VwGH vom 15.05.2020, Ra 2019/05/0073
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bayjones und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak und Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision des G H in W, vertreten durch Ing. Mag. Wilhelm R. Benesch, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rudolfsplatz 12/10B, gegen das am mündlich verkündete und am selben Tag schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien, VGW-111/072/11592/2018-22 und VGW-111/072/12311/2018, betreffend Einwendungen gegen eine Planwechselbewilligung und Antrag auf Zustellung eines Bescheides (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; mitbeteiligte Parteien: 1. R M, 2. G M, 3. Mag. DI C M und 4. Mag. DI M M, alle in W, alle vertreten durch die Onz - Onz - Kraemmer - Hüttler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16; weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien (im Folgenden: Magistrat) vom wurde den mitbeteiligten Parteien die Baubewilligung für einen Dachgeschoßausbau, den Zubau eines Aufzugsschachtes und damit verbundene Baumaßnahmen für das Gebäude auf der Liegenschaft O-Straße 74/T-Straße 37 erteilt (Stammbewilligung). Die Berufung des nunmehrigen Revisionswerbers dagegen wurde mit Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom abgewiesen. Dieser Berufungsbescheid blieb unbekämpft.
2Das von den Baumaßnahmen betroffene Gebäude weist je eine Straßenfront zur O-Straße und zur T-Straße auf, weiters zwei Hoffronten, jeweils parallel zur O-Straße und zur T-Straße. Die Liegenschaft des Revisionswerbers T-Straße 35 schließt südlich an die Bauliegenschaft an. Die Hoffronten des Gebäudes auf der Bauliegenschaft sind der Liegenschaft des Revisionswerbers zugewandt, die Liegenschaften haben einen gemeinsamen Innenhof. Die Straßenfront des Gebäudes auf der Bauliegenschaft an der O-Straße ist der Liegenschaft des Revisionswerbers nicht zugewandt, jene an der T-Straße schließt an die Straßenfront des Gebäudes des Revisionswerbers an.
3Mit Bescheid des Magistrates vom wurde die Bewilligung für Abweichungen vom bewilligten Bauvorhaben gemäß § 70 und § 73 der Bauordnung für Wien (in der Folge: BO) erteilt (Planwechsel). Es wurden spruchgemäß nachstehende Änderungen bewilligt:
„Durch Abtragung und Neuerrichtung von Scheidewänden sollen im 1. Dachgeschoss und im 2. Dachgeschoss die Raumteilungen abgeändert werden. Die Anzahl der 6 Wohneinheiten bleibt unverändert. An den beiden Straßenfronten der O-Straße und der T-Straße sollen die Dachgauben entfallen und stattdessen innerhalb des bewilligten Gebäudeumrisses ein geknicktes Schrägdach mit Dachflächenfenstern und Fixverglasungen in der Dachfläche ausgeführt werden. Hofseitig bleibt die genehmigte Dachgaubenanordnung im 2. Dachgeschoß in Ausmaß und Lage unverändert. Im 1. Dachgeschoss sollen die Fenstergrößen und deren Situierung abgeändert werden.“
4Dieser Bescheid wurde dem Revisionswerber nicht zugestellt.
5Mit Schreiben vom erhob der Revisionswerber Einwendungen gegen den Planwechsel und machte unter anderem eine Verletzung von Bestimmungen betreffend die Gebäudehöhe geltend, insbesondere durch die Überschreitung der höchstzulässigen Firsthöhe. Weiters beantragte er die Zustellung des Bescheides vom .
6Mit Bescheid des Magistrates vom wurde der Antrag des Revisionswerbers auf Zustellung des Bescheides vom als unzulässig zurückgewiesen.
7In der Folge erhob der Revisionswerber mit Schriftsatz vom gegen den Bescheid vom sowie - getrennt - mit Schriftsatz vom gegen den Bescheid vom Beschwerden vor dem Verwaltungsgericht Wien (in der Folge: Verwaltungsgericht).
8Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid vom gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG abgewiesen und dieser Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass der Antrag auf Zustellung des Bescheides vom abgewiesen wurde (Spruchpunkt I.). Die Beschwerde gegen den Bescheid vom wurde als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt II.). Eine ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt (Spruchpunkt III.).
9Die Abweichungen von der Stammbewilligung durch den Planwechsel wurden vom Verwaltungsgericht wie folgt beschrieben:
„-Eine Änderung der Raumeinteilung im 1. und 2. Dachgeschoß durch Abtragung und Neuerrichtung von Scheidewänden (6 Wohneinheiten) wird vorgenommen, die nach außen nicht in Erscheinung tritt.
-An den Straßenfronten erfolgen Abänderungen hinsichtlich der Gaupen in den Dachgeschoßen, wobei der Dachumriss an den Straßenfronten dahingehend abgeändert wird, dass ein steilerer Winkel von der Firsthöhe zum Abschluss der Fassaden gewählt wird. Dadurch wird der zulässige Dachumriss in geringerem Ausmaß ausgenützt, als in der Stammbewilligung. Die Gebäudehöhe an den Straßenfronten wird dadurch nicht verändert. Auch der oberste Punkt des Daches ändert sich nicht.
-An den der Liegenschaft des Beschwerdeführers zugewandten Hoffronten finden Änderungen hinsichtlich der Anordnung der Fenster im 1. und 2. Dachgeschoß statt. Die hofseitig genehmigte Dachgaupenanordnung im 2. Dachgeschoß bleibt in Ausmaß und Lage unverändert. Im ersten Dachgeschoß waren in der Stammbewilligung zwei quadratische Fenster links vom Treppenhaus und ein quadratisches Fenster rechts vom Treppenhaus vorgesehen; im zweiten Dachgeschoß waren vier bodentiefe dreiteilige Fenster in Gaupen und halbhohe zweiteilige Fenster dazwischen vorgesehen. In der Planwechselbewilligung sind im ersten Dachgeschoß ein einfaches, ein doppeltes und ein vierfaches Fenster links vom Treppenhaus sowie ein dreifaches Fenster rechts vom Treppenhaus vorgesehen. Im zweiten Dachgeschoß bleiben die vier bodentiefen Fenster örtlich unverändert, werden aber zweiteilig; die halbhohen Fenster entfallen. Der Dachumriss verändert sich nicht.
Durch die mit der Planwechselbewilligung bewilligten Abweichungen von der Stammbewilligung ändern sich die Gebäudehöhe an den Straßenfronten sowie an den Hoffronten und die Firsthöhe nicht. Diese beträgt sowohl in den Einreichplänen zur Stammbewilligung als auch in den Einreichplänen zur Planwechselbewilligung (Schnitt B-B) 21,735 m.“
10Weiters führte das Verwaltungsgericht - soweit vorliegend relevant - im Wesentlichen aus, Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sei hinsichtlich beider angefochtener Bescheide ausschließlich die Frage, ob dem Revisionswerber im Planwechselverfahren Parteistellung zukomme und ihm der Bescheid des Magistrates vom daher zugestellt werden müsse. Dies wäre nur dann der Fall, wenn durch diese Planwechselbewilligung in Abänderung der rechtskräftigen Stammbewilligung Baumaßnahmen bewilligt worden wären, die subjektiv-öffentliche Rechte des Revisionswerbers berührten.
11Im vorliegenden Fall sei der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan PD 6689 anzuwenden, der in Punkt 3.2. festlege, dass der höchste Punkt der im Bauland zur Errichtung gelangenden Dächer nicht höher als 4,5 m über der tatsächlich ausgeführten Gebäudehöhe liegen dürfe. In den Ansichten O-Straße und T-Straße sowie in den Schnitten A-A und B-B in den der Stammbewilligung zu Grunde liegenden Einreichplänen sei die Firsthöhe mit „+21,735 = 28,115 üWN“ kotiert. Die der Planwechselbewilligung zu Grunde liegenden Einreichpläne vom wiesen in den entsprechenden Planteilen dieselbe Kotierung auf. Daraus sei ersichtlich, dass die Firsthöhe gegenüber der Stammbewilligung nicht geändert werde.
