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VwGH vom 04.05.2020, Ra 2019/05/0104

VwGH vom 04.05.2020, Ra 2019/05/0104

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bayjones und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak und Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision

1. der A geschellschaft m.b.H. und 2. der M ges.m.b.H., beide in W, beide vertreten durch Mag. Wolfgang Prammer, Mag. Martin Nepraunik, Dr. Leonhard Göbel und Dr. Franz Reinthaler, Rechtsanwälte in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 1A, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom , VGW- 111/V/077/11606/2017-2 und VGW-111/V/077/11608/2017, betreffend Ersatzleistung gemäß § 50 der Bauordnung für Wien (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; mitbeteiligte Partei: Gemeinde Wien; weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat den Revisionswerberinnen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Eingabe vom beantragte der Rechtsvorgänger der Revisionswerberinnen die Abteilungsgenehmigung für näher genannte Liegenschaften der KG A nach Maßgabe der eingereichten Pläne.

2 Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom wurde die beantragte Abteilung (Schaffung von zwei Bauplätzen; Eigentümerin des einen ist nunmehr die Erstrevisionswerberin, des anderen die Zweitrevisionswerberin) unter näheren Vorschreibungen bewilligt (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. wurde der Eigentümer des Bauplatzes "rot 2" gemäß § 50 der Bauordnung für Wien (BO) in Verbindung mit § 55 BO verpflichtet, der Gemeinde für die nach Maßgabe der Bestimmungen des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes aus Anlass dieser Grundabteilung gemäß § 17 Abs. 1 und 4 BO unentgeltlich in das öffentliche Gut abzutretende Grundfläche (in den Teilungsplänen als F 2 bezeichnet), welche jedoch bereits im Eigentum der Gemeinde stehe, eine Ersatzleistung für 1.821 m2 in der Höhe des vollen Grundwertes, das seien EUR 680,--/m2, insgesamt daher EUR 1.238.280,--, zu entrichten. Unter Spruchpunkt III. wurde der Eigentümer des Bauplatzes "rot 1" gemäß § 50 BO in Verbindung mit § 55 BO verpflichtet, der Gemeinde für die nach Maßgabe der Bestimmungen des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes aus Anlass der Grundabteilung gemäß § 17 Abs. 1 und 4 BO unentgeltlich in das öffentliche Gut abzutretenden Grundfläche (in den Teilungsplänen als F 1 bezeichnet), welche jedoch bereits im Eigentum der Gemeinde stehe, eine Ersatzleistung für 565 m2 in der Höhe des vollen Grundwertes, das seien EUR 680,--/m2, insgesamt daher EUR 384.200,--, zu entrichten.

3 Begründend wurde zu den Spruchpunkten II. und III. im Wesentlichen ausgeführt, die Grundflächen des Grundstückes Nr. 675/8 der EZ 3455 (Stadt Wien, öffentliches Gut), die sich vor den abteilungsgegenständlichen Liegenschaften befänden (Anmerkung: F 1 und F 2), seien von der Republik Österreich erworben, 2006 unentgeltlich in die Verwaltung der Stadt Wien übernommen und in eine Einlage des öffentlichen Gutes gelegt worden. Für diese Grundflächen bestünden die Verpflichtungen zur Entrichtung einer Ersatzleistung und zur Leistung eines Kostenersatzes gemäß § 50 BO, weil diese Grundflächen nicht von den gegenständlichen Liegenschaften unentgeltlich in das öffentliche Gut abgetreten worden seien und weniger als 30 Jahre im Eigentum der Stadt Wien stünden. Die Höhe der Ersatzleistung ergebe sich aus einer von Amtssachverständigen vorgenommenen Grundwertschätzung, wobei im Vergleichswertverfahren der unparzellierte Baulandwert auf EUR 680,--/m2 geschätzt worden sei. Der Umstand, dass einer Verkehrsfläche vormals die Qualifikation als Bundesstraße zugekommen sei, sei ohne Einfluss auf die Verpflichtungen nach der BO. Zwar habe es gemäß Art. IV Abs. 5 BO eine Übergangsbestimmung bis gegeben, nach diesem Zeitpunkt seien aber die Verpflichtungen nach der BO zur Gänze zu erfüllen. 4 Gegen die Spruchpunkte II. und III. erhoben u.a. die Revisionswerberinnen Beschwerde vor dem Verwaltungsgericht Wien. 5 Das Verwaltungsgericht holte u.a. eine Stellungnahme des Magistrates der Stadt Wien vom ein. Darin wurde u. a. ausgeführt, die gegenständlichen Grundflächen F 1 und F 2 seien nach Erklärung der G Straße zu einem Teil der Bundesstraße B 3 auf der Grundlage von Abteilungen von anderen (näher genannten Grundstücken) abgetrennt und mit Kaufverträgen vom 29. Oktober und durch die Republik Österreich zum Zwecke des Straßenausbaues erworben worden. Die B 3 sei gemäß § 1 lit. a des Bundesstraßen-Übertragungsgesetzes, BGBl. I Nr. 50/2002, als Bundesstraße aufgelassen worden. Gemäß § 4 Abs. 1 leg.cit. sei das bücherliche Eigentum (u.a.) an den gegenständlichen Flächen F 1 und F 2 entschädigungslos von Gesetzes wegen an das Land Wien übergegangen. Das Land Wien habe eine Vereinbarung vom 6. und mit der Stadt Wien abgeschlossen, wonach die gegenständlichen Flächen aus Gründen der Sparsamkeit und der Zweckmäßigkeit unentgeltlich an die Stadt Wien übertragen worden seien, und diese habe sie in ihr öffentliches Gut übernommen. Das Eigentumsrecht für die Stadt Wien (öffentliches Gut) sei in der Folge einverleibt worden.

