VwGH vom 27.10.2015, 2013/08/0094
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde der Sozialversicherungsanstalt der Bauern in Wien, vertreten durch Mag. Daniel Kornfeind, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Singerstraße 27/28, gegen den Bescheid des Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom , BMASK- 429575/0001-II/A/3/2012, betreffend Pflichtversicherung in der Unfallversicherung nach dem BSVG (mitbeteiligte Partei: Dr. H B, Rechtsanwalt in V), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt vom wurde ausgesprochen, dass der Mitbeteiligte als Mitpächter der Gemeindejagd B. vom bis laufend in der Unfallversicherung nach § 3 Abs. 1 Z 1 BSVG pflichtversichert sei.
Begründend führte die Sozialversicherungsanstalt im Wesentlichen aus, der Mitbeteiligte sei laut vorliegendem Pachtvertrag vom für die Zeit von bis gemeinsam mit vier weiteren namentlich genannten Personen Pächter der Gemeindejagd B. Das betreffende Ansuchen durch die Pächtergemeinschaft hinsichtlich der Jagdpacht sei mittels Schreiben vom an die Marktgemeinde T. erfolgt. Die Vergabe der Gemeindejagd für die bereits genannte Jagdperiode an den Mitbeteiligten und dessen Mitpächter sei mit einstimmigem Beschluss in der Sitzung des Gemeinderates der Marktgemeinde T. vom (richtig: 2010) erfolgt und zwar mit Wirksamkeit ab .
Der Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Einspruch. Er machte geltend, dass er vom 1. Jänner bis noch über keinen rechtswirksamen Pachtvertrag verfügt und er in dieser Zeit die Jagd auch nicht ausgeübt habe. Er habe den Pachtvertrag erst am unterfertigt. Auch wenn dieser Vertrag zivilrechtlich auf die Zeit vom rückwirkend abgeschlossen sei, vermöge dies nicht rückwirkend eine Unfallversicherungspflicht begründen, weil eine unfallträchtige Tätigkeit versichert sei, die rückwirkend nicht möglich sei. Diese Überlegung gelte dann aber auch für die Zeit ab Abschluss des Jagdpachtvertrages am bis zu dessen rechtswirksamer Genehmigung und werde der Antrag gestellt, den angefochtenen Bescheid dahin abzuändern, dass die Versicherungspflicht in der Unfallversicherung erst ab festgestellt werde.
Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die im Devolutionsweg zuständig gewordene belangte Behörde dem Einspruch des Mitbeteiligten Folge und stellte fest, dass dieser in der Zeit vom bis nicht der Pflichtversicherung in der Unfallversicherung gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 BSVG unterlag.
Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens stellte die belangte Behörde das nicht mehr strittige Vertragsverhältnis und die Tatsache des einstimmigen Beschlusses in der Sitzung des Gemeinderates der Marktgemeinde T. vom fest. Der Jagdpachtvertrag sei jedoch erst am durch die Bezirksverwaltungsbehörde genehmigt worden, die Rechtskraft sei Ende März 2011 eingetreten. Der Mitbeteiligte habe die Jagd im streitgegenständlichen Zeitraum von Anfang Jänner bis Ende März nicht ausgeübt.
In rechtlicher Hinsicht - so die belangte Behörde weiter - sei der Beginn der Unfallversicherung strittig. Das Kärntner Jagdgesetz normiere in § 16 Abs. 3 ausdrücklich, dass die Wirksamkeit des Jagdpachtvertrages eine Genehmigung der Bezirksverwaltungsbehörde erfordere. Zudem bedürften gemäß § 71 Abs. 1 Kärntner Allgemeine Gemeindeordnung (K-AGO) Erklärungen, durch die sich die Gemeinde privatrechtlich verpflichte, zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform und der Fertigung durch den Bürgermeister. Darüber hinaus seien Jagdpachtverträge auch gemäß § 16 Abs. 2 des Kärntner Jagdgesetzes schriftlich abzuschließen.
Auch wenn der Jagdpachtvertrag rückwirkend mit genehmigt worden sei und sich die Bewilligung der Bezirkshauptmannschaft auf diesen Zeitraum beziehe, ändere dies somit nichts an dem Umstand, dass der Mitbeteiligte im streitgegenständlichen Zeitraum (ex ante) noch über keinen rechtswirksamen Jagdpachtvertrag verfügt habe und dies nicht rückwirkend die Unfallversicherungspflicht zu begründen vermochte.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens - ohne Erstattung einer Gegenschrift - vorgelegt.