12Es habe sich auch die Gebäudehöhe an der Straßenfront (+15,41 m = 21.78 üWN) durch den Entfall der Dachgauben nicht geändert, womit auch der Abstand zwischen der Gebäudehöhe und dem obersten Abschluss des Daches gleich geblieben sei. Die Änderungen an den Ansichtsseiten des Daches im Hofbereich bezögen sich nur auf die Verteilung und Unterteilung der Fenster und hätten keinen Einfluss auf die Gebäudehöhe. Dem Planwechselverfahren liege keine gegenüber der Stammbewilligung abgeänderte Firsthöhe zu Grunde, weshalb diesbezüglich eine Ausnahme nach § 69 BO nicht erforderlich sei. Die Straßenfronten an der O-Straße und an der T-Straße seien der Liegenschaft des Revisionswerbers nicht zugewandt, weshalb auf sein Vorbringen zur seiner Ansicht nach rechtswidrigen Errichtung eines Steildaches an diesen Fronten nicht näher einzugehen sei.
13Der Revisionswerber könne durch die mit dem Planwechsel bewilligten Baumaßnahmen nicht in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten gemäß § 134a BO berührt werden. Das Beschwerdevorbringen beziehe sich entweder auf Baumaßnahmen, die bereits mit der Stammbewilligung rechtskräftig bewilligt worden seien und im gegenständlichen Planwechsel nicht verändert würden (etwa die Firsthöhe, Gebäudehöhe), oder auf Baumaßnahmen, hinsichtlich derer dem Revisionswerber kein subjektiv-öffentliches Recht zustehe (etwa statische Erwägungen, die Dachgestaltung an den Straßenfronten). Die Behörde habe dem Revisionswerber zu Recht keine Parteistellung im Planwechselverfahren zuerkannt, und er habe daher auch keinen Anspruch auf Zustellung des Bescheides. Mangels Parteistellung komme ihm auch nicht das Recht zu, eine inhaltliche Beschwerde gegen die Planwechselbewilligung zu erheben; seine dagegen gerichtete Beschwerde sei daher zurückzuweisen.
14Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Begehren, es wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
15Die mitbeteiligten Parteien erstatteten eine Revisionsbeantwortung, in welcher sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision sowie Kostenersatz beantragten.
16Auch die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht erstattete eine Revisionsbeantwortung, in welcher sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision sowie Kostenersatz beantragte. Unter anderem legte sie dar, bezüglich des in den Bebauungsbestimmungen festgelegten relativen Maßes des höchsten zulässigen Punktes des Daches sei die Bestimmung des § 60 Abs. 3 BO bei der Beurteilung heranzuziehen.
17Der Revisionswerber replizierte und führte im Wesentlichen aus, dass das Bauvorhaben als Umbau im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. a BO zu qualifizieren und § 60 Abs. 3 BO nicht anwendbar sei.
18Darauf replizierten die mitbeteiligten Parteien.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
19Die Revision erweist sich im Hinblick auf die Frage der Nachbarparteistellung aufgrund einer Änderung der Gebäudehöhe als zulässig.
20In der Revision wird im Wesentlichen ausgeführt, durch den Planwechsel werde die straßenseitige Gebäudehöhe von 18,08 m (Stammbewilligung) auf 16,51 m verändert, und dadurch habe sich bei unveränderter Firsthöhe von 21,735 m der Abstand zwischen der straßenseitigen Gebäudehöhe und dem obersten Abschluss des Daches von 3,65 m auf 5,22 m vergrößert. Die im Bebauungsplan festgelegte Firsthöhenbeschränkung von 4,5 m über der tatsächlich ausgeführten Gebäudehöhe werde mit dem Planwechsel daher um 0,72 m überschritten. Diese Firsthöhenbeschränkung begrenze auch den nach § 81 Abs. 4 BO höchstzulässigen Gebäudeumriss.
