Suchen Hilfe
VwGH vom 03.11.2010, 2008/18/0553

VwGH vom 03.11.2010, 2008/18/0553

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des D P in W, geboren am , vertreten durch Mag. Robert Igali-Igalffy, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 34, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 927/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 sowie § 63 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei mit einem von der österreichischen Botschaft in Belgrad ausgestellten Visum C mit einer Gültigkeitsdauer bis in das Bundesgebiet eingereist, habe am eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und am nächsten Tag die Erteilung eines Aufenthaltstitels beantragt. Ihm sei zunächst eine quotenfreie Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Ö, § 49 Abs. 1 FrG", gültig bis , erteilt worden.

Der Beschwerdeführer sei lediglich zwischen und mit Hauptwohnsitz an der Adresse seiner Ehefrau in der D.-Straße gemeldet gewesen. Am habe er seinen Hauptwohnsitz in der S.-Gasse begründet, wo sich seine Ehefrau zwei Tage später mit Nebenwohnsitz angemeldet habe. Am , einem Samstag, sei in der S.-Gasse um 13.15 Uhr eine Hauserhebung durchgeführt worden. Eine unmittelbare Nachbarin habe nach Vorlage von Fotos angegeben, dass sich in der Wohnung ein älteres jugoslawisches Ehepaar aufhalte; beim Mann handle es sich um den Beschwerdeführer, bei der Frau jedoch nicht um dessen österreichische Ehefrau. Bemerkenswerterweise sei in der Wohnung des Beschwerdeführers dessen geschiedene Ehefrau angetroffen worden. Der später ebenfalls in der Wohnung eintreffende Beschwerdeführer habe gegenüber dem erhebenden Beamten auf die Frage, wer diese Frau sei, angegeben, sie sei eine Cousine. Am selben Tag sei eine Hauserhebung in der D.-Straße durchgeführt worden, wobei aber niemand habe angetroffen werden können. Laut Auskunft der Hausbesorgerin, der ebenfalls Fotos gezeigt worden seien, wohne dort die österreichische Ehefrau des Beschwerdeführers gemeinsam mit ihrem etwa 17-jährigen Sohn D und ihrer Mutter. Den Beschwerdeführer habe die Hausbesorgerin jedoch noch nie gesehen.

Am sei der Beschwerdeführer von der Erstbehörde niederschriftlich vernommen worden. Er habe angegeben, vor drei oder vier Jahren seine jetzige Ehefrau in U auf einem Dorfmarkt kennen gelernt zu haben. Danach hätten sie telefonischen Kontakt gehalten und seine jetzige Frau habe ihn auch öfters in U besucht. Sie habe ihm dann vorgeschlagen, zu heiraten, weil beidseitige Liebe und Zuneigung bestanden habe. Er sei bereits mit den erforderlichen Dokumenten für die Heirat nach Österreich eingereist. Sein Trauzeuge sei P A., die Trauzeugin seiner Ehefrau seine Schwester L M. gewesen.

Die am selben Tag vernommene Ehefrau des Beschwerdeführers habe zur Hochzeit angegeben, die Schwester ihres Mannes sei ihre Treuzeugin gewesen, sie könne jedoch deren Namen nicht sagen, weil sie keinen Kontakt zu ihr habe. Ebenso wenig habe sie den Namen des Trauzeugen ihres Ehemannes nennen können. Es erscheine aber mehr als ungewöhnlich - so die belangte Behörde -, dass bei einer angeblichen Liebesheirat jemand weder wisse, wie die Schwester des Ehepartners heiße, noch, wer sein Trauzeuge gewesen sei. Des Weiteren seien beide Ehepartner zum Ablauf des Vortages, einem Sonntag, befragt worden. Während der Beschwerdeführer angegeben habe, sie seien zwischen 9 Uhr und 10 Uhr aufgestanden, habe die Ehefrau dazu ausgeführt, sie seien zwischen 7:30 Uhr und 8 Uhr aufgestanden. Während die Ehefrau angegeben habe, nach dem Mittagessen gleich das Geschirr abgewaschen zu haben, habe der Beschwerdeführer dazu angegeben, das Geschirr sei erst am Abend abgewaschen worden. Seine Ehefrau habe weiters ausgeführt, anschließend zu ihrer Mutter und zu ihrem Sohn gegangen zu sein und gegen 19 Uhr wieder in die Wohnung ihres Mannes gekommen zu sein, weil dieser aber nicht zu Hause gewesen sei, sei sie wieder zu ihrer Mutter gefahren und dort auch geblieben. Der Beschwerdeführer hingegen habe behauptet, er sei gegen 21 Uhr nach Hause gekommen, da sei seine Frau schon zu Hause gewesen; anschließend habe diese noch gebügelt und Wäsche in den Kasten eingeräumt.

