VwGH 11.09.2008, 2006/08/0013
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Dem AlVG kann keine Anordnung entnommen werden, wonach ein Versicherter, dessen Verfahren zur Zuerkennung einer Erwerbsunfähigkeitspension beendet wurde, verpflichtet wäre, sich persönlich bei der regionalen Geschäftsstelle des AMS zu melden, widrigenfalls die Leistung vom Zeitpunkt des Wegfalls des Pensionsvorschusses bis zur tatsächlichen Wiedermeldung ruht. Ein Wegfall der Leistung käme nur insoweit in Betracht, als das AMS dem Arbeitslosen zur Überprüfung des Fortbestehens der Voraussetzungen eines Pensionsvorschusses eine - zulässige (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/08/0278) - Kontrollmeldung vorgeschrieben hätte, die vom Arbeitslosen nicht eingehalten worden wäre. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz, Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des M in I, vertreten durch Dr. Jörg Hobmeier, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 9/II, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom , Zl. LGSTi/V/0553/5108 -702/2005, betreffend Zuerkennung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom sprach die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Innsbruck aus, dass dem Beschwerdeführer "gemäß § 38 in Verbindung mit dem § 50 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977" (AlVG) Notstandshilfe ab zuerkannt werde.
Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, der Beschwerdeführer habe erst am dem Arbeitsmarktservice gemeldet, dass er die Klage gegen den Ablehnungsbescheid der Pensionsversicherungsanstalt zurückgezogen habe. Daher seien erst zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen für die Gewährung der Notstandshilfe überprüfbar gewesen.
In der dagegen erhobenen Berufung führte der von der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol vertretene Beschwerdeführer aus, dass er seine Klage auf Gewährung der Invaliditätspension bei der Tagsatzung am zurückgezogen habe. Er habe schon mehrere Verfahren auf Gewährung der Invaliditätspension durchgeführt und es sei ihm auch diesmal wieder von einem Dolmetsch erklärt worden, dass er die unterschriebene Bestätigung der Klagszurückziehung unverzüglich dem Arbeitsmarktservice vorzulegen habe. Dies habe der Beschwerdeführer - so wie in der Vergangenheit - auch gleich am , ca. um 11.15 Uhr (die Verhandlung habe um 11.05 geendet) getan. Seine Ehefrau habe ihn nach der Tagsatzung zum Arbeitsmarktservice begleitet und habe vor dessen "Geburtsschalter" auf ihn gewartet. Nachdem der Beschwerdeführer den Schalter verlassen habe, habe er keine Bestätigung bei sich gehabt. Als Zeugin für diese Aussage gab der Beschwerdeführer in der Berufung seine Ehefrau an. Er führte weiters aus, dass ihm am von einer Dame, die die Bestätigung entgegengenommen habe, am "Geburtsschalter" mitgeteilt worden sei, dass alles in Ordnung sei. Daraufhin sei er "entlassen worden". Der Beschwerdeführer habe im August noch den Pensionsvorschuss bezogen und habe eine Mitteilung datiert vom erhalten, wonach sein Pensionsvorschuss, welchen er vom an bezogen habe, in Notstandshilfe umgewandelt werde und bis zum gewährt werde. Er habe eine weitere Mitteilung, ebenfalls datiert mit erhalten, wonach sein Leistungsbezug mit eingestellt werde. Er habe dann am vorgesprochen und es sei ihm erst ab diesem Zeitpunkt wieder Notstandshilfe zuerkannt worden.
Im Akt befindet sich ein Aktenvermerk, datiert mit , demzufolge der Beschwerdeführer laut der am selben Tag erfolgten Rücksprache mit der Mitarbeiterin der Arbeiterkammer, die ihn im Verfahren vertrat, nicht imstande sei, nähere bzw. detailliertere Angaben bezüglich seiner Vorsprache beim Arbeitsmarktservice zu machen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.