Der Mitbeteiligte hat eine Gegenschrift erstattet und beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 BSVG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 1 BSVG sind in der Unfallversicherung nach dem BSVG Personen pflichtversichert, die auf ihre Rechnung und Gefahr einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb im Sinne der Bestimmungen des Landarbeitsgesetzes 1984 führen oder auf deren Rechnung und Gefahr ein solcher Betrieb geführt wird.
Die Ausübung der Jagd ist eine forstwirtschaftliche Tätigkeit im technischen Sinn (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 91/08/0034, mwN).
Für die Beantwortung der Frage, auf wessen Gefahr und Rechnung ein land(forst)wirtschaftlicher Betrieb geführt wird, ist maßgeblich, ob jene Person, deren Versicherungspflicht zu beurteilen ist, aus der Betriebsführung im Außenverhältnis (also im Verhältnis zu Dritten) berechtigt und verpflichtet wird. Wer aus der Betriebsführung in diesem Sinn berechtigt und verpflichtet wird, ist eine Rechtsfrage, die nicht nach bloß tatsächlichen Gesichtspunkten, sondern letztlich nur auf Grund rechtlicher Gegebenheiten beantwortet werden kann. Eine sozialversicherungsrechtlich relevante Änderung der sich aus den Eigentumsverhältnissen ergebenden Zurechnung setzt rechtswirksame (und rechtswirksam bleibende) dingliche (z.B. durch Einräumung eines Fruchtgenussrechtes) oder obligatorische Rechtsakte (z.B. durch Abschluss eines Pachtvertrages oder einer besonderen, einem Pachtvertrag nahekommenden Vereinbarung zwischen Miteigentümern) mit der Wirkung voraus, dass statt des Eigentümers (der Miteigentümer) ein Nichteigentümer (bzw. bei Vereinbarungen zwischen Miteigentümern einer der Miteigentümer allein) aus der Führung des Betriebes berechtigt und verpflichtet wird (vgl. z.B. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom mwN).
Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Betriebsführung auf Rechnung und Gefahr einer Person erfolgt, kommt es nicht auf den nach außen in Erscheinung tretenden Sachverhalt, sondern auf die wirklichen rechtlichen Verhältnisse an (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2005/08/0079, mit Hinweis auf das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg.Nr. 12.325 A). Auch der wirksame Abschluss eines Pachtvertrages bewirkt ein obligatorisches Rechtsverhältnis, durch das eine Änderung der sich sonst aus den Eigentumsverhältnissen ergebenden Zurechnung von Rechten und Pflichten im Außenverhältnis mit der Rechtsfolge eintritt, dass nicht mehr der Eigentümer, sondern der Pächter den land(forst)wirtschaftlichen Betrieb auf seine Rechnung und Gefahr führt. Voraussetzung dafür ist aber, dass der Vertrag seinem Inhalt nach ein den gesetzlichen Bestimmungen entsprechendes Pachtverhältnis begründet (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2005/08/0103).
Gemäß § 16 Abs. 2 Kärntner Jagdgesetz bedürfen Jagdpachtverträge der Schriftform; sie haben jedenfalls die Namen des Pächters, des Verpächters, die Bezeichnung des Jagdgebietes, die Größe des Jagdgebietes, die Pachtdauer, den Pachtzins und den Zeitpunkt seiner Erlegung zu enthalten; im Jagdpachtvertrag können weiters eine Regelung über die Zahl der Jagderlaubnisscheine, die zu bestellenden Jagdschutzorgane, die Hundehaltung und den Ersatz für Wild- und Jagdschäden sowie sonstige mit der Jagd zusammenhängende und den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht widersprechende Regelungen aufgenommen werden. Jagdpachtverträge für die Verpachtung von Gemeindejagden haben zusätzlich die Bestimmung zu enthalten, dass sich der Pächter verpflichtet, mindestens die Hälfte der jährlich ausgegebenen Jagderlaubnisscheine (§ 41) für in der Gemeinde ansässige Jäger auszustellen. Jagdpachtverträge sind nach dem Muster eines Jagdpachtvertrages (Abs. 5) abzufassen.
