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VwGH vom 20.10.2011, 2008/18/0581

VwGH vom 20.10.2011, 2008/18/0581

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des IA in W, vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 14, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/375.477/2007, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, ein auf § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestütztes unbefristetes Aufenthaltsverbot.

In ihrer Begründung führte die belangte Behörde aus, der im Jahr 1975 geborene Beschwerdeführer halte sich seit März 1992 im Bundesgebiet auf. Er habe zunächst einen Asylantrag eingebracht. Dieser sei rechtskräftig abgewiesen worden. Bereits in den Jahren 1995 bis 2000 sei der Beschwerdeführer mehrmals u.a. wegen Sachbeschädigung und Körperverletzung angeklagt worden. Diese Strafverfahren hätten mit Freisprüchen geendet.

Mit Urteil des Bezirksgerichts Baden vom (richtig: mit dem am in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom ) sei der Beschwerdeführer nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Er habe am einen anderen am Hals gewürgt und diesen solcherart durch Zufügen von Würgemalen vorsätzlich am Körper verletzt.

Am sei der Beschwerdeführer durch das Landesgericht Wiener Neustadt nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Abs. 1 und Abs. 2, 130 erster, zweiter Satz, § 12 dritter Fall sowie § 278 Abs. 1 und § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, wovon 18 Monate bedingt nachgesehen worden seien, rechtskräftig verurteilt worden. Dem sei zugrunde gelegen, dass sich der Beschwerdeführer in der Zeit von Juli 2004 bis September 2004 mit vier anderen Personen zu einer kriminellen Vereinigung zusammengeschlossen habe, die auf die Begehung schwerer Diebstähle durch Einbrüche ausgerichtet gewesen sei. Bei zwei Trafikeinbrüchen am und am habe sich der Beschwerdeführer durch Aufpasser- und Transportdienste beteiligt. Dabei seien ein Laptop und Zigaretten im Wert von etwa EUR 14.000,-- erbeutet worden. Solcherart habe er sich auch bei weiteren im angefochtenen Bescheid näher dargestellten Einbrüchen in Geschäftsräumlichkeiten sowie in ein Postamt, ein Wettbüro und eine Tankstelle beteiligt. Die Einbruchsdiebstähle im Rahmen der kriminellen Vereinigung habe der Beschwerdeführer in der Absicht begangen, sich dadurch eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen. Des Weiteren habe der Beschwerdeführer am seine damalige Lebensgefährtin durch Versetzen von Schlägen ins Gesicht und Reißen an den Haaren am Körper verletzt. Sie habe eine Kopfprellung und länger andauernde Kopfschmerzen erlitten.

Die zeitlich jüngste Verurteilung des Beschwerdeführers sei am durch das Landesgericht für Strafsachen Wien nach den §§ 127, 129 Z 1, § 12 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr erfolgt. Unter einem habe das Landesgericht für Strafsachen Wien die dem Beschwerdeführer früher gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen. Nach Verbüßen des unbedingten Teiles der vom Landesgericht Wiener Neustadt verhängten Freiheitsstrafe habe er über keine ausreichende Mittel zu seinem Lebensunterhalt verfügt. Er sei daher wieder darauf verfallen, sich Geld durch Diebstähle zu beschaffen. Er habe sich mit zwei weiteren Tätern verabredet, Einbruchsdiebstähle zu begehen, um so zu Geld zu kommen. Am seien er und die Mittäter in ein Reisebüro eingebrochen, wobei der Beschwerdeführer in unmittelbarer Nähe des Reisebüros Aufpasserdienste geleistet habe. Durch eine alarmierte Polizeistreife seien die Täter jedoch überrascht worden und hätten festgenommen werden können. Der Beschwerdeführer habe seine Mittäter noch gewarnt, jedoch sei letztlich durch die Polizeibeamten die Flucht vereitelt worden.

Die genannten Verurteilungen erfüllten zweifelsfrei den in § 60 Abs. 2 Z 1 FPG normierten Tatbestand. Es seien aber auch die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 60 Abs. 1 FPG gegeben. Der Beschwerdeführer habe durch sein bisheriges Verhalten nachdrücklich zu erkennen gegeben, dass er offenbar nicht willens oder imstande sei, für ihn maßgebliche in Österreich gültige Rechtsvorschriften einzuhalten. Weder Verurteilungen noch die Strafhaft habe den Beschwerdeführer davon abhalten können, wieder einschlägig straffällig zu werden. Eine zu Gunsten des Beschwerdeführers ausfallende Verhaltensprognose könne nicht erstellt werden. Wenn er vorbringe, er habe sich vor allen Behörden geständig verantwortet, sei ihm der Inhalt des Urteils des Landesgerichts für Strafsachen Wien entgegenzuhalten, in dem ausdrücklich ausgeführt worden sei, dass der Beschwerdeführer vor allem seine Schuld an den Diebstählen in keiner Weise zugegeben habe. Er habe - der Urteilsbegründung zufolge - weder faktisch noch im Sinn des Gesetzes reumütig ein Geständnis abgelegt. Es könne - so das Urteil weiter - nicht von Schuldeinsicht gesprochen werden, sondern es handle sich beim Beschwerdeführer vielmehr um einen "hartnäckig leugnenden, schulduneinsichtigen, was den Diebstahl betrifft professionellen Aufpasser". Schon seitens des Strafgerichtes sei ausgeführt worden, dass jegliche Voraussetzungen fehlten, annehmen zu können, der Beschwerdeführer werde sich in Zukunft wohlverhalten.