21Durch den Planwechsel werde der nach § 81 Abs. 1 bis 5 BO zulässige Gebäudeumriss auch stirnseitig und hofseitig, also auf der der Liegenschaft des Revisionswerbers zugewandten Seite, durch raumbildende Gebäudeteile (Dachaufbauten) mit raumübergreifender, durchgehender Auskragung des Dachraumes über die gesamte Länge der hofseitigen Gebäudefronten überschritten. Diese Dachaufbauten seien keine Gauben im Sinne des § 81 Abs. 6 BO.
22Abweichungen von Vorschriften des Bebauungsplanes bedürften der Genehmigung durch den zuständigen Bauausschuss gemäß § 69 BO. Die Baubehörde wäre verpflichtet gewesen, vor Erlassung des Bescheides vom die Zustimmung für diese Abweichungen, und zwar der Überschreitung der höchstzulässigen Firsthöhe und der Überschreitung des zulässigen Gebäudeumrisses, vom zuständigen Bauausschuss nach § 69 BO bewilligen zu lassen. Dem Revisionswerber komme in diesem Verfahren gemäß § 134 Abs. 3 BO unter den gleichen Voraussetzungen wie im Baubewilligungsverfahren Parteistellung zu. Subjektiv-öffentliche Rechte nach § 134a Abs. 1 lit. b BO über die Gebäudehöhe würden auch den Fall umfassen, dass im Flächenwidmungs- und Bebauungsplan eine Bestimmung über die höchstzulässige Firsthöhe, bezogen auf die tatsächlich ausgeführte Gebäudehöhe, enthalten sei.
23In den Einreichplänen des Planwechsels sei im Schnitt A-A ein maximaler Gebäudeumriss mit rot strichlierter Linie eingezeichnet und der höchste Punkt dieses Gebäudeumrisses mit +22,58 m = 28,95 üWN kotiert. Ausgehend von der tatsächlich ausgeführten straßenseitigen Gebäudehöhe von 16,51 m ergebe sich unter Hinzurechnung der höchstzulässigen Firsthöhe von 4,5 m eine maximale Höhe von 21,01 m als höchster Punkt des Daches. Der nach den Einreichplänen ausgeführte höchste Punkt des Daches sei mit 21,735 m eingezeichnet und kotiert und liege um 0,725 m über der höchstzulässigen Firsthöhe. Auch der maximale Gebäudeumriss liege über der höchstzulässigen Firsthöhe.
24Außerdem würde sämtlichen Höhenangaben in den Schnitten A-A und B-B unrichtig die Fußbodenoberkante im Erdgeschoß als Ausgangsniveau zugrunde liegen. Die Gebäudehöhe sei jedoch von der festgesetzten Höhenlage der Verkehrsfläche aus zu bestimmen und nicht von der um etwa 0,5 m höher liegenden Fußbodenoberkante im Erdgeschoß. In den Einreichplänen zum Planwechsel sei das Maß der festgesetzten Höhenlage der Verkehrsfläche mit 5,72 üWN kotiert (Schnitt B-B). Diese Höhenlage der Verkehrsfläche liege um 0,65 m tiefer als die Fußbodenoberkante im Erdgeschoß, auf die sich sämtliche Höhenangaben bezögen. Im Flächenwidmungs- und Bebauungsplan sei für den Straßentrakt die Bauklasse IV, beschränkt auf eine Gebäudehöhe von 18,5 m, festgelegt. In den Einreichplänen zum Planwechsel sei eine straßenseitige Gebäudehöhe von 18,08 m kotiert (Schnitt A-A). Unter Zugrundlegung der festgesetzten Höhenlage der Verkehrsfläche gemäß § 81 Abs. 1 BO ergebe sich eine Gebäudehöhe von 18,73 m. Außerdem sei in diesen Einreichplänen die Oberfläche des Daches nicht dargestellt. Es fehle der Dachaufbau, welcher üblicherweise aus der Dachlattung, Konterlattung, Dampfsperre, Dämmung zwischen den Dachsparren, Dachlattung und den Dachziegeln bestehe und eine Höhe von etwa 40 cm habe. Unter Berücksichtigung des Dachaufbaues ergebe sich eine weitere Erhöhung und liege die Gebäudehöhe oberhalb der höchstzulässigen Gebäudehöhe von 18,5 m.
