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VwGH vom 21.11.2011, 2008/18/0586

VwGH vom 21.11.2011, 2008/18/0586

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des NJ, vertreten durch Mag. Alexander Razka, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottenring 28/1/4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/135.816/2008, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, ein auf § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestütztes unbefristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer scheine seit durchgehend als im Bundesgebiet polizeilich gemeldet auf. Es sei, obwohl durch die Aktenlage nicht belegt, im Zweifel zu Gunsten des Beschwerdeführers davon auszugehen, dass er bereits im Zeitpunkt seiner Einreise im Besitz eines gültigen Aufenthaltstitels gewesen sei. Jedenfalls verfüge der Beschwerdeführer seit über einen unbefristet gültigen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG".

Bereits mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom sei der Beschwerdeführer rechtskräftig nach § 5 Abs. 1 StVO und auch § 1 Abs. 4 Führerscheingesetz bestraft worden.

Am sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 zweiter und vierter Fall, Abs. 3 erster Fall, Abs. 4 Z 3 Suchtmittelgesetz (SMG) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von vier Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Der Beschwerdeführer habe im Zusammenwirken mit einem weiteren Täter Mitte Dezember 2006 mindestens 150 g Heroin, am mindestens 300 g Heroin sowie am 786,5 g Heroin jeweils von Serbien kommend nach Österreich gebracht. Darüber hinaus habe er im Zeitraum von März 2005 bis März 2007 an elf verschiedene Abnehmer insgesamt eine Menge von etwa 880 bis 905 g Heroin verkauft. Er habe zudem in der Absicht gehandelt, sich durch seine Taten eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen. Die Tathandlungen seien in Beziehung auf ein Suchtgift begangen worden, dessen Menge zumindest das 25-fache der Grenzmenge im Sinn des § 28 Abs. 6 SMG ausgemacht habe. Dabei handle es sich um eine solche Menge an Suchtgift, die geeignet sei, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen.

Diese Verurteilung erfülle den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG. In Anbetracht des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers sei aber auch die öffentliche Ordnung und Sicherheit in höchstem Maße gefährdet, sodass sich auch die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme als gerechtfertigt erweise. Selbst wenn man - was der Beschwerdeführer behaupte, aber nicht belegt habe - annehme, dass er einen "kalten Entzug" vorgenommen habe und nicht mehr suchtmittelabhängig sei, könne daraus noch nicht geschlossen werden, dass er nach seiner Haftentlassung nicht neuerlich einschlägig straffällig werde.

Auch § 66 FPG stehe dem Aufenthaltsverbot nicht entgegen. Es sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer etwa siebeneinhalb Jahre im Bundesgebiet rechtmäßig niedergelassen sei. Er sei seit mit einer ausländischen Staatsangehörigen verheiratet, mit der er eine gemeinsame Tochter, die im Bundesgebiet aufgewachsen sei, habe. Diese gehe seit 2007 in den Kindergarten. Ab Herbst 2008 solle sie in Wien eine Volksschule besuchen. Neben der Ehefrau und der Tochter lebten in Österreich auch die Eltern des Beschwerdeführers, wobei seine Mutter bereits österreichische Staatsbürgerin sei. Bei den Eltern wohne auch ein Bruder des Beschwerdeführers im gemeinsamen Haushalt. Der Beschwerdeführer habe nach seiner Pflichtschulzeit keine Berufsausbildung absolviert. Er habe als Bau- und Fassadenarbeiter gearbeitet. Es sei eine Einstellungszusage "aktenkundig", wonach der Beschwerdeführer, "sobald es ihm möglich sei", bei der F GmbH beschäftigt werden könnte. Im vorliegenden Versicherungsdatenauszug scheine der Beschwerdeführer im Zeitraum vom bis bei insgesamt elf verschiedenen Arbeitgebern, jedoch lediglich mit Beschäftigungszeiten zwischen drei Tagen bis maximal drei Monaten, als beschäftigt auf. Zuletzt sei er bis als Arbeiter beschäftigt und anschließend bis zum Zeitpunkt seiner Festnahme im März 2007 arbeitslos gewesen.

