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VwGH vom 13.08.2013, 2013/08/0088

VwGH vom 13.08.2013, 2013/08/0088

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Stohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des Ing. M W in E, vertreten durch Mag. Hannes Huber und Dr. Georg Lugert, Rechtsanwälte in 3390 Melk, Bahnhofstraße 3, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom , Zl. BMASK-425948/0001-II/A/3/2011, betreffend Zurückweisung eines Einspruchs als verspätet in einer Angelegenheit des ASVG (mitbeteiligte Parteien: 1. Niederösterreichische Gebietskrankenkasse in 3100 St. Pölten, Kremser Landstraße 3, 2. L B, Adresse unbekannt, 3. Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1201 Wien, Adalbert Stifterstraße 65- 67), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom sprach die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aus, dass der Zweitmitbeteiligte in der Zeit vom 1. März bis auf Grund seiner Tätigkeit für den Beschwerdeführer gemäß § 4 Abs. 2 ASVG der Voll- (Kranken-, Unfall-, Pensions-) und Arbeitslosenversicherung unterliegt. Dieser Bescheid war an den Zweitmitbeteiligten adressiert, die den Beschwerdeführer betreffende Zustellverfügung lautete "Firma Ing. M W (Beschwerdeführer), Maschinen- und Fertigungstechnik, N. Straße 3, E." Dieser Bescheid wurde von der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers als "Mitbewohner der Abgabestelle" am übernommen. Auf Grund eines entsprechenden Ersuchens des Beschwerdeführers teilte ihm die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse mit Schreiben vom mit, dass der genannte Bescheid nochmals zugestellt werde. Es werde aber darauf hingewiesen, dass der Bescheid bereits rechtswirksam zugestellt worden sei.

Mit Schreiben vom erhob der Beschwerdeführer Einspruch gegen den erstinstanzlichen Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom . Mit Bescheid vom gab der Landeshauptmann von Niederösterreich diesem Einspruch keine Folge. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom durch seine ausgewiesenen Vertreter Berufung.

Auf Grund von Zweifeln an der Rechtzeitigkeit des Einspruches nahm die belangte Behörde Erhebungen vor. Sie teilte den Vertretern des Beschwerdeführers mit E-Mail vom mit, sie gehe davon aus, dass die erste Zustellung an den Beschwerdeführer rechtswirksam gewesen sei und dass der Einspruch durch den Landeshauptmann als verspätet hätte zurückgewiesen werden müssen. Der Beschwerdeführer brachte vor, der Zustellvorgang hinsichtlich des erstinstanzlichen Bescheides vom habe nicht dem Gesetz entsprochen. Erst die zweite Zustellung sei rechtswirksam und der Einspruch rechtzeitig gewesen.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid behob die belangte Behörde den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG und wies den Einspruch des Beschwerdeführers gemäß § 412 ASVG als verspätet zurück.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei - unter Außerachtlassung der an ihn gerichteten Zustellverfügung - davon ausgegangen, dass der erstinstanzliche Bescheid nicht für ihn, sondern für den Zweitmitbeteiligten bestimmt gewesen sei. Aus diesem Grunde habe er das Kuvert (in welchem sich ursprünglich der erstinstanzliche Bescheid befunden habe) an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse mit dem Vermerk übermittelt, der Zweitmitbeteiligte sei nicht mehr im Betrieb tätig (ob sich auch der Bescheid in dem genannten Kuvert befunden habe, sei nicht mehr nachvollziehbar). Auf Ersuchen des Beschwerdeführers habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse den Bescheid nochmals übersandt, jedoch mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass die erste Zustellung rechtswirksam gewesen sei. Bei der für den Beschwerdeführer angegebenen Adresse habe es sich um eine Abgabestelle iSd Zustellgesetzes gehandelt. Diese Zustellung sei am rechtswirksam erfolgt, weil das Zustellstück an der Abgabestelle von einer Mitbewohnerin (der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers) übernommen worden sei. Der Einspruch des Beschwerdeführers sei am zur Post gegeben worden und daher verspätet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Unfallversicherungsanstalt auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat sich an dem Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 Z 1 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe vor der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse seine bevollmächtigten Vertreter bekannt gegeben. Im erstinstanzlichen Verfahren vor der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse sei die Korrespondenz bereits im Jahr 2008 über diese Kanzlei (die Beschwerdeführervertreter) geführt worden. Dieses Verfahren sei bereits seit 2008 gelaufen. Da dem Beschwerdeführer nicht bekannt sei, inwiefern der vollständige Akt der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vorliege, würden zum Nachweis der damaligen Vertretung Korrespondenzstücke zwischen der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse und den Vertretern des Beschwerdeführers vorgelegt (diese stammen vom Zeitraum vom 17. Juli bis und betreffen die Feststellung der Pflichtversicherung des Zweitmitbeteiligten).

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse habe den erstinstanzlichen Bescheid nicht an die bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers zugestellt. Die Zustellung sei gegenüber dem Beschwerdeführer als nicht erfolgt anzusehen.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg:

Die belangte Behörde hat die Akten der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vorgelegt. Das erste Aktenstück - ein Schreiben der im Namen des Beschwerdeführers einschreitenden Ö. SteuerberatungsgmbH - stammt vom . Mit diesem stellten die genannten Vertreter "im Auftrag unseres oben angeführten Mandanten (Beschwerdeführer) den Antrag auf Erlassung eines Bescheides über die vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge". In der ebenfalls im Verwaltungsakt erliegenden Niederschrift über die Schlussbesprechung vom wird als "Name und Anschrift des bevollmächtigten Vertreters" des Beschwerdeführers die Ö. SteuerberatungsgmbH angeführt. Ohne dass im Verwaltungsakt weitere Vorgänge ersichtlich wären, hat die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse sodann den erstinstanzlichen Bescheid vom mit der genannten, an den Beschwerdeführer persönlich adressierten Zustellverfügung erlassen.

Gemäß § 10 Abs. 1 AVG können sich die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis. Nach § 10 Abs. 2 AVG richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 AVG von Amts wegen zu veranlassen.

Beruft sich ein Berufsberechtigter im beruflichen Verkehr auf die ihm erteilte Bevollmächtigung, so ersetzt gemäß § 88 Abs. 9 WTBG diese Berufung den urkundlichen Nachweis (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/08/0084).

Gemäß § 9 Abs. 3 Zustellgesetz hat die Behörde, wenn ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist und gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist. Ein Zustellmangel kann daher in diesem Fall dadurch heilen, dass das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. 2008/08/0087).

Die belangte Behörde wäre in Anbetracht der Aktenlage von Amts wegen verpflichtet gewesen, Erhebungen und Feststellungen über eine Vertretung des Beschwerdeführers iSd § 10 Abs. 1 AVG im erstinstanzlichen Verwaltungsverfahren zu treffen. Sollte sich im Sinn des Beschwerdevorbringens herausstellen, dass der Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren vertreten war, so ist die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides mit einer an den Beschwerdeführer persönlich gerichteten Zustellverfügung nicht wirksam gewesen, zumal weder aus dem Akteninhalt noch aus dem Vorbringen ableitbar ist, dass der erstinstanzliche Bescheid dem betreffenden Vertreter des Beschwerdeführers tatsächlich zugekommen wäre.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Ein Ersatz für Eingabengebühren war wegen der sachlichen Abgabenfreiheit (vgl. § 110 ASVG) nicht zuzusprechen.

In Anbetracht dieser Erledigung erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag des Beschwerdeführers, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am