VwGH vom 25.09.2019, Ra 2019/05/0050

VwGH vom 25.09.2019, Ra 2019/05/0050

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bayjones und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak und Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision 1. der C H und

2. des O H, beide in S, beide vertreten durch Dr. Martin Leitner und Dr. Ralph Trischler, Rechtsanwälte in 1070 Wien, Lindengasse 38/3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom , LVwG-AV-964/001-2018, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde: Gemeindevorstand der Marktgemeinde S; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Marktgemeinde S hat den Revisionswerbern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde S vom wurde den Revisionswerbern gemäß § 35 Abs. 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 2 der NÖ Bauordnung 2014 (im Folgenden: BO) aufgetragen, eine konsenslos errichtete Betonplatte im Grünland auf der Parzelle 2079/2, KG S, bis zum abzutragen. Drei Auflagen wurden vorgeschrieben. Begründend wurde ausgeführt, für die Betonplatte liege die erforderliche Baubewilligung nicht vor.

2 Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde S vom wurde die dagegen erhobene Berufung der Revisionswerber als unbegründet abgewiesen und der Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde S vom mit der Maßgabe bestätigt, dass die darin vorgeschriebenen Auflagen zu entfallen haben. Die Leistungsfrist wurde mit neu festgesetzt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, es liege ein Bauwerk vor, für dessen Errichtung eine Baubewilligung erforderlich sei. Eine Baubewilligung gebe es aber nicht. 3 Gegen diesen Bescheid erhoben die Revisionswerber Beschwerde vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, die Frist für die Durchführung des Abbruches mit fünf Monaten ab Zustellung des Erkenntnisses festgesetzt und eine Revision für nicht zulässig erklärt. 5 Begründend wurde nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens und von Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, die Revisionswerber hätten am im Grünlandbereich ihres Grundstückes eine 25 cm dicke, mit 4 mm Eisen bewehrte Betonplatte von 31 m2 in einem Stück errichten lassen, indem Beton auf einen Schotterkoffer aufgebracht worden sei. Zweck der errichteten Betonplatte sei es nach den Ausführungen der Revisionswerber, Kisten und Behälter zu lagern sowie Geräte und Traktoren abzustellen. Die Revisionswerber hätten weder um eine Baubewilligung angesucht, noch sei die Errichtung der Baubehörde angezeigt worden. Zur fachgerechten Herstellung einer solchen Betonplatte sei ein wesentliches Maß an bautechnischen Kenntnissen erforderlich; durch den notwendigen frostsicheren Unterbau und nicht zuletzt das erhebliche Gewicht des Betons sei eine kraftschlüssige Verbindung mit dem Boden gegeben. Die Erforderlichkeit bautechnischer Kenntnisse ergebe sich aus einem näher zitierten Amtssachverständigengutachten und dessen Er��rterung im Rahmen der mündlichen Verhandlung (wurde näher ausgeführt).

6 Soweit noch revisionsrelevant, wurde ferner ausgeführt, für die Erlassung eines Abbruchauftrages nach § 35 Abs. 2 Z 2 BO müsse die Bewilligungspflicht des betreffenden Objektes sowohl im Zeitpunkt der Errichtung als auch im Zeitpunkt der Erteilung des Auftrages gegeben sein. Im November 2014 habe die NÖ Bauordnung 1996 gegolten. Zur Beurteilung aller übrigen Rechtsfragen sei gemäß § 70 Abs. 1 BO in einem Verfahren nach § 35 BO nicht die bisherige, sondern ausschließlich die nunmehr geltende Rechtslage anzuwenden.

7 Für die Beantwortung der Frage, ob durch die bauliche Anlage Gefahren für Personen und Sachen oder ein Widerspruch zum Ortsbild entstehen oder Rechte nach § 6 NÖ Bauordnung 1996 verletzt werden könnten, sei an die abstrakte Möglichkeit der genannten Eingriffe kein hoher Maßstab anzulegen. Die mangelnde Aussagekraft dieses Tatbestandselements habe schließlich den Gesetzgeber zur Streichung dieser Wendung veranlasst, sei doch schon nach der alten Rechtslage praktisch jede bauliche Anlage der Bewilligungspflicht unterlegen (Hinweis auf den Motivenbericht zu § 14 Z 2 BO).

