VwGH vom 26.05.2014, 2013/08/0115
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätinnen Dr. Julcher und Mag. Rossmeisel sowie den Hofrat Dr. Pürgy als Richter und Richterinnen, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde des H K in G, vertreten durch Mag. Stefan Weileder, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Marburger Kai 47, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom , Zl. LGS600/SfA/0566/2013-Dr.Si/S, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer ab Arbeitslosengeld in der Höhe von EUR 26,44 täglich zuerkannt.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe die Möglichkeit einer Einbeziehung in die Arbeitslosenversicherung für selbständig Erwerbstätige genützt und sich ab gegen Arbeitslosigkeit versichert. Dies habe dazu geführt, dass der Beschwerdeführer nach Zurücklegung seiner Gewerbeberechtigung am eine Anwartschaft auf Arbeitslosengeld erworben habe.
Gemäß § 21 Abs. 1 AlVG müsse für die Berechnung in Bezug auf den Antrag des Beschwerdeführers, der in der zweiten Jahreshälfte 2012 gestellt worden sei, die Jahresbeitragsgrundlage von 2011 herangezogen werden. Sei diese nicht vorhanden, müsse die zuletzt beim Hauptverband gespeicherte Jahresbeitragsgrundlage herangezogen werden.
Der Beschwerdeführer sei zuletzt 1990 unselbständig erwerbstätig gewesen und habe an insgesamt 105 Tagen S 48.288,-- plus S 7.860,-- Sonderzahlungen verdient. Diese Summe geteilt durch 105 Arbeitstage mal 30 Kalendertage ergebe eine monatliche Bemessungsgrundlage von S 16.042,--. Dieser Betrag sei auch beim Hauptverband gespeichert und müsse in Euro umgerechnet und mit dem Faktor 1,490 aufgewertet werden, sodass sich eine monatliche Bemessung von EUR 1.737,-- ergebe. Erst bei Erwerb einer neuerlichen Anwartschaft und Antragstellung ab der zweiten Jahreshälfte 2013 würde die vom Beschwerdeführer gewählte Variante der Selbstversicherung (mit einer Beitragsgrundlage in Höhe von drei Viertel der Höchstbeitragsgrundlage nach § 48 GSVG) zum Tragen kommen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
1. § 21 Abs. 1 und 2 AlVG in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 11/2010 lautet:
"§ 21. (1) Für die Festsetzung des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes ist bei Geltendmachung bis 30. Juni das Entgelt des vorletzten Kalenderjahres aus den beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger gespeicherten Jahresbeitragsgrundlagen aus arbeitslosenversicherungspflichtigem Entgelt, mangels solcher aus anderen für Zwecke der Sozialversicherung gespeicherten Jahresbeitragsgrundlagen heranzuziehen. Bei Geltendmachung nach dem 30. Juni ist das Entgelt des letzten Kalenderjahres heranzuziehen. Liegen die nach den vorstehenden Sätzen heranzuziehenden Jahresbeitragsgrundlagen nicht vor, so sind jeweils die letzten vorliegenden Jahresbeitragsgrundlagen eines vorhergehenden Jahres heranzuziehen. Durch Teilung des Entgelts der maßgeblichen Jahresbeitragsgrundlagen durch zwölf ergibt sich das monatliche Bruttoeinkommen. Zeiten, in denen der Arbeitslose infolge Erkrankung (Schwangerschaft) nicht das volle Entgelt oder wegen Beschäftigungslosigkeit kein Entgelt bezogen hat, sowie Zeiten des Bezuges einer Lehrlingsentschädigung, wenn es für den Arbeitslosen günstiger ist, bleiben bei der Heranziehung der Beitragsgrundlagen außer Betracht. In diesem Fall ist das Entgelt durch die Zahl der Versicherungstage zu teilen und mit 30 zu vervielfachen. Jahresbeitragsgrundlagen, die einen Zeitraum enthalten, in den eine Versicherung gemäß § 1 Abs. 1 lit. e (Entwicklungshelfer) fällt oder in dem Karenz(urlaubs)geld oder Kinderbetreuungsgeld oder ein Kombilohn (§ 34a AMSG) bezogen wurde oder die Normalarbeitszeit zum Zwecke der Sterbebegleitung eines nahen Verwandten oder der Begleitung eines schwerst erkrankten Kindes gemäß § 14a oder § 14b AVRAG oder einer gleichartigen Regelung herabgesetzt wurde, bleiben außer Betracht, wenn diese niedriger als die sonst heranzuziehenden Jahresbeitragsgrundlagen sind. Sind die heranzuziehenden Jahresbeitragsgrundlagen zum Zeitpunkt der Geltendmachung älter als ein Jahr, so sind diese mit den Aufwertungsfaktoren gemäß § 108 Abs. 4 ASVG der betreffenden Jahre aufzuwerten. Jahresbeitragsgrundlagen, die Zeiten einer gemäß § 1 Abs. 2 lit. e von der Arbeitslosenversicherungspflicht ausgenommenen krankenversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit enthalten, gelten als Jahresbeitragsgrundlagen aus arbeitslosenversicherungspflichtigem Entgelt. Für Personen, die gemäß § 3 versichert waren, sind die entsprechenden Jahresbeitragsgrundlagen in der Arbeitslosenversicherung heranzuziehen. Bei Zusammentreffen von Jahresbeitragsgrundlagen aus arbeitslosenversicherungspflichtigem Entgelt mit Jahresbeitragsgrundlagen auf Grund der Versicherung gemäß § 3 sind die Gesamtbeitragsgrundlagen heranzuziehen.