6 Am fand eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht statt.

7 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wurden die Beschwerden der Revisionswerberinnen als unbegründet abgewiesen. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.

8 Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Ersatzleistung gemäß § 50 Abs. 1 BO nicht Kostenersatz sei, sondern eine Ersatzleistung für die den Abteilungswerber sonst treffende Grundabtretungspflicht. Auch § 50 Abs. 3 BO stehe der Verpflichtung zur Entrichtung einer Ersatzleistung nicht entgegen, weil der Eigentumserwerb durch das Land Wien vor weniger als 30 Jahren, nämlich im Jahre 2002, unentgeltlich vom Bund im Zuge der Übertragung der ehemaligen B 3 auf das Land Wien erfolgt sei. Die Gemeinde Wien habe die gegenständlichen Flächen erst im Jahr 2006 erworben, und zwar unentgeltlich vom Land Wien. Auch eine analoge Anwendung auf den Eigentumserwerb durch den Bund scheide aus (wurde näher dargelegt). Die Ersatzleistungspflicht trete an die Stelle der Abtretung in natura und habe sich daher am Wert des Baugrundstückes, "aus dem heraus abzutreten" sei, zu orientieren. Die Flächenwidmung würde im Übrigen auch frei finanzierten Wohnbau zulassen, sodass durch einen allenfalls geplanten geförderten Wohnbau keine Reduktion eintrete (wurde näher ausgeführt). Auch die Größe der beiden geschaffenen Bauplätze sei kein den Grundwert mindernder Faktor (wurde näher ausgeführt). Im Übrigen sei das Gutachten der Amtssachverständigen zur Ermittlung der Höhe des Kostenersatzes nachvollziehbar und schlüssig (wurde näher ausgeführt).

9 Gegen dieses Erkenntnis erhoben die Revisionswerberinnen Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom , E 1143/2018-6, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab. Begründend führte er aus, nach den Beschwerdebehauptungen wären die geltend gemachten Rechtsverletzungen zum erheblichen Teil nur die Folge einer (allenfalls grob) unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen seien zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere, ob die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes in jeder Hinsicht rechtsrichtig sei, insoweit nicht anzustellen. Soweit die Beschwerde verfassungsrechtliche Fragen berühre, insofern die Rechtswidrigkeit der die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtsvorschriften (§ 50 Abs. 1 und 3 BO) behauptet werde, lasse ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der (näher zitierten) ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Art. 18 B-VG, Art. 5 StGG und Art. 7 B-VG die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. 10 Mit Beschluss vom , E 1143/2018-8 trat der Verfassungsgerichthof die Beschwerde der Revisionswerberinnen dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

11 Daraufhin wurde die vorliegende außerordentliche Revision erhoben mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben. 12 Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision kostenpflichtig zurück- bzw. abzuweisen.

