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VwGH 26.02.2020, Ra 2019/05/0065

VwGH 26.02.2020, Ra 2019/05/0065

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
AVG §66 Abs4
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §28 Abs1
RS 1
Wenn ein erstinstanzlicher Bescheid im Sinne einer negativen Entscheidung abzuändern ist, darf sich das VwG nicht darauf beschränken, den Berufungsbescheid "ersatzlos" zu beben. Vielmehr hat es selbst die negative Erledigung herbeizuführen, das heißt in Reformation des Berufungsbescheides den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos zu beheben (vgl. ). Durch die ersatzlose Aufhebung (bloß) des Berufungsbescheides gehört der erstinstanzliche Bescheid wieder und weiterhin dem Rechtsbestand an (vgl. ).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2018/05/0023 E RS 1
Normen
AVG §13 Abs7
AVG §56
AVG §66 Abs4
VwGG §42 Abs4
VwGVG 2014 §17
RS 2
Erfährt im Beschwerdeverfahren vor dem VwG der verfahrenseinleitende Antrag eine wesentliche Änderung und gibt der Antragsteller damit eindeutig zu erkennen, dass er seinen ursprünglichen verfahrenseinleitenden Antrag nicht mehr aufrechterhält, bewirkt die (konkludente) Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrags den Wegfall der Zuständigkeit der Behörde zur Erlassung des Bescheides und damit (nachträglich) dessen Rechtswidrigkeit. Das VwG wäre somit gehalten gewesen, den bekämpften Bescheid (ersatzlos) zu beheben (vgl. E , Ra 2014/22/0016; E , 2013/07/0235).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2014/02/0159 E VwSlg 19069 A/2015 RS 2

Entscheidungstext

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

Ra 2019/05/0066

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bayjones und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision 1. des N D und

2. des C P, beide in W, beide vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer, Dr. Siegfried Sieghartsleitner, Dr. Michael Pichlmair und Ing. MMag. Michael A. Gütlbauer, Rechtsanwälte in 4600 Wels, Eisenhowerstraße 27, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom , LVwG-150673/29/RK/EP - 150678/3, betreffend Aufhebung eines Baubewilligungsbescheides (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtsenat der Stadt W; weitere Partei:

Oberösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Stadt W hat dem Erstrevisionswerber Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1 Zur Vorgeschichte wird auf das Erkenntnis , verwiesen. Daraus ist Folgendes festzuhalten:

2 Mit der am beim Magistrat der Stadt W. (im Folgenden: Magistrat) eingelangten, mit datierten Eingabe beantragte die m. GmbH (im Folgenden: Bauwerberin) die Erteilung einer Baubewilligung für den Neubau zweier als "Kinder- und Jugendhilfe Wohngruppe" bezeichneter Gebäude auf einem näher angeführten Grundstück.

3 Die Revisionswerber erhoben als Nachbarn im Sinne des § 31 Abs. 1 Oö. Bauordnung 1994 - Oö. BauO 1994 Einwendungen gegen das Bauvorhaben.

4 Mit Bescheid des Magistrates vom wurde der Bauwerberin die Baubewilligung für dieses Bauvorhaben unter Vorschreibung einer Reihe von Auflagen erteilt.

5 Mit Bescheid des Stadtsenates der Stadt W. (im Folgenden: Stadtsenat) vom wurde (u.a.) die von den Revisionswerbern dagegen erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid vollinhaltlich bestätigt.

6 Gegen diesen Bescheid erhoben (u.a.) die Revisionswerber Beschwerde. Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) vom wurde diese Beschwerde als unbegründet abgewiesen und eine ordentliche Revision für unzulässig erklärt. 7 Mit dem Erkenntnis , wurde aufgrund der von den Revisionswerbern gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes vom erhobenen Revision dieses Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

8 In weiterer Folge zog die Bauwerberin mit Schreiben vom den verfahrenseinleitenden Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung für den "Neubau einer Kinder- und Jugendhilfe Wohngruppe" (Bauansuchen vom ) zurück. 9 Mit dem angefochtenen Beschluss traf das Verwaltungsgericht den Ausspruch, dass "anlässlich der Beschwerden" gegen den genannten Berufungsbescheid vom (Spruchpunkt I.) dieser Bescheid ersatzlos aufgehoben und (Spruchpunkt II.) das Verfahren für gegenstandslos erklärt und eingestellt werde sowie (Spruchpunkt III.) eine Revision gegen diesen Beschluss unzulässig sei.