8 Aber selbst wenn man in dieser Frage der Ansicht der Revisionswerber folgte, dass die Errichtung bewilligungsfrei möglich gewesen wäre, führte dies nicht zu einer Rechtswidrigkeit des Bescheides des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde S vom . Durch die Errichtung der Betonplatte und die dauernde Lagerung verschiedener Geräte und Behältnisse darauf sei jedenfalls der Tatbestand des § 15 Z 16 NÖ Bauordnung 1996 erfüllt. Diese Verwendungsänderung im Grünland - Land- und Forstwirtschaft wäre zumindest anzeigepflichtig gewesen. 9 Im Entscheidungszeitpunkt ergebe sich die Bewilligungspflicht allein daraus, dass es sich bei der Betonplatte um eine bauliche Anlage handle (vgl. § 14 Z 2 BO). Selbst wenn man die Argumentation der Revisionswerber zugrunde legte, dass die Errichtung bewilligungsfrei möglich gewesen wäre, wäre die Nutzung als Lagerplatz (Traktor, Gerätschaften, Kisten) zumindest anzeigepflichtig nach § 15 Abs. 1 Z 1 lit. f BO. Im Zeitpunkt der Errichtung der Betonplatte und Nutzung als Lagerplatz wäre das Vorhaben also zumindest anzeigepflichtig nach § 15 Z 16 NÖ Bauordnung 1996 gewesen. Im Entscheidungszeitpunkt sei es bewilligungspflichtig nach § 14 Z 2 BO. Für die bauliche Anlage liege weder eine Baubewilligung noch eine Bauanzeige vor.

10 Die BO, die gemäß § 70 Abs. 1 BO auf das gegenständliche Verfahren grundsätzlich anwendbar sei, sehe eine dem § 35 Abs. 2 Z 3 NÖ Bauordnung 1996 entsprechende Regelung nicht mehr vor, sodass nunmehr keine Prüfpflicht der Baubehörde hinsichtlich der Zulässigkeit eines Bauwerkes bzw. keine Pflicht zur Aufforderung des Bauwerbers durch die Baubehörde, den für die fehlende Bewilligung erforderlichen Antrag innerhalb einer bestimmten Frist nachzuholen, bestehe. Entscheidend sei somit nur der Umstand, dass für die bauliche Anlage eine Baubewilligung nicht vorhanden und eine Bauanzeige nicht erstattet worden sei.

11 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag, es kostenpflichtig aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