13 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

14 Die Revision ist in Anbetracht der Frage der Bemessung der Ersatzleistung zulässig.

15 In der Revision wird im Wesentlichen ausgeführt, es sei kein entgeltlicher Erwerb der gegenständlichen Flächen durch die Stadt Wien erfolgt. § 50 BO in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 25/2014 habe vorausgesetzt, dass die jeweiligen Grundflächen gegen Entgelt erworben worden seien. Aus den Gesetzesmaterialien gehe hervor, dass mit der neuen Formulierung des § 50 BO nicht von dem Prinzip abgewichen werden sollte, dass die Flächen, für die eine Ersatzleistung begehrt werden könne, entgeltlich von der Stadt Wien erworben sein müssen. 16 Auch nach einer Wortinterpretation könne sich eine Ersatzleistung nur dann ergeben, wenn zuvor durch die Gemeinde für diese Fläche auch tatsächlich irgendwelche Aufwendungen erforderlich gewesen seien. Dies sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Daher liege auch eine Bereicherung der Stadt Wien und damit ein Wertungswiderspruch zu § 17 Abs. 4a BO vor, wobei auf das Erkenntnis , zu verweisen sei. Abgesehen davon wäre § 50 BO jedenfalls dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass Abs. 1 dieser Bestimmung nur dann anzuwenden sei, wenn die jeweilige Grundfläche entgeltlich von der Gemeinde erworben worden sei. Dies sei auch im Rahmen einer verfassungskonformen Interpretation des § 50 Abs. 1 BO zu fordern. Eine sachliche Rechtfertigung dafür, dass eine Ersatzleistung an die Gemeinde zu leisten sei, unabhängig davon, ob die Grundfläche von dieser entgeltlich oder unentgeltlich erworben worden sei, bestehe nicht.

17 Außerdem habe die Gemeinde anlässlich der an sie erfolgten unentgeltlichen Übertragung auch noch Zweckzuschüsse für Aufwendungen betreffend die gegenständlichen Grundflächen als ehemalige Bundesstraßen erhalten. Es würde sich daher, wenn sie nunmehr auch noch Ersatzleistungen bekäme, eine sachlich ungerechtfertigte Bereicherung der Gemeinde ergeben. Dies widerspräche den allgemeinen Grundsätzen der Rechtsordnung. Nach dem Erkenntnis , dürfe sich weder eine Bereicherung noch ein Schaden der Gemeinde ergeben. Lediglich die Republik Österreich habe die gegenständlichen Flächen entgeltlich erworben, dies jedoch vor mehr als 30 Jahren. 18 Die "Verjährungsbestimmung" des § 50 Abs. 3 BO sei jedenfalls dahingehend auszulegen oder zumindest analog so anzuwenden, dass im Fall eines unentgeltlichen Erwerbes durch die Stadt Wien hinsichtlich der anzuwendenden Frist auf den letzten entgeltlichen Erwerb einer Gebietskörperschaft (Land Wien bzw. Republik Österreich), mit dem die gegenständlichen Flächen in das öffentliche Gut als Verkehrsflächen übertragen worden seien, abzustellen sei. Da die gegenständliche Verkehrsfläche bereits mehr als 30 Jahre im öffentlichen Gut, nämlich im Eigentum der Republik Österreich, dann des Landes Wien und schließlich der Gemeinde gestanden sei und vor mehr als 30 Jahren, nämlich 1972 bis 1974, ausgebaut worden sei, sei § 50 Abs. 3 BO hier anzuwenden, sodass auch aus diesem Grund keine Ersatzleistung zu entrichten sei. Dem Gesetz könne nicht unterstellt werden, die Zugehörigkeit zum öffentlichen Gut über mehr als 30 Jahre, sei es infolge eines entgeltlichen Erwerbs durch die Republik Österreich, sei es infolge eines entgeltlichen Erwerbs durch die Gemeinde, ohne sachliche Rechtfertigung unterschiedlich zu regeln. 19 Art. IV Abs. 5 BO habe bereits vor dem Inkrafttreten der Novelle LGBl. Nr. 25/2014 gegolten. Damals sei keine planwidrige Lücke vorgelegen, da § 50 BO in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 25/2014 ausdrücklich vorausgesetzt habe, dass die Flächen von der Gemeinde gegen Entgelt erworben worden seien. Erst durch die Novelle LGBl. Nr. 25/2014 ergebe sich eine planwidrige Gesetzeslücke, die durch eine analoge Anwendung des § 50 Abs. 3 BO zu schließen sei.

