VwGH vom 28.08.2012, 2010/21/0414

VwGH vom 28.08.2012, 2010/21/0414

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des M in G, vertreten durch die Kocher Bucher Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Friedrichgasse 31, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom , Zl. E 1/1870/2010, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Marokko, befindet sich seit 2003 in Österreich. Zuletzt verfügte er über eine bis gültige "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt".

Im Hinblick auf eine strafgerichtliche Verurteilung leitete die Bundespolizeidirektion Graz gegen den damals in Graz wohnhaften Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbotsverfahren ein. Nach einer niederschriftlichen Einvernahme des Beschwerdeführers am sprach seine Bewährungshelferin am bei der Bundespolizeidirektion Graz vor. In einem Aktenvermerk vom selben Tag ist dazu Folgendes festgehalten:

"Die Bewährungshelferin des (Beschwerdeführers), Frau S., erkundigt sich am heutigen Tage bei der ho. Behörde, zumal der Fremde ihr gegenüber die beabsichtigte Erlassung eines Aufenthaltsverbotes erwähnt hat. Dieser Sachverhalt wird bestätigt, wobei sie angibt, dass der Fremde eigenen Angaben zufolge seinen Wohnsitz nach L, … verlegt hat.

Eine Nachschau im ZMR ergibt gleichzeitig, dass der Fremde mit heutigem Tage von seiner Adresse in Graz amtlich abgemeldet wurde, der neue Wohnsitz in L allerdings nicht aufscheint."

In einer bereits von der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg eingeholten Auskunft aus dem Zentralen Melderegister vom wird die im eben zitierten Aktenvermerk genannte Adresse mit Beginn ab als neuer Hauptwohnsitz des Beschwerdeführers ausgewiesen. Im Hinblick darauf ersuchte die Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg mit Schreiben vom die Bundespolizeidirektion Graz um Übermittlung der den Beschwerdeführer betreffenden Verwaltungsakten.

Das genannte Schreiben langte erst am bei der Bundespolizeidirektion Graz ein. Diese hatte mittlerweile mit Bescheid vom gegen den Beschwerdeführer ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot erlassen und die Zustellung dieses Bescheides an der ihr von der Bewährungshelferin mitgeteilten Adresse des Beschwerdeführers veranlasst. Die Zustellung an dieser Adresse wurde dann durch Hinterlegung beim Postamt, mit Beginn der Abholfrist , bewirkt.

Der Beschwerdeführer erhob - unter Nennung der Adresse L - Berufung. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom erkannte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark (die belangte Behörde) hierüber dergestalt, dass gegen den Beschwerdeführer ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen werde.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Der Beschwerdeführer macht primär geltend, dass die erstinstanzliche Behörde für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes örtlich unzuständig gewesen sei.

Diesem Vorbringen kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

Die örtliche Zuständigkeit in einem Verfahren wie dem vorliegenden richtet sich gemäß § 6 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG nach dem inländischen Hauptwohnsitz des Fremden im Sinn des § 1 Abs. 7 MeldeG, in Ermangelung eines solchen nach einem sonstigen Wohnsitz des Fremden im Bundesgebiet. Bei Vorliegen mehrerer sonstiger Wohnsitze ist jener maßgeblich, welcher zuletzt begründet wurde.

Entscheidend sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0391, mwN.). Das ist hier also der .

Gemäß § 1 Abs. 7 MeldeG ist der Hauptwohnsitz eines Menschen an jener Unterkunft begründet, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, diese zum Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen zu machen. Der polizeilichen Meldung kommt diesbezüglich Indizcharakter zu (vgl. abermals das genannte Erkenntnis vom ).

Bei dieser Ausgangslage bestehen nach dem eingangs geschilderten Sachverhalt gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass im Hinblick auf einen Hauptwohnsitz des Beschwerdeführers in L spätestens ab dem die Bundespolizeidirektion Graz zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides nicht mehr zuständig war. Dem hätte die belangte Behörde auch ohne diesbezüglichen Einwand in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0267) nachgehen müssen. Weil sie das unterlassen hat, ist der bekämpfte Berufungsbescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am