25Durch die Überschreitung des nach § 81 Abs. 1 bis 6 BO zulässigen Gebäudeumrisses werde die Bebaubarkeit der Nachbargrundflächen des Revisionswerbers wegen Verkleinerung des Lichteinfalles im Hof vermindert (wird näher ausgeführt). Dafür habe der Revisionswerber keine Zustimmung gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 BO und § 81 Abs. 6 BO erteilt. Eine Bewilligung der aufgezeigten Überschreitung der höchstzulässigen Firsthöhe und des nach § 81 Abs. 1 bis 5 BO zulässigen Gebäudeumrisses durch raumbildende, zusammenhängend über die gesamte Länge der hofseitigen Gebäudefronten angeordnete Gebäudeteile (Dachaufbauten) sei daher unzulässig.
26Weiters habe das Verwaltungsgericht die Gebäudehöhe aktenwidrig angenommen. Die Feststellung der richtigen straßenseitigen Gebäudehöhe sei aber aufgrund der Firsthöhenbeschränkung im Bebauungsplan wesentlich, und es ergebe sich eine Überschreitung der höchstzulässigen Firsthöhe sowie des zulässigen Gebäudeumrisses.
27Im Hinblick auf den für die anzuwendende Rechtslage relevanten Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses (vgl. ), hier durch mündliche Verkündung (vgl. ), lauten die maßgebenden Bestimmungen der BO wie folgt:
28§ 60 BO, LGBl. Nr. 11/1930, in der Fassung LGBl. Nr. 37/2018, lautet auszugsweise:
„Ansuchen um Baubewilligung
§ 60. (1) Bei folgenden Bauvorhaben ist, soweit nicht die § 62, 62a oder 70a zur Anwendung kommen, vor Beginn die Bewilligung der Behörde zu erwirken:
a)Neu-, Zu- und Umbauten. Unter Neubau ist die Errichtung neuer Gebäude zu verstehen; ein solcher liegt auch vor, wenn nach Abtragung bestehender Bauwerke die Fundamente oder Kellermauern ganz oder teilweise wieder benützt werden. ... Zubauten sind alle Vergrößerungen eines Gebäudes in waagrechter oder lotrechter Richtung, ausgenommen die Errichtung von Dachgauben. Unter Umbau sind jene Änderungen des Gebäudes zu verstehen, durch welche die Raumeinteilung oder die Raumwidmungen so geändert werden, dass nach Durchführung der Änderungen das Gebäude als ein anderes anzusehen ist. Ein Umbau liegt auch dann vor, wenn solche Änderungen selbst nur ein einzelnes Geschoß betreffen. Der Einbau von Wohnungen oder Teilen davon in das Dachgeschoß gilt nicht als Umbau.
...
b)Änderungen oder Instandsetzungen von Bauwerken, wenn diese von Einfluss auf die Festigkeit, die gesundheitlichen Verhältnisse, die Feuersicherheit oder auf die subjektiv-öffentlichen Rechte der Nachbarn sind oder durch sie das äußere Ansehen oder die Raumeinteilung geändert wird, sowie jede Änderung der bewilligten Raumwidmungen oder des bewilligten Fassungsraumes eines Bauwerks; ...
...