20 Für die Ermittlung der Ersatzleistung sei nicht auf die Widmung der an die Verkehrsfläche angrenzenden Liegenschaft, sondern auf den Verkehrswert der konkret gegenständlichen Verkehrsfläche abzustellen. Maßgeblich sei nur der Verkehrswert (Tauschwert) derselben.

21 Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften ergebe sich im Übrigen daraus, dass aufgrund eines aktenwidrig angenommenen Datums des Kaufvertrages der gegenständliche Kaufvertrag nicht in die Vergleichswertberechnung einbezogen worden sei (wurde näher ausgeführt).

22 Mit § 1 lit. a des Bundesgesetzes über die Auflassung und Übertragung von Bundesstraßen, BGBl. I Nr. 50/2002, wurden die im Verzeichnis 3, Bundesstraßen B, des Bundestraßengesetzes 1971 enthaltenen Straßenzüge als Bundesstraßen aufgelassen. Das bücherliche und außerbücherliche Eigentum sowie dingliche Rechte des Bundes an den aufgelassenen Bundesstraßen samt ihren Bestandteilen ging gemäß § 4 Abs. 1 leg. cit. entschädigungslos von Gesetzes wegen auf die Bundesländer über, in deren Gebiet die Bundesstraßen oder Bundesstraßenteile lagen. Das Bundesgesetz über die Auflassung und Übertragung von Bundesstraßen ist gemäß seinem § 17 am in Kraft getreten.

23 Gemäß Art. IV Abs. 5 BO in der Fassung LGBl. Nr. 18/2002 gelten für die vom Bund durch Gesetz aufgelassenen Bundesstraßen die gemäß § 17 Abs. 4 BO und § 18 BO bestehenden Verpflichtungen zur unentgeltlichen Übertragung der Verkehrsflächen in das öffentliche Gut sowie die Anliegerleistungen gemäß § 50, 51 und 54 BO bis als erfüllt.

24 § 17 BO idF LGBl. Nr. 25/2014 lautet auszugsweise:

"Grundabtretungen zu Verkehrsflächen bei Abteilungen im Bauland

§ 17. (1) Bei der Schaffung oder Änderung von Bauplätzen, Baulosen oder Teilen von solchen sind die nach Maßgabe der Baulinien zu den Verkehrsflächen entfallenden Grundflächen bei beiderseitiger Bebauungsmöglichkeit bis zur Achse der Verkehrsfläche, bei einseitiger Bebauungsmöglichkeit bis zur ganzen Breite der Verkehrsfläche, in beiden Fällen aber nur bis zu 20 m, senkrecht zur Baulinie und von dieser aus gemessen, gleichzeitig mit der grundbücherlichen Durchführung satz- und lastenfrei in das öffentliche Gut zu übertragen; ...

...

(4) Soweit die Verpflichtung zur Übertragung in das öffentliche Gut gemäß Abs. 1 besteht, sind hiebei entlang der Baulinien unbeschadet des Abs. 5 unentgeltlich abzutreten:

a) alle zu den neuen Verkehrsflächen entfallenden Grundflächen, wobei als neue Verkehrsflächen solche anzusehen sind, an die nach Maßgabe des festgesetzten Bebauungsplanes erstmals angebaut werden soll,

b) die zur Verbreiterung bestehender Verkehrsflächen entfallenden Grundflächen bei Abteilung einer Grundfläche, die bisher unbebaut war und als Bauplatz beziehungsweise als Baulos noch nicht behördlich genehmigt worden ist.

(4a) Kann der Verpflichtung zur Übertragung von Grundflächen in das öffentliche Gut gleichzeitig mit der Grundabteilung nicht oder nicht zur Gänze entsprochen werden, weil sie im Eigentum eines Dritten stehen, gilt die Abtretungsverpflichtung als erfüllt, wenn der Abteilungswerber an die Gemeinde eine Geldleistung in der Höhe des vollen Grundwertes (§ 57 Abs. 3) sowie einen angemessenen Beitrag zu den Kosten, die der Gemeinde im Rahmen des Grundabteilungsverfahrens erwachsen, entrichtet. ...

(5) Beträgt die abzutretende Grundfläche mehr als 30 vH des zu schaffenden Bauplatzes oder Bauloses, ist für das darüber hinausgehende Ausmaß sowie für alle übrigen abzutretenden und nicht von Abs. 4 erfassten Grundflächen von der Gemeinde Entschädigung zu leisten. ...

..."