Vor dem Hintergrund dieser Feststellungen sei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen. Im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer ausgehende besondere Gefährlichkeit, die er im Rahmen der Suchtgiftkriminalität gezeigt habe, sei aber die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, hier konkret: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zum Schutz der Gesundheit anderer und schließlich auch zur Aufrechterhaltung eines geordneten Kraftfahrwesens, als dringend geboten zu erachten. Das über einen langen Zeitraum gesetzte Fehlverhalten verdeutliche, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage oder nicht gewillt sei, die in Österreich geltenden Rechtsvorschriften einzuhalten. Er habe über einen besonders langen Zeitraum gewerbsmäßig Suchtgifthandel betrieben. Das der Verurteilung zugrunde liegende Fehlverhalten liege noch nicht so lange zurück, dass auf Grund des seither verstrichenen Zeitraums eine wesentliche Reduzierung der von ihm ausgehenden Gefahr hätte angenommen werden können. Die Zeiten der "Gerichtshaftverbüßung" könnten nicht als Zeiten des Wohlverhaltens gewertet werden.

Der allfälligen aus dem bisherigen Aufenthalt ableitbaren Integration des Beschwerdeführers komme insofern kein entscheidendes Gewicht (mehr) zu, als die für jegliche Integration erforderliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigt worden sei. Trotz der vorliegenden Einstellungszusage und selbst unter Berücksichtigung von konjunkturbedingten beschäftigungslosen Zeiten von Fassadenarbeitern könne im gegenständlichen Fall nicht von einer besonders gut ausgeprägten beruflichen Integration des Beschwerdeführers gesprochen werden. Seine privaten und familiären Interessen hätten gegenüber den hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen an der Hintanhaltung von strafbaren Handlungen wie der hier in Rede stehenden in den Hintergrund zu treten.

Letztlich stünden auch die Bestimmungen über die Aufenthaltsverfestigung und des Ermessens der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen. Eine Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen der Ermessensübung wäre angesichts der Verurteilung des Beschwerdeführers zu einem Verbrechen und einer unbedingten Freiheitsstrafe von vier Jahren offensichtlich nicht im Sinn des Gesetzes gelegen.

Da der Beschwerdeführer seine erste Tathandlung im März 2005 gesetzt habe und zu dieser Zeit noch nicht im Besitz des Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EG" gewesen sei, sei in seinem Fall § 56 FPG nicht zur Anwendung zu bringen. Auf Grund des dargestellten, den Tatbestand eines Verbrechens verwirklichenden Fehlverhaltens sei aber selbst im Falle der Anwendbarkeit dieser Bestimmung eine vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr im Sinn des § 56 Abs. 1 FPG zu bejahen. Es sei in seinem Fall von einer von ihm hervorgerufenen besonders schweren Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit auszugehen.

Im Weiteren legte die belangte Behörde noch dar, weshalb das Aufenthaltsverbot unbefristet zu erlassen sei.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet sich zunächst gegen die von der belangten Behörde getroffene Gefährdungsprognose. Er bringt vor, dass es nicht bloß ausreiche, auf den Tatbestand des § 28 SMG sowie den Inhalt der Anklageschrift einzugehen. Vielmehr habe ein positiver Gesinnungswandel beim Beschwerdeführer stattgefunden, der eine positive Zukunftsprognose ermögliche. Der Beschwerdeführer habe durch sein Verhalten zur Aufklärung der in dem angeführten Strafverfahren angeklagten Verbrechen beigetragen und ein reumütiges Geständnis abgelegt. Er habe auf Rechtsmittel gegen die Verurteilung verzichtet und einen "kalten Entzug" aus freien Stücken absolviert. Auch habe es sich um die erste gerichtliche Verurteilung gehandelt.

