VwGH vom 25.06.2013, 2013/08/0091
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde der M GmbH in Wien, vertreten durch MMag. Damir Hajnovic, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Marc-Aurel-Straße 6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom , Zl. BMASK- 426930/0001-II/A/3/2012, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. K S in Wien, 2. Wiener Gebietskrankenkasse in 1100 Wien, Wienerbergstraße 15-19,
3. Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1201 Wien, Adalbert Stifterstraße 65-67), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Wie sich aus der Beschwerde und dem mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt, hat die belangte Behörde festgestellt, dass der Erstmitbeteiligte auf Grund seiner Tätigkeit bei der beschwerdeführenden Partei am der Vollversicherung nach § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG sowie § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlag.
Der Erstmitbeteiligte sei am um 22.00 Uhr von Organen der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse sowie des Landespolizeikommandos im Lokal der beschwerdeführenden Partei arbeitend angetroffen worden. Er habe mit einer Schürze bekleidet Tätigkeiten eines "Pizzakochs" verrichtet. Im Personalblatt habe der Erstmitbeteiligte vermerkt, dass er seit 17.00 Uhr probeweise als "Pizzakoch" arbeite.
Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, die tatsächliche Verrichtung der genannten Tätigkeit sei von der beschwerdeführenden Partei nicht bestritten worden. Das weitere Vorbringen, die Tätigkeit sei im Zuge eines um 17.00 Uhr begonnenen Vorstellungsgespräches bzw. freiwillig im Rahmen eines "Schnuppertages" ausgeübt worden, erscheine nicht glaubwürdig. Ein Vorstellungsgespräch erstrecke nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht über fünf Stunden und zeichne sich nicht dadurch aus, dass der Bewerber Pizza bäckt. Darüber hinaus sei bei derselben Kontrolle in einem Nebenraum der Betriebsräumlichkeiten der beschwerdeführenden Partei eine weitere nicht zur Sozialversicherung gemeldete Person beim Verstecken einer Pizzaliefertasche angetroffen worden. Bezüglich dieser Person habe die beschwerdeführende Partei zunächst behauptet, sie habe als Gast in dem kleinen Raum (offenbar ortsunkundig) das WC gesucht, während im Einspruch gegen den erstinstanzlichen Bescheid bzw. in der Berufung ausgeführt worden sei, die Person sei als (zwangsläufig sehr wohl ortskundiger) langjähriger Familienfreund auf dem Weg in die privaten Räumlichkeiten der betriebsführenden Familie gewesen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag Zl. 2013/08/0090).
Da die beschwerdeführende Partei lediglich die rechtliche Qualifizierung der unstrittigen Tätigkeit des Erstmitbeteiligten bestreite, erübrige sich eine Vernehmung von weiteren genannten Zeugen, weil diese nur zu ihren Wahrnehmungen befragt werden könnten und nicht zu den von ihnen daraus gezogenen Schlüssen oder zu Rechtsfragen.
Rechtlich führte die belangte Behörde aus, der Erstmitbeteiligte sei im Lokal der beschwerdeführenden Partei bei einer Tätigkeit angetroffen worden, wie sie üblicherweise von einem "Pizzakoch" ausgeübt werde. Nach allgemeiner Lebenserfahrung werde eine solche Tätigkeit im Rahmen eines Dienstverhältnisses erbracht. Im Ermittlungsverfahren hätten keine glaubwürdigen atypischen Umstände festgestellt werden können, die einer Beurteilung der Tätigkeit des Erstmitbeteiligten als (abhängige) Beschäftigung entgegenstehen würden. Selbst eine Verrichtung der Tätigkeit im Rahmen eines - im konkreten Fall nicht festgestellten - Probedienstverhältnisses bzw. Vorstellungsgespräches bzw. "Schnuppertages" würde die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung nicht beeinflussen. Der Erstmitbeteiligte sei am bei der beschwerdeführenden Partei in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt gewesen und unterliege auf Grund dessen der Pflichtversicherung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die Beschwerde bringt vor, der Erstmitbeteiligte sei am in das Lokal der beschwerdeführenden Partei gekommen und habe im Zuge des Vorstellungsgespräches seine Fertigkeiten unter Beweis stellen wollen. Er habe zum Zeitpunkt der Kontrolle gerade versucht, eine Pizza zuzubereiten, die jedoch von niemandem bestellt worden sei. Dies einzig und allein zu Probezwecken.