25 § 39 BO regelt die Enteignung für Verkehrsflächen und

öffentliche Aufschließungsleitungen.

26 § 50 BO idF LGBl Nr. 25/2014 lautet:

"Ersatzleistung für Grundabtretungen zu Verkehrsflächen;

Kostenersatz

§ 50.

(1) In den Fällen des § 10 Abs. 1 lit. b und c besteht die Verpflichtung zur Entrichtung einer Ersatzleistung in der Höhe des vollen Grundwertes, wenn von den Anrainern unentgeltlich abzutretende (§§ 17 Abs. 1 und 4 und 18) Grundflächen bereits im Eigentum der Gemeinde stehen.

(2) Erfolgt der Ausbau der Verkehrsfläche durch die Gemeinde, besteht die Verpflichtung zum Ersatz der Kosten für die Freimachung der Grundflächen sowie die Herstellung der Höhenlage.

(3) Die Verpflichtung zur Entrichtung einer Ersatzleistung und zum Kostenersatz entfällt, wenn seit dem Ausbau der Verkehrsfläche und dem Eigentumserwerb der Gemeinde mehr als dreißig Jahre verstrichen sind."

27 Gemäß § 57 Abs. 3 BO ist bei Ermittlung der Entschädigung für Grundflächen und deren Zugehör in einem eigenen Verfahren der Wert (§ 305 ABGB) nach Zeit, Lage, Beschaffenheit und jenem Nutzen festzustellen, den jedermann bei vernünftigem Gebrauch erzielen kann.

28 Die Gesetzesmaterialien (BlgWrLT Nr. 9/2014, LG-02618- 2013/0001, S 8) zu § 50 BO in der hier maßgebenden Fassung LGBl. Nr. 25/2014 lauten:

"Zu Z 27 (§ 50):

Die bisherige Bestimmung des § 50 hat in mehrfacher Hinsicht zu Unklarheiten geführt. Einerseits war nach der Überschrift ein bloßer ‚Beitrag zu den Kosten der Erwerbung von Verkehrsflächen' einzuheben, andererseits entstand nach dem Text der Vorschrift eine Verpflichtung zum ‚Kostenersatz', was einen vollständigen Ersatz der der Gemeinde für die Erwerbung von Verkehrsflächen entstandenen Kosten bedeutete. Die Verpflichtung zum Kostenersatz entstand weiters nur dann, wenn der Erwerb der betreffenden Grundflächen ausdrücklich ‚zur Eröffnung von Verkehrsflächen' erfolgte und entfiel daher in jenen Fällen, in denen die Flächen zu anderen Zwecken, etwa zur Errichtung einer Parkanlage, erworben wurden und erst später im Bebauungsplan eine Verkehrsfläche vorgesehen wurde. Darüber hinaus kann in der Praxis, wenn seit dem Erwerb lange Zeit verstrichen ist, oftmals nicht oder nicht mit Gewissheit geklärt werden, ob eine Grundfläche ausdrücklich für den Straßenausbau erworben wurde und welcher Betrag seinerzeit dafür entrichtet wurde.

Durch die Neufassung des § 50 wird klar gestellt, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Geldleistung in jenen Fällen zu entrichten ist, in denen die unentgeltliche Abtretung einer Grundfläche zu einer Verkehrsfläche entweder nicht möglich ist, weil die betreffende Fläche bereits öffentliches Gut ist, oder die Abtretung eine Transaktion erfordern würde, weil die Fläche im privaten Eigentum der Gemeinde steht. Sie stellt daher gemäß Abs. 1 keinen ‚Kostenersatz', sondern eine ‚Ersatzleistung' dar, für die der volle Grundwert maßgeblich ist. Darüber hinaus sind gemäß Abs. 2 der Gemeinde jene Kosten zu ersetzen, die ihr im Falle eines Ausbaus der Verkehrsfläche für die Freimachung der Grundflächen und die Herstellung der Höhenlage erwachsen. Diese Verpflichtungen sollen gemäß Abs. 3 im Sinne einer Verjährung dann nicht mehr bestehen, wenn die Verkehrsfläche bereits ausgebaut wurde und seit diesem Ausbau und dem Eigentumserwerb der Gemeinde - ähnlich wie nach § 58 Abs. 2 lit. d und Abs. 3 - mehr als 30 Jahre verstrichen sind; in diesem Zusammenhang ist auch auf die Judikatur des VwGH zu verweisen, wonach der lange andauernde Gemeingebrauch einer Grundfläche, die im Eigentum einer Gebietskörperschaft steht, dieser Fläche die Qualifikation eines öffentlichen Gutes verliehen wird (vgl. ). Der Entfall des Erfordernisses eines Ankaufs im Privateigentum der Gemeinde stehender Flächen und der anschließenden unentgeltlichen Abtretung dieser Flächen zur öffentlichen Verkehrsfläche stellt einerseits eine Verfahrenserleichterung sowohl für den Abtretungsverpflichteten als auch für die Gemeinde dar und führt darüber hinaus zu einer Gleichbehandlung der Eigentümer abtretungsverpflichteter Liegenschaften."