Es sei aber auch die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes aus dem Blickwinkel des § 66 FPG zu bejahen. Bereits auf Grund des Gesagten könne kein Zweifel bestehen, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes als dringend geboten anzusehen sei. Zur Interessenabwägung führte die belangte Behörde näher aus, der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Es bestünden aber familiäre Bindungen zu einer Schwester, deren Geburtsdatum der Beschwerdeführer allerdings nicht habe nennen können. Seine Eltern lebten in seiner Heimat. Es sei zweifellos von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen erheblichen Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen. Es sei außerdem auf die Dauer des inländischen Aufenthalts und die daraus ableitbare Integration Bedacht zu nehmen. Jedoch stelle sich diese nicht von einem solchen Gewicht dar, wie es angesichts des bisherigen 16 Jahre währenden Aufenthalts indiziert sein könnte. Die einer jeglichen Integration zugrunde liegende soziale Komponente sei insbesondere durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers erheblich an Gewicht gemindert worden. Am heimischen Arbeitsmarkt sei der Beschwerdeführer nicht integriert. Den überwiegenden Teil seines Aufenthalts hindurch habe er Sozialleistungen, wie etwa Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe, bezogen. In den Jahren 1995 bis 2004 seien immer nur kurzfristige Arbeitsverhältnisse, die im Durchschnitt etwa ein bis zwei Monate gedauert hätten, "aktenkundig". Derzeit befinde sich der Beschwerdeführer in Haft. Die familiären Bindungen zu seiner Schwester seien insofern zu relativieren, als er mit dieser nicht in einem gemeinsamen Haushalt lebe und er schon seit längerem volljährig sei. Insgesamt sei sohin das dem Beschwerdeführer zuzusprechende Interesse an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet zwar als gewichtig, keinesfalls jedoch als besonders ausgeprägt anzusehen. Dem stehe das als hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer Straftaten gegenüber. Im Rahmen der Abwägung der gegenläufigen Interessenlagen gelange die belangte Behörde zur Auffassung, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wögen als das in seinem Fehlverhalten gegründete hohe öffentliche Interesse an seinem Verlassen des Bundesgebietes und an seinem Fernbleiben von diesem. Die Einschränkungen des Kontaktes zu seiner Schwester habe der Beschwerdeführer im öffentlichen Interesse hinzunehmen.

Abschließend führte die belangte Behörde noch aus, ein Sachverhalt, nach dem sich die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 61 FPG als unzulässig erweisen hätte können, sei nicht gegeben. Schließlich sei auch noch für den Fall, dass auf den Beschwerdeführer § 56 FPG anwendbar wäre, von der Zulässigkeit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auszugehen. Im Hinblick auf die Verurteilungen des Beschwerdeführers, die die Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 FPG erfüllten, sei auch davon auszugehen, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit (im Sinn des § 56 Abs. 1 FPG) darstelle.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet sich mit seinen Ausführungen in erster Linie gegen die von der belangten Behörde nach § 66 FPG vorgenommene Beurteilung. In diesem Zusammenhang macht er aber keine Umstände geltend, die die belangte Behörde im Rahmen ihrer Entscheidung nicht bereits berücksichtigt hätte. Angesichts des oben wiedergegebenen Fehlverhaltens des Beschwerdeführers und des Umstandes, dass er trotz Verurteilungen und Strafhaft immer wieder - teils einschlägig - strafbare Handlungen begangen hat, kann aber der Ansicht der belangten Behörde, den öffentlichen Interessen sei Vorrang gegenüber den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers einzuräumen, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Anders als der Beschwerdeführer meint, ist der belangten Behörde nicht vorzuwerfen, ihren Bescheid nicht dem Gesetz entsprechend begründet oder ihrem Ergebnis eine Scheinbegründung zugrunde gelegt zu haben. Soweit der Beschwerdeführer darauf hinweist, er lebe nunmehr in Lebensgemeinschaft mit einer EU-Bürgerin, ist dem entgegenzuhalten, dass er Derartiges im Verwaltungsverfahren nie vorgebracht hat. Insoweit steht diesem Vorbringen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren herrschende Neuerungsverbot entgegen (§ 41 Abs. 1 VwGG). Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, dass abgesehen von der in Österreich lebenden Schwester eine weitere Schwester von ihm in der Schweiz lebe. Es ist aber in diesem Zusammenhang nicht erkennbar, aus welchen Gründen dies die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich stärken könnte.

Die belangte Behörde ist aber auch zutreffend zum Ergebnis gelangt, dass der bisherige 16-jährige Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegensteht. Aus dieser Aufenthaltsdauer ergibt sich - anders als der Beschwerdeführer meint - nicht, dass diese schon für sich "zwanglos eine Aufenthaltsverfestigung nach sich" gezogen hätte. Der Beschwerdeführer ist im Jahr 1975 geboren und im Jahr 1992 erstmals in das Bundesgebiet eingereist. Ihm wurde erstmals am ein gewöhnlicher Sichtvermerk (nach dem Fremdengesetz 1992) erteilt. Es kann daher keine Rede davon sein, dass der Beschwerdeführer die Voraussetzung des § 61 Z 4 FPG, von klein auf im Inland aufgewachsen zu sein, erfüllt hätte. Es kann aber auch nicht davon ausgegangen werden, dass § 61 Z 3 FPG der Erlassung des Aufenthaltsverbotes entgegengestanden wäre, weil sich die belangte Behörde zur Begründung des Aufenthaltsverbotes maßgeblich auch auf die der Verurteilung des Beschwerdeführers vom zugrunde liegende Tat vom bezog. Mit Blick darauf kann nicht davon ausgegangen werden, dem Beschwerdeführer hätte vor Verwirklichung des (für das Aufenthaltsverbot) maßgeblichen Sachverhaltes die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen werden können. Die Ansicht der belangten Behörde, § 61 FPG stehe der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen, erweist sich sohin als zutreffend.

Sohin haftet dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht an. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am