(2) Liegen noch keine Jahresbeitragsgrundlagen vor, so ist für die Festsetzung des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes das Entgelt der letzten sechs Kalendermonate vor der Geltendmachung des Arbeitslosengeldes heranzuziehen. Sonderzahlungen im Sinne der gesetzlichen Sozialversicherung (§ 49 ASVG) sind anteilsmäßig zu berücksichtigen. Durch Teilung des Entgelts der letzten sechs Kalendermonate durch sechs ergibt sich das monatliche Bruttoeinkommen. Abs. 1 fünfter und sechster Satz ist anzuwenden."
2. Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe sich ab "zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung angemeldet" und bis zum Versicherungsbeiträge in Höhe von EUR 222,08 monatlich bezahlt. Am sei er schließlich arbeitslos geworden und habe Arbeitslosengeld beantragt. Gemäß § 21 Abs. 1 AlVG sei "ob der Antragstellung im Jahr 2012, mangels verfügbarer Jahresbeitragsgrundlage von 2011, das vorletzte Jahr zur Bemessungsgrundlage herangezogen (worden), in welchem der Beschwerdeführer Beiträge zur Arbeitslosenversicherung geleistet hat; es war dies das Jahr 1990". Dem Beschwerdeführer sei diese Gesetzeslage zum Zeitpunkt des "Vertragsabschlusses" und der Antragstellung nicht bekannt gewesen. Die Information der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, die Grund dafür gewesen sei, dass sich der Beschwerdeführer freiwillig gegen Arbeitslosigkeit versichert habe, gehe mit keinem Wort auf diese Gesetzeslage ein. Nicht übersehen werden dürfe auch, dass der Beschwerdeführer beim Abschluss der freiwilligen Arbeitslosenversicherung einen "Kündigungsverzicht" von acht Jahren abgegeben habe. Aus Sicht des Beschwerdeführers sei daher eine teleologische Reduktion des § 21 Abs. 1 AlVG dahingehend vorzunehmen, dass diese Bestimmung nur in jenen Fällen zur Anwendung gelange, in denen eine mehrjährige, durchgehende Arbeitslosenversicherung vorliege, nicht jedoch in Fällen wie dem gegenständlichen, in dem das vorletzte Versicherungsjahr schon eine überaus lange Zeit (hier: 22 Jahre) zurückliege.
Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer nicht im Recht:
Die Bildung der Bemessungsgrundlage für das Arbeitslosengeld wurde durch das Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201, grundlegend neu geregelt. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (72 BlgNR 20. GP, 235 f) sollte das Arbeitslosengeld (im Gegensatz zu der bis dahin in Geltung gestandenen Regelung nicht mehr aus dem Entgelt der letzten 26 Kalenderwochen bzw. sechs Kalendermonate, sondern) auf Grundlage der beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger vorliegenden Jahresbeitragsgrundlagen berechnet werden. Als Stichtag sei der 1. Juli gewählt worden, da spätestens zu diesem Zeitpunkt die Jahresbeitragsgrundlagen beim Hauptverband vorlägen, und zwar auch dann, wenn der Dienstgeber die Beiträge nach dem Lohnsummenverfahren abführte. Werde das Arbeitslosengeld im zweiten Halbjahr geltend gemacht, so seien die Jahresbeitragsgrundlagen des Vorjahres heranzuziehen. Liege die Geltendmachung im ersten Halbjahr, so seien die Jahresbeitragsgrundlagen des vorletzten Jahres heranzuziehen, wobei als Beispiel für den Fall der Geltendmachung im Frühjahr 1997 ausdrücklich die Jahresbeitragsgrundlagen 1995 erwähnt werden. Lägen diese Jahresbeitragsgrundlagen nicht vor, so seien die jeweils zuletzt vorliegenden Jahresbeitragsgrundlagen heranzuziehen.
Diese Regelung dient insofern der Verwaltungsvereinfachung, als sie dem Arbeitsmarktservice ermöglicht, auf die für Zwecke der Sozialversicherung bereits ermittelten Jahresbeitragsgrundlagen zurückzugreifen. Nur in Fällen, in denen noch überhaupt keine Jahresbeitragsgrundlage vorhanden ist, bleibt es nach § 21 Abs. 2 AlVG bei der Regelung, dass das Entgelt der letzten sechs Kalendermonate vor der Geltendmachung heranzuziehen ist.