29 Unstrittig ist im vorliegenden Fall, dass hinsichtlich der in den Abteilungsplänen als F 1 und F 2 bezeichneten Flächen eine unentgeltliche Abtretungspflicht im Zuge der Schaffung der Bauplätze der Revisionswerberinnen gemäß § 17 Abs. 1 und 4 BO besteht. Unstrittig ist weiters, dass die Flächen F 1 und F 2 nicht im Eigentum der Revisionswerberinnen stehen, sondern im Eigentum der Gemeinde Wien.

30 Entgegen der Auffassung der Revisionswerberinnen kommt es bei der Ersatzleistungspflicht gemäß § 50 Abs. 1 BO nicht darauf an, ob die Gemeinde die nunmehr unentgeltlich abzutretenden Grundflächen seinerzeit gegen Entgelt oder unentgeltlich erworben hat. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut kommt es nur darauf an, dass diese Flächen im Eigentum der Gemeinde stehen. 31 Wie sich auch aus den oben wiedergegebenen Gesetzesmaterialien in diesem Zusammenhang ergibt, geht es bei der Ersatzleistung nicht darum, der Gemeinde ihre Aufwendungen beim Erwerb der Grundflächen zu ersetzen. Die Leistung ist vielmehr ein Ersatz dafür, dass dann, wenn die abzutretenden Grundflächen bereits im Eigentum der Gemeinde stehen, keine Abtretung in natura zu erfolgen hat. Der bloße Umstand, dass die abzutretenden Grundflächen nicht im Eigentum des Abtretungsverpflichteten oder eines Dritten (vgl. dazu § 17 Abs. 4a BO) stehen, sondern bereits im Eigentum der Gemeinde, soll keine Besserstellung des Abtretungsverpflichteten gegenüber anderen Abtretungsverpflichteten ergeben. Eine Ersatzleistungspflicht im Sinne des § 50 Abs. 1 BO ist daher im vorliegenden Fall zu bejahen.

32 Der eindeutige Gesetzeswortlaut des § 50 Abs. 3 BO bietet im Übrigen auch keinen Anhaltspunkt für die Auffassung der Revisionswerberinnen, dass ein anderer Zeitpunkt eines Eigentumserwerbes als jener durch die Gemeinde nach dieser Bestimmung relevant wäre. Dies fügt sich auch systematisch in den Zusammenhang mit § 50 Abs. 1 BO, nach dem es, wie bereits dargelegt, ausschließlich auf das jetzige Eigentum der Gemeinde ankommt.

33 Steht eine abzutretende Grundfläche im Eigentum derselben Person wie der Bauplatz, ist die Grundfläche in natura in das öffentliche Gut zu übertragen. Befindet sich die abzutretende Grundfläche im Eigentum eines Dritten, ermöglicht § 17 Abs. 4a BO dem Abteilungswerber, seiner Abtretungsverpflichtung durch die Entrichtung einer Geldleistung nachzukommen. Steht die Grundfläche im Eigentum der Gemeinde, bedeutet dies nicht, dass die Abtretungsverpflichtung allein aufgrund dessen entfällt, sondern es ist dann jedenfalls eine Geldleistung zu entrichten. Fraglich bleibt aber, wie die Ersatzleistung zu bemessen ist, damit sie in "der Höhe des vollen Grundwertes" im Sinne des § 50 Abs. 1 BO festgesetzt wird.