Gemäß § 16 Abs. 3 leg.cit. bedürfen Jagdpachtverträge zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung der Bezirksverwaltungsbehörde. Sie sind vom Pächter binnen acht Tagen nach ihrem Abschluss der Bezirksverwaltungsbehörde vorzulegen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn der Vertrag den Bestimmungen dieses Gesetzes über die Verpachtung entspricht und der Pächter die erforderliche Eignung (§ 18) hat. Die Versagung der Genehmigung hat die Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes zur Folge. Entscheidet die Bezirksverwaltungsbehörde nicht innerhalb von zwei Monaten nach Einlangen des vollständigen Antrages, so gilt der Pachtvertrag als genehmigt.
Im Beschwerdefall war die Frage zu klären, wann die Unfallversicherungspflicht des Mitbeteiligten vor dem Hintergrund des abgeschlossenen Pachtvertrages begonnen hat.
Vorliegend haben die Parteien des Pachtvertrages den Beginn des Pachtverhältnisses mit vereinbart. Mangels gegenteiliger Hinweise im Verfahren war dieser Termin auch der bedungene Übergabetermin. Zutreffend ist, dass der am schriftlich ausgefertigte Vertrag zu seiner Wirksamkeit einer Genehmigung der Bezirksverwaltungsbehörde bedurfte (§ 16 Abs. 3 Kärntner Jagdgesetz), die erst im März 2011 erteilt wurde.
Davon unabhängig ist die Frage zu beurteilen, ob der land(forst)wirtschaftliche Betrieb auf Rechnung und Gefahr des Pächters bereits ab geführt wurde. Dies ist hier zu bejahen:
Bereits bei Schenkungsverträgen, die unter der aufschiebenden Bedingung einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung abgeschlossen wurden, hat der Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass maßgeblicher Stichtag - im sozialversicherungsrechtlichen Sinn - für den Übergang der Gefahr, der Nutzungen und Lasten und damit der Rechnung und Gefahr iSd § 2 Abs. 1 Z 1 BSVG, soweit nichts anderes vereinbart wurde, primär der bedungene Übergabezeitpunkt ist (vgl. das Erkenntnis vom , 2004/08/0003, mit Hinweisen auf die Vorjudikatur). Dies ist auch für den vorliegenden Fall übertragbar. Auch hier wurde der Pachtvertrag unter der aufschiebenden Bedingung der Genehmigung durch die Bezirkshauptmannschaft geschlossen und als Vertragsbeginn der vereinbart. Ungeachtet des Erfordernisses einer verwaltungsbehördlichen Genehmigung des Vertrags (bis zur Rechtskraft dieser Genehmigung) war dieser jedenfalls schwebend wirksam (vgl. zu dem ähnlich gelagerten Themenkomplex der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung ). Durch die Genehmigung der Bezirksverwaltungsbehörde im März 2011 wurde der Pachtvertrag rückwirkend mit dem von den Parteien vereinbarten und somit gewünschten Beginn des Pachtverhältnisses wirksam. Dies stellt auch den - für den Beginn der Unfallversicherungspflicht entscheidenden - Übergang der Rechte und Pflichten aus dem Pachtvertrag dar. Es kann dahingestellt bleiben, ob die tatsächliche Ausübung der Jagd, wie der Mitbeteiligte in der Gegenschrift vermeint, erst mit Vorliegen der Genehmigung erfolgen darf. An der Betriebsführung ändert sich dadurch nichts, weil die Ausübung der Jagd nur ein Teilaspekt der Jagdpacht ist und im Pachtvertrag auch weitere Rechte und Lasten geregelt sind. Mögliche Einschränkungen der Nutzung tangieren die sozialversicherungsrechtliche Zurechnung nicht (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , 97/08/0541). Letztlich kommt es nicht darauf an, wer die tatsächliche Betriebsführung ausgeübt hat, da sich die rechtlichen Gegebenheiten dadurch nicht hätten ändern können, hätte doch der rechtmäßige Pächter gegen den insoweit unredlichen Bewirtschafter jedenfalls einen Anspruch auf Herausgabe der Erträge (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 99/08/0171).
Abgesehen davon normiert § 16 Abs. 3 leg.cit, dass die Versagung der Genehmigung die Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes zur Folge hat. Auch das deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber im Falle der Genehmigung von einer auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bezogenen Wirkung ausgeht (vgl. erneut das hg. Erkenntnis vom ).
Der von der belangten Behörde angenommene Versicherungsbeginn erweist sich daher als rechtsirrig. Im fortgesetzten Verfahren sind auch die fehlenden Feststellungen zum Einheitswert im Sinn des § 3 Abs. 2 BSVG als Voraussetzung für das Vorliegen der Versicherungspflicht nachzuholen.
Daher war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am