Die Beschwerde verkennt, dass selbst die behauptete probeweise verrichtete Tätigkeit des Erstmitbeteiligten der Pflichtversicherung nach dem ASVG und AlVG unterliegt. Für die Abgrenzung eines Vorstellungsgesprächs von der Aufnahme der (versicherten) Betriebsarbeit im Rahmen eines Probearbeitsverhältnisses liegt es vor dem Hintergrund des Schutzzwecks arbeitsrechtlicher Normen nicht im Belieben des Arbeitgebers, eine Beschäftigung, die typischerweise Teil eines Probearbeitsverhältnisses ist, bereits in das Vorstellungsgespräch zu integrieren und so Arbeit suchende Personen zu Arbeitsleistungen ohne Entgeltanspruch zu verhalten. Die Abgrenzung des Vorstellungsgesprächs von einer Arbeitsleistung, die den Beginn eines Arbeitsverhältnisses markiert, hat daher nach objektiven Gesichtspunkten unter Berücksichtigung der Übung des redlichen Verkehrs zu erfolgen. Soweit aber der Arbeitgeber das Vorstellungsgespräch dazu benützt, eine Arbeitsleistung in Anspruch zu nehmen, die nach Art und Umfang üblicherweise nicht unentgeltlich erbracht wird, und dadurch das Vorstellungsgespräch der Sache nach in die eigentliche Betriebsarbeit oder in eine für die Beschäftigung allenfalls erforderliche Einschulung - und sei es auch nur die Herstellung eines Werkstückes - erstreckt, kommt es zu einer einseitigen Verkürzung der Interessen des Arbeitnehmers, ohne dass dies durch berechtigte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt werden könnte. Eine solche Vorgangsweise entspricht daher nicht der Übung des redlichen Verkehrs (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , VwSlg. 16285A/2004, und vom , Zl. 2010/08/0179).
Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht finden, dass die Tätigkeit eines Pizzabäckers in der Zeit von 17.00 bis 22.00 Uhr im Betrieb der beschwerdeführenden Partei typischerweise Teil eines Vorstellungsgespräches wäre. Es ist dem Arbeitgeber zwar nicht verwehrt, sich bei einem Vorstellungsgespräch davon zu überzeugen, ob der Bewerber die für die in Aussicht genommene Stelle erforderlichen Kenntnisse besitzt, wozu auch kurze praktische Erprobungen zählen mögen. Die Arbeit im hier zu Rede stehenden zeitlichen Ausmaß geht aber dem Umfang und der Sache nach erheblich über das bei einem Vorstellungsgespräch Übliche und Zulässige hinaus (vgl. nochmals das Erkenntnis VwSlg. 16285A/2004).
Vor diesem rechtlichen Hintergrund erweist sich die von der Beschwerde vermisste "Einvernahme von sechs namentlich genannten Zeugen" zum Beweis dafür, dass der Erstmitbeteiligte "nur einen Schnupperabend absolviert habe, wobei er nur kurzfristig und entgeltfrei den Betrieb der beschwerdeführenden Partei beobachtet und freiwillig einzelne Tätigkeiten verrichtet habe" als nicht zielführend, sodass die Abstandnahme von der Aufnahme der von der beschwerdeführenden Partei zum genannten Thema beantragten Beweise keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens nach sich zieht.
Unzutreffend ist auch die Rechtsrüge der Beschwerde, dass die Feststellungen nicht ausreichen würden, um auf ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu schließen.
Wird jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen, das heißt arbeitend, unter solchen Umständen angetroffen, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten, so ist die Behörde berechtigt, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinne auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl. nochmals das Erkenntnis Zl. 2010/08/0179). Diese Voraussetzungen sind im gegenständlichen Fall erfüllt, sodass die belangte Behörde zu Recht das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis an dem genannten Tag festgestellt hat.
Da sohin bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 (Abs. 1) VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am