12 Die Revision ist in Anbetracht der in den Revisionszulässigkeitsgründen dargestellten Begründungsmängel zulässig.

13 In der Revision wird im Wesentlichen ausgeführt, es werde nicht in Zweifel gezogen, dass es sich bei der Betonplatte um eine bauliche Anlage handle. Das Verwaltungsgericht habe aber weder festgestellt, dass Gefahren für Personen oder Sachen von der Betonplatte ausgingen noch, dass ein Widerspruch zum Ortsbild entstehe, und auch nicht, dass Rechte nach § 6 NÖ Bauordnung 1996 verletzt werden könnten. Mangels Vorliegens dieser Voraussetzungen sei eine Baubewilligungspflicht nach der NÖ Bauordnung 1996 nicht gegeben. Die Begründung, dass praktisch jede bauliche Anlage der Bewilligungspflicht unterliege, vermöge die fehlende Gefährdung für Personen oder Sachen den Widerspruch zum Ortsbild oder die Verletzung von Rechten nach § 6 NÖ Bauordnung 1996 nicht "zu ersetzen". Es bleibe offen, aufgrund welcher Überlegungen das Verwaltungsgericht vom Vorliegen der genannten Tatbestandsmerkmale ausgegangen sei. Von einer auf ebenem Boden liegenden Betonplatte könnten keinerlei Gefahren ausgehen. Offenbar habe das Verwaltungsgericht aber ohnehin keine Bewilligungspflicht im Errichtungszeitpunkt feststellen wollen, zumal es auf die zumindest gegebene Anzeigepflicht hingewiesen habe. Für die Rechtfertigung des Abbruchauftrages müsse aber eine Bewilligungspflicht vorliegen. Abgesehen davon liege aber auch keine Anzeigepflicht vor. Anknüpfungspunkt für die Anzeigepflicht gemäß § 15 Abs. 1 Z 16 NÖ Bauordnung 1996 sei nämlich die dauernde Verwendung eines Grundstückes, also kein Bauwerk. § 35 BO verlange für einen Abbruch, dass ein "Bauwerk" vorliege, für das keine Baubewilligung oder Anzeige bestehe. Der Abbruchauftrag beziehe sich auf die Betonplatte. Diese bedürfe weder einer Baubewilligung noch einer Anzeige. Die Anzeigepflicht, auf die sich das Verwaltungsgericht berufe, beziehe sich auf die Verwendungsänderung des Grundstückes. Der anzeigepflichtige Vorgang bestünde gegenständlich in der Verwendung des Grundstückes zu Lagerzwecken. Eine Verletzung der Anzeigepflicht müsste die behördliche Untersagung der Verwendung des Grundstücks zu Lagerzwecken zur Folge haben, nicht jedoch den Abbruch von Bauwerken, die weder bewilligungspflichtig noch anzeigepflichtig seien.

14 Die maßgebenden Bestimmungen der BO, LGBl. Nr. 1/2015, in

der Fassung LGBl. Nr. 53/2018 lauten auszugsweise:

"§ 4

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieses Gesetzes gelten als

...

  1. bauliche Anlagen: alle Bauwerke, die nicht Gebäude sind;

  2. Bauwerk: ein Objekt, dessen fachgerechte Herstellung ein

  3. wesentliches Maß an bautechnischen Kenntnissen erfordert und das mit dem Boden kraftschlüssig verbunden ist;

  4. ..."

  5. "§ 14

  6. Bewilligungspflichtige Vorhaben

  7. Nachstehende Vorhaben bedürfen einer Baubewilligung:

  8. ...

  9. 2.die Errichtung von baulichen Anlagen;

  10. ..."

  11. "§ 15

  12. Anzeigepflichtige Vorhaben

(1) Folgende Vorhaben sind der Baubehörde schriftlich anzuzeigen:

...

f) die Verwendung eines Grundstücks als Lagerplatz für Material aller Art, ausgenommen Abfälle gemäß Anhang 1 des NÖ Abfallwirtschaftsgesetzes 1992, LGBl. 8240, über einen Zeitraum von mehr als 2 Monaten;

..."

"§ 35

Sicherungsmaßnahmen und Abbruchauftrag

...

(2) Die Baubehörde hat den Abbruch eines Bauwerks ungeachtet eines anhängigen Antrages nach § 14 oder einer anhängigen Anzeige nach § 15 anzuordnen, wenn

...

2. für das Bauwerk keine Baubewilligung (§ 23) oder Anzeige (§ 15) vorliegt.

Für andere Vorhaben gilt Z 2 sinngemäß.

..."

"§ 70

Übergangsbestimmungen

(1) Die am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen Verfahren, ausgenommen jene nach § 33 und 35 der NÖ Bauordnung 1996, LGBl. 8200, sind nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen. ...

..."

15 Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass als Voraussetzung für einen Abbruchauftrag gemäß § 35 Abs. 2 BO die Bewilligungs- bzw. Anzeigepflicht sowohl im Zeitpunkt der Errichtung des Bauwerkes als auch im Zeitpunkt der Erteilung des Auftrages gegeben sein muss (vgl. , mwN).

16 Im unbestritten festgestellten Errichtungszeitpunkt () stand die NÖ Bauordnung 1996, LGBl. 8200, in der Fassung LGBl. 8200-23 in Geltung. Die daraus maßgebenden Bestimmungen lauten auszugsweise wie folgt:

"§ 4

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieses Gesetzes gelten als

...