10 Dazu führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass Anbringen gemäß § 13 Abs. 7 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden könnten. Die Zurückziehung eines Antrages sei demnach solange zulässig, als dieser noch unerledigt sei. Dies bedeute für jene Fälle, in denen der Antrag auf die Einleitung eines mit Bescheid abzuschließenden Verfahrens gerichtet sei, dass eine Antragszurückziehung bis zur Bescheiderlassung, im Falle einer Beschwerde bis zur Erlassung einer Entscheidung durch das Verwaltungsgericht möglich sei (Hinweis auf ).

11 Im gegenständlichen Fall sei das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes vom durch den Verwaltungsgerichtshof aufgehoben worden, womit der verfahrenseinleitende Antrag wieder unerledigt gewesen sei und daher habe zurückgezogen werden können. Die Zurückziehung habe den Wegfall der Zuständigkeit des Stadtsenates zur Erlassung des Bescheides und damit nachträglich dessen Rechtswidrigkeit bewirkt (Hinweis auf ).

12 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Revision.

13 Der Stadtsenat erstattete eine Revisionsbeantwortung.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

14 Die Revision ist in Anbetracht der in ihrer Zulässigkeitsbegründung (§ 28 Abs. 3 VwGG) aufgeworfenen Frage der Rechtswirkung der ersatzlosen Behebung eines Berufungsbescheides zulässig. Sie ist auch berechtigt.

15 Die Revision führt dazu im Wesentlichen aus, das Verwaltungsgericht hätte sich nicht darauf beschränken dürfen, lediglich den Berufungsbescheid ersatzlos zu beheben, sondern vielmehr in Reformation des Berufungsbescheides den erstinstanzlichen Bescheid anstelle der Berufungsbehörde ersatzlos beheben müssen (Hinweis auf ). Das Verwaltungsgericht habe außer Acht gelassen, dass durch die bloße Behebung des Berufungsbescheides der erstinstanzliche Bescheid weiterhin aufrecht bleibe und dem Rechtsbestand angehöre. Die Bauwerberin hätte damit die Möglichkeit, sich auf eine ihr erteilte Baubewilligung zu berufen. Ein Nachbar im Baubewilligungsverfahren habe daher im Falle der Zurückziehung des Bauansuchens durch den Bauwerber Anspruch auf Entscheidung über sein dagegen erhobenes Rechtsmittel, um eine Baubewilligung aus dem Rechtsbestand zu beseitigen. Das Verwaltungsgericht hätte somit in Abänderung des Berufungsbescheides den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos aufheben müssen.

16 Dazu ist Folgendes auszuführen:

Nach der hg. Judikatur (vgl. etwa , mwN) darf sich das Verwaltungsgericht, wenn ein erstinstanzlicher Bescheid im Sinne einer negativen Entscheidung abzuändern ist, nicht darauf beschränken, den Berufungsbescheid "ersatzlos" zu beheben. Vielmehr hat es selbst die negative Erledigung herbeizuführen, das heißt, in Reformation des Berufungsbescheides den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos zu beheben. Denn durch die ersatzlose Aufhebung (bloß) des Berufungsbescheides gehört der erstinstanzliche Bescheid wieder und weiterhin dem Rechtsbestand an.

17 Im vorliegenden Revisionsfall bewirkte die Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrages durch die Bauwerberin den Wegfall der Zuständigkeit des Magistrates zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides und damit (nachträglich) dessen Rechtswidrigkeit. Das Verwaltungsgericht wäre somit gehalten gewesen, diesen Bescheid (ersatzlos) zu beheben (vgl. etwa , mwN; ferner etwa ). Diese Rechtsfolge wurde durch die bloße Behebung des Berufungsbescheides, wie dargestellt, nicht bewirkt. 18 Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. 19 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 53 Abs. 1 VwGG iVm der Verordnung, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
AVG §13 Abs7
AVG §56
AVG §66 Abs4
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGG §42 Abs4
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §28 Abs1
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt
Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019050065.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
RAAAE-81592

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