34 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im hg. Erkenntnis vom , Ro 2018/05/0008, zu § 17 Abs. 4a erster Satz BO festgehalten hat, nimmt der Gesetzestext durch die Wendung "in der Höhe des vollen Grundwertes" systematisch auf jene Grundflächen Bezug, bezüglich derer der Verpflichtung zur Übertragung in natura nicht entsprochen werden kann. Im Zusammenhang mit § 17 Abs. 4a BO kam der Verwaltungsgerichtshof zu dem Schluss, dass die Geldleistung nach dieser Bestimmung dazu dient, der Gemeinde die ihr durch den (für den Straßenausbau notwendigen) Grunderwerb erwachsenden Aufwendungen zu ersetzen. Auf Grund des § 17 Abs. 4a BO darf der Gemeinde weder eine Bereicherung noch auch ein Schaden entstehen. Maßgeblich müsse daher sein, wie viel die Gemeinde im Fall der Enteignung an den Dritten zu zahlen hätte. Der Verwaltungsgerichtshof hat dem Verwaltungsgericht Wien beigepflichtet, dass die Ermittlung der Höhe der Geldleistung nach § 17 Abs. 4a BO dementsprechend nicht anhand der Eigenschaften des Bauplatzes, sondern anhand der Eigenschaften der abzutretenden Grundfläche zu erfolgen hat. Bei der Bewertung der abzutretenden Grundfläche habe aber im Übrigen die Festlegung als Verkehrsfläche, die der Gemeinde ja erst die Enteignung gemäß § 39 BO ermögliche, außer Betracht zu bleiben. Es sei somit auf diejenige fiktive Nutzungsmöglichkeit der betroffenen Grundfläche abzustellen, die sich ergeben hätte, wenn die Festlegung als Verkehrsfläche nicht erfolgt wäre.

35 Diese Grundsätze sind auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden: Ausgangspunkt hat die Erfüllung der Abtretungsverpflichtung in natura zu sein. Es kommt daher auf den Wert der abzutretenden Flächen an, nicht aber auf den Wert irgendwelcher anderer Grundflächen, insbesondere auch nicht der angrenzenden (hier: neugeschaffenen) Bauplätze.

36 Wie der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis vom , Ro 2018/05/0008, hervorgehoben hat, bestand bis zur Novelle LGBl. Nr. 41/2005 die Regelung, wonach der Abteilungswerber die betreffenden Grundflächen jedenfalls, wenn nötig auch im Wege der Enteignung, zunächst selbst zu erwerben hatte, um sie anschließend in das öffentliche Gut zu übertragen. Die oben zitierten Gesetzesmaterialien zeigen, dass dieser an sich überflüssige Vorgang des doppelten Eigentumserwerbes durch die Regelung des § 50 BO entfallen soll, wenn die Fläche bereits im Eigentum der Gemeinde steht. Dabei macht es auch keinen Unterschied, ob die Fläche bereits öffentliches Gut ist oder sich in einer Privateinlage der Stadt Wien befindet (vgl. auch dazu die oben zitierten Gesetzesmaterialien).

37 Wie im Fall des § 17 Abs. 4a BO erspart sich der Abtretungsverpflichtete auch im Fall des § 50 BO den Eigentumserwerb, um seiner Abtretungsverpflichtung in natura nachkommen zu können, er muss aber stattdessen in beiden Fällen eine Geldleistung erbringen. In Bezug auf die Höhe der Geldleistung ist daher auch hier ausschlaggebend, wieviel für den Erwerb der abzutretenden Grundflächen zu zahlen wäre. Diesen Wert muss der Abtretungsverpflichtete nunmehr als Geldleistung im Sinne des § 50 BO erbringen. Dabei hat allerdings, entsprechend den Ausführungen in , die Festsetzung als Verkehrsfläche der Gemeinde, die ja die Anliegerverpflichtungen erst auslöst, außer Betracht zu bleiben. 38 Für den vorliegenden Fall bedeutet dies nun, dass zunächst festzustellen ist, wann die Baulinie, die die Abtretungsverpflichtung nach § 17 Abs. 4 BO auslöst, festgesetzt wurde (bemerkt wird, dass, so lange eine Bundesstraße gegeben war, keine Abtretungsverpflichtung nach § 17 Abs. 4 BO bestehen konnte und dieser Zeitpunkt daher erst nach Auflösung der Bundesstraße liegen kann). Sodann ist der "volle Grundwert", den die abzutretenden Flächen unmittelbar zuvor hatten, zu ermitteln. 39 Das angefochtene Erkenntnis war auf Grund der obigen Darlegungen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 BO wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

40 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.

41 Die Kostenentscheidung beruht auf den § 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019050104.L00
Schlagworte:
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

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