(3) Bestimmungen des Bebauungsplanes stehen der Zulässigkeit von Bauführungen gemäß Abs. 1 lit. c nicht entgegen.“
29§ 69 BO, LGBl. Nr. 11/1930, in der Fassung LGBl. Nr. 25/2009, lautet auszugsweise:
„Abweichungen von Vorschriften des Bebauungsplanes
§ 69. (1) Für einzelne Bauvorhaben hat die Behörde über die Zulässigkeit von Abweichungen von den Vorschriften des Bebauungsplanes zu entscheiden. Diese Abweichungen dürfen die Zielrichtung des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes nicht unterlaufen. Darüber hinaus darf
1.die Bebaubarkeit der Nachbargrundflächen ohne nachgewiesene Zustimmung des betroffenen Nachbarn nicht vermindert werden,
...“
30§ 73 BO, LGBl. Nr. 11/1930, in der Fassung LGBl. Nr. 24/2008, lautetauszugsweise:
„Abweichungen von bewilligten Bauvorhaben
§ 73. (1) Beabsichtigte Abweichungen von Bauplänen, die nach diesem Gesetz ausgeführt werden dürfen, sind wie Änderungen an bereits bestehenden Bauwerken zu behandeln, wobei die Abweichungen den Umfang des § 60 Abs. 1 lit. c nicht überschreiten dürfen; ...
...“
31§ 81 BO, LGBl. Nr. 11/1930, in der Fassung LGBl. Nr. 25/2014, lautet auszugsweise:
„Gebäudehöhe und Gebäudeumrisse; Bemessung
§ 81. (1) Bei Gebäuden an der Baulinie, Straßenfluchtlinie oder Verkehrsfluchtlinie gilt bis zu einer Gebäudetiefe von 15 m als Gebäudehöhe der lotrechte Abstand von der festgesetzten Höhenlage der Verkehrsfläche bis zur obersten Schnittlinie der zulässigen Außenwandfläche der Straßenfront ohne Berücksichtigung vorspringender Gebäudeteile wie Gesimse, Erker und dergleichen mit der Oberfläche des Daches; nichtraumbildende Gebäudeteile und raumbildende Dachaufbauten gemäß Abs. 6 bleiben dabei außer Betracht. ... Der oberste Abschluss des Daches darf keinesfalls höher als 7,5 m über der zulässigen Gebäudehöhe liegen, sofern der Bebauungsplan nicht anderes bestimmt.
...
(4) Durch das Gebäude darf jener Umriss nicht überschritten werden, der sich daraus ergibt, dass in dem nach Abs. 1 bis 3 für die Bemessung der Gebäudehöhe maßgeblichen oberen Anschluss der Gebäudefront ein Winkel von 45°, im Gartensiedlungsgebiet von 25°, von der Waagrechten gegen das Gebäudeinnere ansteigend, angesetzt wird. Dies gilt auch für den Fall, dass im Bebauungsplan eine besondere Bestimmung über die Höhe der Dächer festgesetzt ist. Ist im Bebauungsplan eine besondere Bestimmung über die Neigung der Dächer festgesetzt, ist der dieser Festsetzung entsprechende Winkel für die Bildung des Gebäudeumrisses maßgebend.
...“
32§ 133 BO, LGBl. Nr. 11/1930, in der Fassung LGBl. Nr. 25/2014, lautet auszugsweise:
„Wirkungsbereich der Bauausschüsse der Bezirksvertretungen
§ 133. (1) Dem Bauausschuss der örtlich zuständigen Bezirksvertretung obliegt als Behörde die Entscheidung über Anträge
1.auf Bewilligung von Abweichungen nach § 7a Abs. 5, 69, 76 Abs. 13, 81 Abs. 6 und 119 Abs. 6;
...“
33§ 134 BO, LGBl. Nr. 11/1930, in der Fassung LGBl. Nr. 25/2009, lautet auszugsweise:
„Parteien
§ 134.
...