In der Berufung werde das Vorliegen einer Scheinehe bestritten.

Beweiswürdigend erwog die belangte Behörde, dass unter Bedachtnahme auf die oben aufgezeigten widersprüchlichen Aussagen - das Ehepaar habe nicht einmal den Ablauf des vorherigen Tages ident schildern können - und des Erhebungsberichtes davon auszugehen sei, dass die Ehe ausschließlich deshalb geschlossen worden sei, um dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zu verschaffen, problemlos eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung zu erhalten. So sei auch der Umstand bezeichnend, dass anlässlich der Beantragung des Visums C als Einladender die Schwester und Cousine des Beschwerdeführers und nicht seine "zukünftige" Ehefrau aufscheine; sowohl der Beschwerdeführer als auch seine Ehefrau hätten angegeben, dass sie sich bereits seit drei bzw. vier Jahren gekannt und auf Grund der bestehenden Zuneigung die Eheschließung beschlossen hätten, weshalb der Beschwerdeführer bereits alle erforderlichen Unterlagen für die Hochzeit bei seiner Einreise bei sich gehabt habe.

Angesichts der Erhebungsergebnisse und der offen zutage getretenen Widersprüche in den Aussagen stehe somit fest, dass der Beschwerdeführer die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen habe, ohne mit der Ehefrau ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt zu haben.

Der Missbrauch des Rechtsinstitutes der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte stelle eine schwer wiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertige. Auf Grund der dargestellten Umstände seien die Voraussetzungen zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 61 und 66 leg. cit. - im Grunde des § 87 iVm § 86 FPG gegeben.

Der Beschwerdeführer mache geltend, dass in W seine Schwester lebe. Dem Akteninhalt zufolge müsse sich auch eine Cousine in W befinden. Aus der ersten Ehe stammten zwei Kinder, die sich in seinem Heimatort befänden. Laut einem Versicherungsdatenauszug sei der Beschwerdeführer zwischen und mit Unterbrechungen einer Beschäftigung nachgegangen (danach bezog er Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Überbrückungshilfe oder Krankengeld). Seit beziehe er Notstandshilfe.

Angesichts aller Umstände sei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen, dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, zur Verhinderung von Aufenthalts- bzw. Scheinehen - dringend geboten sei. Wer, wie der Beschwerdeführer, zur Erlangung eines Aufenthaltstitels eine Aufenthalts- bzw. Scheinehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin schließe, lasse seine außerordentliche Geringschätzung maßgeblicher, in Österreich gültiger Rechtsvorschriften erkennen. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt Fremder regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Solcherart bestehe auch ein hohes öffentliches Interesse an der Verhinderung von Scheinehen. Gegen dieses Interesse habe der Beschwerdeführer jedoch gravierend verstoßen. Es könne daher kein Zweifel bestehen, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten und sohin zulässig im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG sei.

Die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes sei auch im Rahmen der gemäß § 66 Abs. 2 FPG gebotenen Interessenabwägung zu bejahen. Die durch den Aufenthalt im Bundesgebiet erzielte Integration des Beschwerdeführers werde durch die bewirkte Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens auf Grund seines Eingehens einer Scheinehe wesentlich gemindert. Bei einer Abwägung der genannten Interessenlagen ergebe sich, dass die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet keinesfalls schwerer wögen als das öffentliche Interesse an der Erlassung dieser Maßnahme.