Damit zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Entgegen seinen Ausführungen hat die belangte Behörde nicht bloß auf den Tatbestand des § 28 SMG abgestellt, sondern jene Handlungen des Beschwerdeführers, die ihm als Fehlverhalten zum Vorwurf gemacht wurden, in ausreichendem Maß dargestellt. Soweit der Beschwerdeführer auf einen "kalten Entzug" hinweist, ist ihm entgegenzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur die erfolgreich absolvierte Therapie - insoweit gilt dies auch im Fall eines "kalten Entzuges" -, sondern auch eine entsprechend lange Zeit des Wohlverhaltens in Freiheit erforderlich ist, um davon ausgehen zu können, die von einem Fremden herrührenden Gefahr sei weggefallen oder maßgeblich gemindert (vgl. etwa die hg. Erkenntnisses vom , Zl. 2009/18/0089, und , Zl. 2009/18/0147). Zudem hat der Beschwerdeführer nach den Feststellungen die Taten nicht nur auf Grund seiner Suchtmittelergebenheit, sondern auch aus dem Grund gesetzt, um sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Schon unter diesem Gesichtspunkt kann das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe einen "kalten Entzug" durchgeführt, nicht dazu geeignet sein, den Wegfall oder die maßgebliche Minderung einer von ihm ausgehenden Gefahr darzulegen. Nicht entscheidungswesentlich ist im vorliegenden Fall, dass es sich bei der vorliegenden Verurteilung um die erste Verurteilung gehandelt hat und sich der Beschwerdeführer im Strafverfahren geständig gezeigt hat. Vielmehr hat die belangte Behörde zu Recht auf den langen Tatzeitraum verwiesen.

Der Verwaltungsgerichtshof erachtet es sohin als unbedenklich, wenn die belangte Behörde anhand des vom Beschwerdeführer gesetzten Fehlverhaltens, das zur strafgerichtlichen Verurteilung geführt hat, davon ausgegangen ist, durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich bestehe eine von ihm herrührende maßgebliche Gefahr. Dann aber kommt es auf die vom Beschwerdeführer früher begangenen Verwaltungsübertretungen hier nicht mehr an, weshalb auf das diesbezügliche Beschwerdevorbringen nicht näher eingegangen werden musste.

Der Beschwerdeführer wendet sich auch gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung nach § 66 FPG. In der Beschwerde wird insoweit eingeräumt, die Behörde habe die "zu prüfende Integration des Beschwerdeführers im Großen und Ganzen richtig erkannt". Es seien aber die Unterhaltspflicht für seine Ehefrau und die minderjährige Tochter sowie die in Österreich lebenden Familienangehörigen nur unzureichend berücksichtigt worden. Der Beschwerdeführer habe nahezu keinerlei Kontakte mehr zur "früheren Heimat". Anders als der Beschwerdeführer meint, kann der Verwaltungsgerichtshof nicht finden, dass der belangten Behörde im Rahmen der Interessenabwägung ein Fehler unterlaufen wäre. Wie der Beschwerdeführer selbst einräumt, hat die belangte Behörde die für die Interessenabwägung relevanten Umstände in ihre Beurteilung einbezogen. Wenn die belangte Behörde angesichts der vom Beschwerdeführer begangenen Taten seinen persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet gegenüber den öffentlichen Interessen an der Verhinderung von (weiteren) strafbaren Handlungen keinen Vorrang eingeräumt hat, stößt dies auf keine Bedenken. Die Trennung von seinen Familienangehörigen hat der Beschwerdeführer ebenso wie diese im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen. Dies gilt auch für allfällige mit der Wiedereingliederung in sein Heimatland verbundene Schwierigkeiten.

Vor dem Hintergrund des Gesagten gehen die in der Beschwerde enthaltenen darauf bezugnehmenden Verfahrensrügen ins Leere.

Wenn der Beschwerdeführer schließlich noch pauschal auf "die aufenthaltsverfestigenden Bestimmungen des Fremdengesetzes" hinweist, so legt er nicht dar, inwieweit solche der Erlassung des Aufenthaltsverbotes entgegengestanden wären. Solches ist für den Verwaltungsgerichtshof auch sonst nicht erkennbar.

Da sohin dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
WAAAE-81667