(3) Im Baubewilligungsverfahren und im Verfahren zur Bewilligung von Abweichungen von Vorschriften des Bebauungsplanes sind außer dem Antragsteller (Bauwerber) die Eigentümer (Miteigentümer) der Liegenschaften Parteien. Personen, denen ein Baurecht zusteht, sind wie Eigentümer der Liegenschaften zu behandeln. Die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften sind dann Parteien, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre im § 134a erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechte berührt und sie, unbeschadet Abs. 4, gemäß § 70 Abs. 2 bzw. spätestens bei der mündlichen Verhandlung Einwendungen im Sinne des § 134a gegen die geplante Bauführung erheben; das Recht auf Akteneinsicht (§ 17 AVG) steht Nachbarn bereits ab Einreichung des Bauvorhabens bei der Behörde zu. Alle sonstigen Personen, die in ihren Privatrechten oder in ihren Interessen betroffen werden, sind Beteiligte (§ 8 AVG). Benachbarte Liegenschaften sind im Bauland jene, die mit der vom Bauvorhaben betroffenen Liegenschaft eine gemeinsame Grenze haben oder bis zu einer Breite von 6 m durch Fahnen oder diesen gleichzuhaltende Grundstreifen oder eine höchstens 20 m breite öffentliche Verkehrsfläche von dieser Liegenschaft getrennt sind und im Falle einer Trennung durch eine öffentliche Verkehrsfläche der zu bebauenden Liegenschaft gegenüberliegen. In allen übrigen Widmungsgebieten sowie bei Flächen des öffentlichen Gutes sind jene Liegenschaften benachbart, die in einer Entfernung von höchstens 20 m vom geplanten Bauwerk liegen.
(4) Weist ein Nachbar der Behörde nach, dass er ohne sein Verschulden daran gehindert war, die Parteistellung nach § 134 Abs. 3 zu erlangen, kann er seine Einwendungen im Sinne des § 134a gegen die Bauführung auch nach dem Abschluss der mündlichen Bauverhandlung bis längstens drei Monate nach dem Baubeginn vorbringen und ist vom Zeitpunkt des Vorbringens dieser Einwendungen an Partei; eine spätere Erlangung der Parteistellung (§ 134 Abs. 3) ist ausgeschlossen. Solche Einwendungen sind vom Nachbarn binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses für ihre Erhebung bei der Behörde einzubringen, die die Bauverhandlung anberaumt hat.
...“
34§ 134a BO, LGBl. Nr. 11/1930, in der Fassung LGBl. Nr. 25/2014, lautet auszugsweise:
„Subjektiv-öffentliche Nachbarrechte
§ 134 a. (1) Subjektiv-öffentliche Nachbarrechte, deren Verletzung die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften (§ 134 Abs. 3) im Baubewilligungsverfahren geltend machen können, werden durch folgende Bestimmungen, sofern sie ihrem Schutze dienen, begründet:
...
b)Bestimmungen über die Gebäudehöhe;
...“
35Punkt 3.2. des Plandokumentes 6689, Flächenwidmungs- und Bebauungsplan vom , lautet:
„Der höchste Punkt der im Bauland zur Errichtung gelangenden Dächer darf nicht höher als 4,5 m über der tatsächlich ausgeführten Gebäudehöhe liegen.“
36Nach ständiger hg. Judikatur ist das Mitspracherecht der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als den Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem die Nachbarn solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht haben (vgl. etwa und 0044, mwN).
37Für die Parteistellung kommt es nur auf die Möglichkeit einer Rechtsverletzung an, nicht aber darauf, ob diese durch das Bauvorhaben erfolgt (vgl. , mwN).
38Bebauungsbestimmungen betreffend die zulässige Höhe des Daches über der ausgeführten Gebäudehöhe sind als Bestimmungen über die Gebäudehöhe gemäß § 134a Abs. 1 lit. b BO anzusehen und begründen damit ein Nachbarrecht (vgl. , mwN).
39Die Einhaltung der zulässigen Gebäudehöhe kann der Nachbar nur in Bezug auf die seiner Liegenschaft zugewandten Seiten der Außenflächen des Gebäudes geltend machen (vgl. und 0058, mwN). Im Revisionsfall kann der Revisionswerber die Einhaltung der zulässigen Gebäudehöhe in Bezug auf die seiner Nachbarliegenschaft zugewandte Seite des geplanten Dachgeschoßaufbaues im Bereich der T-Straße, wo dieser unmittelbar an die Feuermauer des Revisionswerbers angrenzt, geltend machen (vgl. ).
