhängigen baupolizeilichen Verfahren. Zusammengefasst begehrten die revisionswerbenden Parteien Auskunft darüber, welche konkreten Ermittlungsschritte und Maßnahmen die Baubehörde, insbesondere auch wann, in Entsprechung näher genannter Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich (LVwG) gesetzt habe, zu welchen Feststellungen im Sinne des diesbezüglichen Ermittlungsauftrages die Baubehörde betreffend eine allfällige Verletzung von Nachbarrechten der revisionswerbenden Parteien gelangt sei, welche baupolizeilichen Maßnahmen gegen den näher genannten Eigentümer des Nachbargrundstückes in Entsprechung dieser Ergebnisse wann gesetzt worden seien sowie ob ein baupolizeilicher Beseitigungsauftrag wegen Feststellung der Konsenswidrigkeit des ausgeführten Gebäudes erlassen worden sei.
2Mit Schreiben vom teilte die Stadtgemeinde L. den revisionswerbenden Parteien mit, es sei ein baupolizeiliches Verfahren anhängig, das keine Beteiligung der Nachbarn vorsehe, weshalb die Möglichkeit zur Auskunft im vorliegenden Fall beschränkt sei. Zum konkreten Auskunftsersuchen der revisionswerbenden Parteien wurde mitgeteilt, dass ein Obergutachten in Auftrag gegeben worden sei, welches in den nächsten Wochen vorliegen werde; erst nach Vorliegen des Gutachtens könne beurteilt werden, ob und welche baupolizeilichen Maßnahmen zu setzen seien.
3Mit Schriftsatz vom begehrten die revisionswerbenden Parteien ergänzend Auskunft darüber, wann die jeweiligen Ermittlungsschritte in Entsprechung des Auftrages des LVwG gesetzt worden seien, wann die diesbezügliche Beauftragung eines Obergutachters erfolgt sei und welches Beweisthema dem Gutachter konkret vorgegeben worden sei sowie ob sich die Prüfung im Rahmen des baupolizeilichen Ermittlungsverfahrens im Hinblick auf die plangemäße Bauausführung unter Bezugnahme auf die eingereichten Planunterlagen unter Zugrundlegung des natürlichen Geländes nordseitig beziehe bzw. welcher sonstige Bezugspunkt herangezogen worden sei. Zudem werde um Auskunft ersucht, wann welche konkreten Ermittlungsschritte, mit welchem bisherigen Ergebnis gesetzt worden seien.
4Mit Schreiben vom teilte die Stadtgemeinde L. mit, dass sich sämtliche Anfragen auf ein laufendes baupolizeiliches Verfahren bezögen, das keine Beteiligung der Nachbarn vorsehe. Eine über die ergangenen Auskünfte vom hinausgehende Beantwortung sei daher nicht möglich.
5Mit Schriftsatz vom beantragten die revisionswerbenden Parteien gemäß § 4 (gemeint wohl: § 5) Oö. ADIG den bescheidmäßigen Abspruch über die Auskunftsersuchen vom und .
6Mit Bescheid der belangten Behörde vom sprach diese aus, dass die über die bereits erteilten Auskünfte hinausgehenden Auskünfte laut Auskunftsersuchen vom und gemäß § 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 und 5 Abs. 1 Oö. ADIG nicht erteilt werden. Den Revisionswerbern komme im baupolizeilichen Verfahren keine Parteistellung zu. Der Betroffene des baupolizeilichen Verfahrens habe das Recht, dass Nichtparteien einem Verfahren nicht beigezogen würden. Ein umfassendes Informationsrecht würde in Durchbrechung der Amtsverschwiegenheit die Regelungen der Parteirechte konterkarieren. Das Auskunftsrecht sei gemäß Art. 20 Abs. 3 B-VG durch gesetzliche Geheimhaltungsschranken und die Interessen Privater beschränkt. Die angefragten Sachverhaltselemente würden der Vorbereitung einer Entscheidung dienen, und es sei deren Geheimhaltung im überwiegenden Interesse des vom baupolizeilichen Auftrag möglicherweise Betroffenen geboten. Der Antrag sei somit abzuweisen.
7Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das LVwG die dagegen erhobenen Beschwerden der revisionswerbenden Parteien als unbegründet ab (I.) und sprach aus, dass dagegen eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (II.).
8Begründend führte das LVwG dazu zusammengefasst aus, die belangte Behörde habe nicht in Abrede gestellt, dass die revisionswerbenden Parteien insoweit, als ihre subjektive Rechtsstellung durch die auf dem angrenzenden Grundstück vorgenommene Bauführung tangiert werde, als Nachbarn des diesbezüglichen Verwaltungsverfahrens zu qualifizieren seien. Davon ausgehend komme ihnen nach § 31 der Oö. Bauordnung 1994 Parteistellung und insoweit das Recht auf Akteneinsicht zu. In einer solchen Konstellation sei der in § 2 Oö. ADIG normierte Anspruch auf Auskunftserteilung als subsidiär anzusehen. Dem Akteninhalt lasse sich nicht entnehmen, dass die revisionswerbenden Parteien bereits Akteneinsicht begehrt hätten, es sei daher offen, inwieweit dem Anspruch auf Auskunftserteilung nicht bereits durch Akteneinsicht entsprochen werden könne.
9Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
10Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurück-, in eventu Abweisung der Revision beantragt. Die revisionswerbenden Parteien erstatteten eine Replik; die weitere Partei Oberösterreichische Landesregierung sah von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung ab.
11Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
12Die Revision ist im Hinblick auf das in der Zulässigkeitsbegründung der Revision zutreffend dargestellte Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Parteistellung von Nachbarn in baupolizeilichen Verfahren nach der Rechtslage in Oberösterreich zulässig. Sie ist auch begründet.
13Das Oö. ADIG, LGBl. Nr. 46/1988 in der im Revisionsfall maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 55/2018 lautet (auszugsweise):
„§ 1 Auskunftspflicht
(1) Die Organe des Landes, der Gemeinden, der Gemeindeverbände und der durch Landesgesetz geregelten Selbstverwaltungskörper haben über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches jedermann Auskunft zu erteilen.
(2) Unter einer Auskunft ist die Mitteilung von Tatsachen über Angelegenheiten zu verstehen, die dem Organ, das zur Auskunft verpflichtet ist, zum Zeitpunkt der Erteilung der Auskunft bekannt sind oder bekannt sein müssen.
§ 2 Recht auf Auskunft
(1) Jedermann hat ein Recht auf Auskunft. Auskunftsbegehren können mündlich, telefonisch oder schriftlich eingebracht werden.
[...]
§ 3 Nichterteilung einer Auskunft
(1) Auskunft ist nicht zu erteilen, wenn der Erteilung einer Auskunft eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht entgegensteht.
(2) Auskunft kann verweigert werden, wenn
die Auskunft offenbar mutwillig verlangt wird,
die Erteilung der Auskunft umfangreiche Erhebungen und Ausarbeitungen erfordert, die die ordnungsgemäße Besorgung der übrigen gesetzlichen Aufgaben des Organs wesentlich beeinträchtigt, oder
dem Auskunftswerber die gewünschten Informationen anders unmittelbar zugänglich sind.
(3) [...]
[...]
§ 5 Bescheiderlassung
(1) Wird eine Auskunft verweigert (§ 3), so hat die Behörde (§ 6) auf Grund eines schriftlichen Antrages des Auskunftswerbers, in welchem das Auskunftsbegehren nochmals darzulegen ist, die Verweigerung mit schriftlichem Bescheid auszusprechen und die dafür maßgebenden Gründe anzugeben.
(2) Für die Erlassung eines Bescheides nach Abs. 1 ist das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 anzuwenden.
[...]
§ 23 Eigener Wirkungsbereich
Die der Gemeinde und den Gemeindeverbänden und ihren Organen nach diesem Landesgesetz zukommenden Aufgaben mit Ausnahme jener nach § 20 Abs. 2 sind solche des eigenen Wirkungsbereichs. Die Vollziehung kommt der Bürgermeisterin bzw. dem Bürgermeister zu.“
14Das LVwG begründete die Abweisung der Beschwerden ausschließlich mit der Subsidiarität der Auskunftserteilung nach dem Oö. ADIG gegenüber der Möglichkeit, die begehrten Informationen im Wege der Akteneinsicht zu erlangen; den revisionswerbenden Parteien stehe das Recht auf Akteneinsicht zu, da sie gemäß § 31 der Oö. Bauordnung 1994 als Parteien „der diesbezüglichen Verwaltungsverfahren“ zu qualifizieren seien.
15Nach der Rechtslage in Oberösterreich kommt dem Nachbarn keine Parteistellung im baupolizeilichen Auftragsverfahren zu (vgl. etwa , oder auch ).
16Ausgehend von seiner unzutreffenden Rechtsansicht in Bezug auf eine Parteistellung der Nachbarn im Bauauftragsverfahren hat es das LVwG verabsäumt, sich damit auseinanderzusetzen, ob die Nichterteilung der begehrten Auskünfte aus einem anderen im Oö. ADIG genannten Grund gerechtfertigt ist. Soweit keine Parteistellung nach der Oö. Bauordnung 1994 besteht, ist zu prüfen, ob ein Recht auf Auskunft nach dem Oö. ADIG besteht (vgl. ).
17Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
18Die Kostenentscheidung beruht auf den § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II. Nr. 8/2014.
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019050301.L00 |
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Fundstelle(n):
HAAAE-81672