Da sonst keine besonderen, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände gegeben seien, habe die belangte Behörde angesichts des vorliegenden Sachverhaltes von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen können.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, diesen aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gegen die Annahme der belangten Behörde hinsichtlich des Vorliegens einer Aufenthaltsehe (Scheinehe) bringt die Beschwerde vor, die belangte Behörde habe lediglich Nachbarn, also völlig fremde Personen ohne Bezug zu den Eheleuten, befragt, ob die jeweiligen Ehegatten im Haus des jeweils anderen bekannt seien. Es sei jedoch keine Befragung von Freunden und Angehörigen, die jederzeit bestätigen hätten können, dass es sich um keine Scheinehe handle, durchgeführt worden. Der Beschwerdeführer habe in seiner Stellungnahme vom auch angegeben, auf Grund der problematischen Familiensituation (die "Mutter" des Beschwerdeführers leide an paranoider schizophrener Demenz) sei nur eine Wochenendbeziehung möglich. Der Beschwerdeführer könne jedoch mit der Krankheit seiner "Schwiegermutter" nicht umgehen. Er gehe einer geregelten Arbeit nach und müsse daher ausgeschlafen sein. Der Beschwerdeführer habe bei der Behörde angegeben, dass es zwei Wohnsitze gebe und eine Wochenendbeziehung geführt werde. Die Überprüfung der Hauptwohnsitze an den Wochentagen habe daher ergeben, dass der jeweils andere Wohnpartner nicht anwesend gewesen sei. Daraus könne jedoch nicht geschlossen werden, dass ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nicht geführt worden sei.

Damit zeigt die Beschwerde keine Fehler der Beweiswürdigung auf, die vom Verwaltungsgerichtshof aufgegriffen werden könnten.

Einerseits ist die Verfahrensrüge, dass keine Freunde und Angehörigen der Eheleute befragt worden seien, bereits deshalb nicht zielführend, weil die Beschwerde - wie auch die Berufung - die Namen und Adressen der Zeugen nicht nennt und diese somit nicht individualisierbar sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0063); darüber hinaus wurde auch ein konkretes Beweisthema, zu welchem die Zeugen vernommen hätten werden sollen, nicht genannt. Zum anderen wurde die Hauserhebung am an einem Samstag durchgeführt, sodass auch das Argument, bei Vorliegen einer Wochenendbeziehung sei eine Überprüfung der Hauptwohnsitze an einem Wochentag nicht aussagekräftig, ins Leere geht.

Die belangte Behörde hat ihrer Beweiswürdigung sowohl die Aussagen der Hausbesorgerin in der D.-Straße und der Nachbarin in der S.-Gasse, wonach der Beschwerdeführer mit seiner geschiedenen Ehefrau zusammenlebt und die Ehepartner an der Adresse des jeweils anderen nicht bekannt sind, als auch die widersprüchlichen Aussagen der Ehepartner bei der Vernehmung am zugrunde gelegt. Die Beschwerde bestreitet auch nicht die Feststellungen im angefochtenen Bescheid, wonach bei der Hauserhebung im November 2005 die geschiedene Ehefrau in der Wohnung des Beschwerdeführers angetroffen wurde. Der Beschwerdeführer vermochte hingegen im Verwaltungsverfahren kein konkretes Verhalten, keine konkrete familiäre Begebenheit und keinen auf ein gelebtes Familienleben hindeutenden konkreten Umstand aufzuzeigen, die die Angaben dieser Zeuginnen relativieren könnten bzw. für ein tatsächlich gelebtes Familienleben sprächen.

Auf der Basis der getroffenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die Ehe geschlossen, sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen, aber mit der Ehefrau ein gemeinsames Familienleben nie geführt hat. Daher begegnet die Beurteilung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG (als "Orientierungsmaßstab") verwirklicht sei, keinem Einwand.

Angesichts des hohen Stellenwerts, welcher der Einhaltung der die Einreise oder den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zukommt, ist auch die weitere Beurteilung der belangten Behörde, dass die im § 86 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, unbedenklich (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom , mwN).

2. Weiters begegnet auch die im angefochtenen Bescheid gemäß § 60 Abs. 6 iVm § 66 FPG getroffene Interessenabwägung selbst dann keinem Einwand, wenn man berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer strafgerichtlich unbescholten ist, ihm keine Verwaltungsübertretung zur Last gelegt werden kann und er nunmehr auch (wieder) einer geregelten Arbeit nachgeht; auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid kann verwiesen werden.

3. Ferner sind - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht - auch keine besonderen Umstände erkennbar, die die belangte Behörde hätten veranlassen müssen, von dem ihr eingeräumten Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen.

4. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am

Fundstelle(n):
WAAAE-81586