40Allerdings kann der Nachbar in einem Planwechselbewilligungsverfahren nur Einwendungen gegen die in diesem Verfahren gegenständlichen Planwechselmaßnahmen erheben, nicht aber solche gegen Baumaßnahmen, die vom Planwechsel nicht umfasst, sondern bereits Gegenstand der ursprünglichen Baubewilligung gewesen sind (vgl. , mwN). Soweit sich das Vorbringen des Revisionswerbers daher gegen die Zulässigkeit der Dachaufbauten „über die gesamte Länge der hofseitigen Gebäudefronten“ richtet, ist ihm entgegenzuhalten, dass mit dem Planwechsel an den Hoffronten keine Änderungen der Dachgauben, sondern nur eine Änderung der Fenstergrößen und deren Situierung bewilligt wurde.
41Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes wurde aber mit dem Planwechsel die Gebäudehöhe durch die straßenseitige Verschiebung des Dachaufsetzpunktes (vgl. § 81 Abs. 1 BO) verändert. Einwendungen betreffend die Gebäudehöhe hat der Revisionswerber auch in seinem Schriftsatz vom erhoben, sodass er folglich durch diese Parteistellung erlangen konnte. Ob der Revisionswerber durch die Erhebung dieser Einwendungen auch tatsächlich Parteistellung im Planwechselverfahren erlangt hat, lässt sich allerdings abschließend mangels Feststellungen zur Rechtzeitigkeit dieser Einwendungen - vgl. § 134 Abs. 3 und 4 BO - nicht beurteilen; das Verwaltungsgericht hat sich allerdings nicht darauf gestützt, dass die Einwendungen verspätet gewesen wären. Ob die Veränderung der Gebäudehöhe durch den Planwechsel auch die der Liegenschaft des Revisionswerbers zugewandte Seite des Dachgeschoßaufbaues betrifft - siehe hierzu oben Rz 39 -, lässt sich ebenfalls nicht abschließend beurteilen, da es in den Planunterlagen keinen Schnitt von dem Gebäudeteil an der T-Straße gibt.
42Geht man davon aus, dass auch an dieser Front durch die Herabsetzung des Dachaufsetzpunktes eine Veränderung der Gebäudehöhe erfolgt, wird im Hinblick auf die Einwendungen des Revisionswerbers zunächst zu klären sein, ob die maximal zulässige Gebäudehöhe (vgl. § 81 Abs. 1 BO) eingehalten wird. Weiters wird zu prüfen sein, ob die Bestimmung 3.2. des Plandokumentes 6689 befolgt wird. Sollte dieser Regelung bzw. jener über die Gebäudehöhe nicht entsprochen werden, käme die Baubewilligung grundsätzlich erst nach einer Ausnahmebewilligung gemäß § 69 BO in Frage.
43Nach § 60 Abs. 3 BO stehen allerdings Bestimmungen des Bebauungsplanes der Zulässigkeit von Bauführungen gemäß § 60 Abs. 1 lit. c BO nicht entgegen. Auf Grund des § 60 Abs. 3 BO ist die Bewilligung einer Ausnahme von Bestimmungen des Bebauungsplanes gemäß § 69 BO für Bauführungen nach § 60 Abs. 1 lit. c BO - anders als insbesondere für solche gemäß § 60 Abs. 1 lit. a BO - nicht notwendig (vgl. Moritz, BauO Wien6, 196). Die Nichteinhaltung der Bestimmungen des Bebauungsplanes ist vielmehr bereits nach § 60 Abs. 3 BO zulässig, sodass auch eine Verletzung von Nachbarrechten (vgl. § 134a BO) insoweit ausscheidet. Gegebenenfalls wird daher zu beurteilen sein, ob der Planwechsel nur Baumaßnahmen im Ausmaß des § 60 Abs. 1 lit. c BO umfasst.
44Das angefochtene Erkenntnis war aus den oben dargestellten Gründen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
45Die Kostenentscheidung beruht auf den § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019050073.L00 |
Schlagworte: | Baurecht Nachbar Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Rechtsverletzung des Beschwerdeführers Beschwerdelegitimation bejaht Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar Diverses BauRallg5/2 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Gebäudehöhe BauRallg5/1/5 |
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