Die belangte Behörde stellte folgenden Sachverhalt fest:
"Sie standen zuletzt vom bis beim Arbeitsmarktservice Innsbruck in Bezug von Notstandshilfe als Pensionsbevorschussung gemäß § 23 AlVG. Ab stehen Sie wiederum in Bezug von Notstandshilfe. Sie hatten ein Verfahren betreffend Gewährung einer Invaliditätspension, rechtsfreundlich vertreten durch die Kammer für Arbeiter und Angestellte, bei der zuständigen Pensionsversicherung anhängig. Mit Schreiben der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Tirol vom wurde dem Arbeitsmarktservice Innsbruck mitgeteilt, dass Sie Ihre, gegen den ablehnenden Anstaltsbescheid vom beim Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht eingebrachten Klage am zurückgenommen hatten. Laut Stellungnahme des Arbeitsmarktservice Innsbruck hatten Sie jedoch erst am dem Arbeitsmarktservice gemeldet, dass Sie die Klage zurückgenommen haben. Es wurde Ihnen entsprechend ab die Notstandshilfe zuerkannt.
Gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Innsbruck vom brachten Sie, rechtsfreundlich vertreten durch die Kammer für Arbeiter und Angestellte, Berufung ein. Auf Ihre Berufungsausführungen wird verwiesen, diese wurden anlässlich der Berufungsausschusssitzung am verlesen.
Sie führten ua insbesondere aus, dass Sie unmittelbar nach Ihrer Tagsatzung am sich zum Arbeitsmarktservice Innsbruck (mit Gattin) begeben hätten, um dort Ihre Klagszurückziehung zu melden. Sie hätten am entsprechenden Geburtsschalter vorgesprochen und eine 'Dame' habe Ihnen gesagt, dass 'alles in Ordnung' sei, nachdem Sie die 'Bestätigung entgegengenommen' haben.
Laut Stellungnahme des Arbeitsmarktservice Innsbruck vom stimme es nicht, dass Sie am beim Arbeitsmarktservice Innsbruck vorgesprochen hätten, da bei einer persönlichen Meldung die Bestätigung angenommen werden würde, welche jedoch nicht in Ihren Verfahrensunterlagen aufliegt und zudem unmittelbar im Anschluss ein 'PST' eröffnet werde. Die entsprechende PST-Eröffnung sei jedoch erst mit Ihrer Vorsprache am erfolgt. Es werde ausgeschlossen, dass Sie bereits am vorgesprochen hätten.
Eine entsprechende ho vorgenommene Rückfrage bei der Kammer für Arbeiter und Angestellte am hat ergeben, dass Sie keine genaueren Angaben bezüglich des Namens der 'Dame', mit welcher Sie gesprochen hätten, angeben könnten. Die Kammer für Arbeiter und Angestellte verwies jedoch darauf, dass Sie einen 'glaubwürdigen Eindruck' hinterlassen hätten."
In der Begründung führte die belangte Behörde aus, das Arbeitsmarktservice Innsbruck habe eindeutig ausgeschlossen, dass der Beschwerdeführer tatsächlich am vorgesprochen habe. Dies sei unter Hinweis darauf begründet worden, dass in einem solchen Fall entsprechende Veranlassungen getroffen hätten werden müssen, welche aber nicht getroffen worden seien. Dem Beschwerdeführer wurde entgegengehalten, dass er nicht imstande gewesen sei, den Namen jener Dame zu nennen, bei der er vorgesprochen habe. Daran könne auch die Tatsache nichts ändern, dass er seine Ehefrau als Zeugin genannt habe. Zudem sei den Angaben des Arbeitsmarktservice Innsbruck auch deshalb Glauben geschenkt worden, da die Bediensteten des Arbeitsmarktservice Innsbruck "auf Grund der Bestimmungen des BDG zur objektiven Amtsführung verpflichtet sind".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer macht geltend, in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt worden zu sein, da ihm keine Gelegenheit gegeben worden sei, zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Er hätte auf diesem Weg sowie durch Befragung seiner Ehefrau die Richtigkeit seiner Behauptungen unter Beweis stellen können. In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid habe er vorgebracht, dass er bereits am in Anwesenheit seiner Ehefrau der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice eine Bestätigung über die Klagszurücknahme vorgelegt und dazu seine Einvernahme sowie die Einvernahme seiner Ehefrau angeboten habe. Diesem Beweisanbot sei aber nicht nachgekommen worden. Durch die Einvernahme des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau hätte bestätigt werden können, dass der Beschwerdeführer am der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Innsbruck eine Bestätigung über die Klagszurückziehung vorgelegt habe, was bei einer richtigen rechtlichen Beurteilung zur Gewährung von Notstandshilfe auch vom bis hätte führen müssen.