3. Bauwerk: ein Objekt, dessen fachgerechte Herstellung ein wesentliches Maß an bautechnischen Kenntnissen erfordert und das mit dem Boden kraftschlüssig verbunden ist;

4. bauliche Anlagen: alle Bauwerke, die nicht Gebäude sind;

..."

"§ 14

Bewilligungspflichtige Bauvorhaben

Nachstehende Bauvorhaben bedürfen einer Baubewilligung:

...

2. die Errichtung von baulichen Anlagen, durch welche Gefahren für Personen und Sachen oder ein Widerspruch zum Ortsbild (§ 56) entstehen oder Rechte nach § 6 verletzt werden könnten;

..."

"§ 15

Anzeigepflichtige Vorhaben

(1) Folgende Vorhaben sind mindestens 8 Wochen vor dem Beginn ihrer Ausführung der Baubehörde schriftlich anzuzeigen:

...

16. die dauernde Verwendung eines Grundstücks als Lagerplatz für Material aller Art, ausgenommen die Lagerung von Brennholz für ein auf demselben Grundstück bestehendes Gebäude und von land- und forstwirtschaftlichen Produkten auf Grundstücken mit der Flächenwidmung Grünland- Land- und Forstwirtschaft;

..."

17 Zunächst ist festzuhalten, dass den Revisionswerbern spruchgemäß die Beseitigung einer Betonplatte aufgetragen wurde. Nicht aufgetragen wurde den Revisionswerbern die Unterlassung der Verwendung des Grundstückes als Lagerplatz (für Traktoren, Gerätschaften oder Kisten etc.). Soweit in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses daher ausgeführt wird, dass eine Anzeigepflicht aufgrund der Nutzung als Lagerplatz jedenfalls im Zeitpunkt "der Errichtung der Betonplatte" gegeben gewesen wäre, geht diese Darlegung schon angesichts des spruchgemäßen Auftrages ins Leere. Der Umstand allein, dass Zweck der errichteten Betonplatte nach den Ausführungen der Revisionswerber gewesen wäre, Kisten und Behälter zu lagern sowie Geräte und Traktoren abzustellen, reicht nicht aus. Soweit die Begründung daher auf eine Anzeigepflicht nach § 15 Z 16 NÖ Bauordnung 1996 gestützt wird, vermag sie die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes nicht zu tragen.

18 Hinsichtlich der Betonplatte, die unbestritten (und auf Grund der Feststellungen des Verwaltungsgerichtes auch unbedenklich) als bauliche Anlage qualifiziert wurde, kommt es im Hinblick auf die Bewilligungspflicht nach der Rechtslage im Errichtungszeitpunkt () darauf an, ob durch diese Anlage Gefahren für Personen und Sachen oder ein Widerspruch zum Ortsbild entstehen oder Rechte nach § 6 NÖ Bauordnung 1996 verletzt werden könnten (§ 14 Z 2 NÖ Bauordnung 1996). Die Begründung des Verwaltungsgerichtes, dass "an die abstrakte Möglichkeit der genannten Eingriffe kein hoher Maßstab anzulegen" sei, vermag nicht nachvollziehbar darzulegen, dass im konkret vorliegenden Fall die Tatbestandselemente des § 14 Z 2 NÖ Bauordnung 1996 erfüllt wären. Gleiches gilt für die Ausführungen in der Begründung unter Berufung auf den Motivenbericht zur BO, dass "die mangelnde Aussagekraft dieses

Tatbestandselements ... schließlich den Gesetzgeber zur Streichung

dieser Wendung" veranlasst habe, sei "doch schon nach der alten Rechtslage praktisch jede bauliche Anlage der Bewilligungspflicht" unterlegen. Eine nachvollziehbare Begründung dafür, dass durch die bauliche Anlage Gefahren für Personen und Sachen oder ein Widerspruch zum Ortsbild entstehen oder Rechte nach § 6 NÖ Bauordnung 1996 verletzt werden könnten (vgl. § 14 Z 2 NÖ Bauordnung 1996), fehlt somit.

19 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

20 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG iVm der Verordnung, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019050050.L00

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