Für gemäß § 3 AlVG versicherte selbständig Erwerbstätige ordnet der durch die Novelle BGBl. I Nr. 77/2004 eingefügte vorletzte Satz des § 21 Abs. 1 AlVG hingegen an, dass die "entsprechenden Jahresbeitragsgrundlagen in der Arbeitslosenversicherung" heranzuziehen sind. Darunter sind die gemäß § 3 Abs. 4 AlVG iVm § 2 AMPFG selbst gewählten, in einem Prozentsatz (25, 50 oder 75 %) der Höchstbeitragsgrundlage nach dem GSVG bestehenden Beitragsgrundlagen zu verstehen.
Auch bei gemäß § 3 AlVG Versicherten hat es aber dabei zu bleiben, dass grundsätzlich die Beitragsgrundlagen des dem Jahr der Geltendmachung vorangegangenen bzw. zweitvorangegangenen Kalenderjahres heranzuziehen (und gegebenenfalls mit dem Aufwertungsfaktor aufzuwerten) sind (auch wenn sich die jeweiligen Beträge dann, wenn ausschließlich eine Versicherung nach § 3 AlVG vorlag, höchstens geringfügig unterscheiden werden); dies folgt aus der Formulierung des vorletzten Satzes des § 21 Abs. 1 AlVG (die "entsprechenden" Jahresbeitragsgrundlagen) und ist auch im Hinblick darauf erforderlich, dass nach § 21 Abs. 1 letzter Satz AlVG bei Zusammentreffen von Jahresbeitragsgrundlagen aus arbeitslosenversicherungspflichtigem Entgelt mit Jahresbeitragsgrundlagen auf Grund der Versicherung gemäß § 3 AlVG Gesamtbeitragsgrundlagen zu bilden sind, was voraussetzt, dass jeweils vom selben Zeitraum ausgegangen wird.
Für den Fall, dass im demnach maßgeblichen Kalenderjahr (noch) keine Versicherung gemäß § 3 AlVG aufrecht war, gilt bei der Bildung des Grundbetrages nach § 21 AlVG Folgendes: Ist im zweitvorangegangenen (bei Geltendmachung in der ersten Jahreshälfte) oder im vorangegangenen (bei Geltendmachung in der zweiten Jahreshälfte) Kalenderjahr eine Jahresbeitragsgrundlage aus arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung vorhanden, so ist diese heranzuziehen. Fehlt eine solche Beitragsgrundlage, so ist gemäß § 21 Abs. 1 dritter Satz AlVG auf die letzte vorliegende Jahresbeitragsgrundlage zurückzugreifen. Für den Fall, dass noch überhaupt keine Jahresbeitragsgrundlage aus vorangegangenen Jahren vorhanden ist, fehlt hinsichtlich der nach § 3 AlVG Versicherten eine gesetzliche Regelung, wie der Grundbetrag festzusetzen ist; da aber bei der Versicherung nach § 3 AlVG die - gemäß § 3 Abs. 4 AlVG iVm § 2 AMPFG gebildete - Beitragsgrundlage für das laufende Jahr jedenfalls bereits feststeht, ist davon auszugehen, dass diese in Ermangelung einer früheren Beitragsgrundlage heranzuziehen ist (das entspricht insofern der Regelung des § 21 Abs. 2 AlVG für die Fälle arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung, als auch dort letztlich auf die - als Durchschnittsbetrag der letzten sechs Monate errechnete - aktuelle Beitragsgrundlage abgestellt wird). Sollte außer der zur Versicherung nach § 3 AlVG führenden Tätigkeit auch eine arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt worden sein, wäre insoweit nach § 21 Abs. 2 AlVG vorzugehen und die so ermittelte Basis für den Grundbetrag mit der Beitragsgrundlage auf Grund der Versicherung nach § 3 AlVG zusammenzuzählen.
Im Beschwerdefall lag im - auf Grund der Geltendmachung in der zweiten Jahreshälfte maßgeblichen - vorangegangenen Kalenderjahr weder eine Jahresbeitragsgrundlage aus arbeitslosenversicherungspflichtigem Entgelt noch eine solche auf Grund der Versicherung nach § 3 AlVG vor. Es war jedoch eine Jahresbeitragsgrundlage aus arbeitslosenversicherungspflichtigem Entgelt in einem weiter zurückliegenden Kalenderjahr vorhanden. Diese Beitragsgrundlage hat die belangte Behörde nach dem oben Gesagten zu Recht für die Festsetzung des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes herangezogen.
3. Soweit sich der Beschwerdeführer - in der Beschwerde erstmals - gegen die Höhe der Beitragsgrundlage für das Jahr 1990 wendet, steht seinem Vorbringen das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichthof geltende Neuerungsverbot entgegen.
4. Auf die Rüge des unrichtigen "Auszahlungsbeginns" mit statt mit der Antragstellung am ist zu entgegnen, dass der Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 AlVG nicht arbeitslos war, solange die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem GSVG aufrecht war (nach den unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde also bis zum ).
5. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, idF BGBl. II Nr. 8/2014 weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am