2. Nach den vorgelegten Verwaltungsakten hat der Beschwerdeführer am einen Antrag auf vorschussweise Gewährung von Notstandshilfe (Pensionsvorschuss) gestellt. Wie der Beschwerdeführer selbst vorbringt, hat er seine Klage auf Zuerkennung einer Leistung aus der Pensionsversicherung am zurückgezogen. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde über einen Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Notstandshilfe dahingehend abgesprochen, dass Notstandshilfe (erst) ab dem zuerkannt wird. Damit wurde auch über den vom Beschwerdeführer behaupteten Anspruch auf Bezug der Notstandshilfe bereits vor dem - konkret ab dem - negativ abgesprochen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/08/0212). Der Zeitraum vom bis zum ist daher Gegenstand des Verfahrens gewesen.
Es kann dahin stehen, ob der Beschwerdeführer schon vor dem bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vorgesprochen hat, weil es auf den Zeitpunkt dieser Vorsprache bzw. der Antragstellung nicht ankommt, zumal keiner der Fälle des § 46 Abs. 5 oder 6 AlVG vorliegt. Wie § 23 Abs. 7 AlVG hingegen anordnet, gilt der tatsächlich geleistete Vorschuss ab dem Zeitpunkt, zu welchem die Nichtzuerkennung der Pension feststeht (Rechtskraft des Bescheides oder Urteils, Zurückziehung des Antrages oder der Klage), als Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe und "verkürzt die Bezugsdauer", woraus sich mangels einer einschränkenden Regelung wieder ergibt, dass ab diesem Zeitpunkt die Leistung als Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe bis zum Ende der Bezugsdauer, nunmehr jedoch in der sich aus § 21 bzw. § 36 AlVG ergebenden Höhe, weiter gebührt. Es hat sich daher der Sache nach durch das Ende des Verfahrens betreffend die Zuerkennung einer Erwerbsunfähigkeitspension nur eine für das Ausmaß der Leistung maßgebende Voraussetzung (Wegfall der Anwendung der Sonderbemessungsvorschrift des § 34 Abs. 4 AlVG) geändert, sodass entsprechend der gesetzlichen Anordnung des § 24 Abs. 1 erster Satz, zweiter Halbsatz AlVG mit einer amtswegigen Neubemessung ab dem Zeitpunkt des Wegfalls der Voraussetzungen des § 23 AlVG vorzugehen ist. Diese Neubemessung hätte das Arbeitsmarktservice aufgrund der Verständigung von der Klagsrückziehung durch die Pensionsversicherungsanstalt ohne weiteres vorzunehmen gehabt.
Die im zeitlichen Zusammenhang mit der Mitteilung vom über die Einstellung der Leistung zum erfolgte und zweifelsfrei gegen diese gerichtete "Antragstellung" des Beschwerdeführers vom ist vor diesem rechtlichen Hintergrund daher lediglich als - fristgerechtes - Bescheidbegehren im Sinne des § 24 Abs. 1 dritter Satz AlVG zu deuten.
Der angefochtene Bescheid wäre daher im Ergebnis nur unter der Voraussetzung rechtmäßig, dass dem Gesetz eine Anordnung entnommen werden könnte, dass ein Versicherter, dessen Verfahren zur Zuerkennung einer Erwerbsunfähigkeitspension beendet wurde, verpflichtet wäre, sich persönlich bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zu melden, widrigenfalls die Leistung vom Zeitpunkt des Wegfalls des Pensionsvorschusses bis zur tatsächlichen Wiedermeldung ruht. Eine solche Norm enthält das Gesetz aber nicht, sodass ein Wegfall der Leistung nur insoweit in Betracht käme, als das Arbeitsmarktservice dem Beschwerdeführer zur Überprüfung des Fortbestehens der Voraussetzungen eines Pensionsvorschusses eine - zulässige (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/08/0278) - Kontrollmeldung vorgeschrieben hätte, die vom Beschwerdeführer nicht eingehalten worden wäre. Dafür bietet weder die Begründung des angefochtenen Bescheides noch die Aktenlage einen Anhaltspunkt.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 17527 A/2008 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2008:2006080013.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
CAAAE-81584