VwGH vom 20.10.2011, 2008/18/0552
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des GP, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/231860/2008, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, wurde von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien im Instanzenzug mit Bescheid vom ein auf § 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestütztes unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Eine dagegen gerichtete Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0730, gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen.
Mit Schriftsatz vom beantragte der Beschwerdeführer, das gegen ihn bestehende Aufenthaltsverbot aufzuheben.
Mit dem nunmehr angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (die belangte Behörde) diesen Antrag gemäß § 65 Abs. 1 FPG ab.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer lebe seit seiner Geburt in Österreich. Vor Erlassung des in Rede stehenden Aufenthaltsverbotes habe er über einen unbefristeten Aufenthaltstitel verfügt. Auf Grund des Aufenthaltsverbotes sei dieser gemäß § 10 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz ungültig geworden.
Zu den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers merkte die belangte Behörde an, am habe er die österreichische Staatsbürgerin J geheiratet. Er habe mit dieser zwei Kinder, die ebenfalls österreichische Staatsbürger seien. Des Weiteren lebten auch die Eltern und die Schwester des Beschwerdeführers in Österreich.
Der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde zu jenen Umständen, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt hatten - sei in den Jahren 1999 und 2003 wegen vorsätzlicher Körperverletzung rechtskräftig verurteilt worden. In beiden Fällen seien Geldstrafen verhängt worden.
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der kriminellen Organisation nach § 278a zweiter Fall, Z 1, 2 und 3 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Dem sei zugrunde gelegen, dass sich der Beschwerdeführer und weitere Täter an einer Organisation beteiligt hätten, die mehrere Lokale, die in der Suchtgiftszene als Marihuanaumschlagplätze bekannt gewesen seien, betrieben habe. Im Rahmen dieser Organisation sei ein Netz von Lokalmanagern, Suchtgiftlieferanten, Dealern, Aufpassern und Kassierern zum gewerbsmäßigen Verkauf übergroßer Mengen Marihuana unterhalten worden. Konkurrenten und potentielle Verräter seien eingeschüchtert worden. Durch die Installierung zahlreicher Mittelsmänner, häufiges Wechseln der Mobiltelefone, Verwendung von Codewörtern und durch große Personalfluktuation habe sich die Organisation vor behördlicher Verfolgung schützen wollen. Es habe sich um eine für längere Zeit angelegte unternehmensähnliche Verbindung einer großen Anzahl von Personen gehandelt, die - wenngleich die Verbindung nicht ausschließlich auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen im Bereich des unerlaubten Verkehrs mit Suchtmitteln ausgerichtet gewesen sei - eine Bereicherung in großem Ausmaß angestrebt hätten; die aber auch bestrebt gewesen seien, andere zu korrumpieren und einzuschüchtern sowie die Beteiligten auf besondere Weise gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen. Der Beschwerdeführer habe sich durch die Begehung von strafbaren Handlungen im Rahmen der kriminellen Ausrichtung dieser Organisation und auch auf andere Weise im Wissen, die Organisation oder deren strafbare Handlungen zu fördern, als Mitglied beteiligt, indem er zumindest von Ende 2003 bis Ende Oktober 2004 organisatorisch an der Rekrutierung von Dealern für die Lokale des ZJ und an Suchtgiftlieferungen zu den einzelnen Absatzplätzen aktiv mitgewirkt habe.
Nach Wiedergabe der Bestimmung des § 65 Abs. 1 FPG sowie Auszügen aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führte die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung aus, bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes könne die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot rechtskräftig erlassen worden sei, nicht mehr überprüft werden. Allerdings versuche der Beschwerdeführer genau dies. Er führe keinen einzigen Umstand an, der seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes zu seinen Gunsten eingetreten sei oder zu seinen Gunsten hätte wirken können. Seine Familienverhältnisse hätten sich nicht geändert. Es sei lediglich richtig, dass seit Beendigung des festgestellten strafbaren Verhaltens, nämlich seit Ende Oktober 2004 etwas mehr als dreieinhalb Jahre verstrichen seien. Dies sei aber ein viel zu kurzer Zeitraum, um die "seinerzeit getroffene Gefährdungsprognose zu revidieren". Im Übrigen könnten jene Zeiten, die der Beschwerdeführer in Untersuchungs- und Strafhaft verbracht habe, auf Zeiten eines allfälligen Wohlverhaltens nicht angerechnet werden.
Ausgehend vom gravierenden Fehlverhalten des Beschwerdeführers erweise sich die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes auch nach § 66 FPG immer noch als dringend geboten. Infolge der starken Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Beschwerdeführer überwögen die vorhandenen persönlichen und familiären Interessen des Beschwerdeführers an seinem Aufenthalt in Österreich das nachhaltig beeinträchtigte Allgemeininteresse nicht. Auch die Beurteilung im Rahmen der Ermessensübung ergebe kein anderes Ergebnis, weil insoweit keine Gründe vorgebracht worden seien oder von der belangten Behörde erkannt werden könnten, sie dafür sprächen, das Aufenthaltsverbot aufheben zu müssen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Zunächst wird hinsichtlich der Vorgeschichte betreffend die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0730, verwiesen.
Gemäß § 65 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot (oder ein Rückkehrverbot) auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes (oder eines Rückkehrverbotes) nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes (oder des Rückkehrverbotes) eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Weiters kann bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes (oder eines Rückkehrverbotes) die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot (oder das Rückkehrverbot) erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0121, mwN).
Der Beschwerdeführer räumt zwar ein, dass die diesbezügliche Auffassung der belangten Behörde der Rechtslage entspreche. Ungeachtet dessen führt er aber auch in der Beschwerde nahezu ausschließlich Gründe ins Treffen, die bereits im Rahmen der Erlassung des Aufenthaltsverbotes berücksichtigt wurden. In Anbetracht der oben angeführten ständigen Rechtsprechung gehen diese Argumente aber ins Leere.
An seit der Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbots geänderten Umständen bringt der Beschwerdeführer lediglich die mittlerweile seit den Tatbegehungen vergangene Zeit vor.
Dieses Vorbringen ist allerdings nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Zutreffend verwies die belangte Behörde darauf, dass unter dem Blickwinkel des hier maßgeblichen Fremdenrechts ein allfälliger Gesinnungswandel in erster Linie daran zu messen ist, innerhalb welchen Zeitraumes sich der Fremde nach der Entlassung aus der Strafhaft in Freiheit wohlverhalten hat (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0486, mwN). Insoweit ergibt sich allerdings bereits aus der Beschwerde, dass sich der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung (und somit auch im hier maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides) noch in Strafhaft befunden hat. Es kann sohin keine Rede davon sein, dass der Beschwerdeführer auf maßgebliche Art bereits unter Beweis gestellt hätte, dass eine von ihm ausgehende Gefährdung nicht mehr anzunehmen wäre.
Dass gegenüber dem Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Änderungen in den familiären Beziehungen des Beschwerdeführers stattgefunden hätten, ist nicht erkennbar. Entgegen seiner Ansicht sind aber auch keine Umstände eingetreten, die im Rahmen der Ermessensübung nunmehr geboten hätten, die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes vorzunehmen. Sohin stellt sich der angefochtene Bescheid auch in der nach § 66 FPG und in der Ermessensübung vorgenommenen Beurteilung als unbedenklich dar.
Da somit die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
SAAAE-81583